Musik, an sich betrachtet, gehört schon lange zu meinen Hobbies, und das bereits weit über fünfzig Jahre. Im Laufe der Zeit hat es mannigfaltige neue Eindrücke gegeben. Was einst ein ehemaliger Dienststellenleiter seinen Mitarbeitern stets zu wünschen pflegte, war „geistige Mehrung“. Ja, im Laufe eines musikzugeneigten Lebens kann sich diese geistige Mehrung durchaus ergeben, immer dann, wenn man offen bleibt für Einflüsse, wenn man Toleranz zeigt und sich nicht puristischen Gedanken zuneigt.

Doch an welcher Stelle verschwimmen diese Grenzen? Was ist wirklich pur? Klassischerweise trifft das in besonderem Masse auf Folk, Blues und Jazz zu. Jedes der Genres hat einen Anfang gehabt. Folk/Volksmusik gibt es nun schon sehr lange, und entsprechend des Herkunftslandes hat sich dieser Stil ohnehin ganz verschieden ausgeprägt. Blues hat sich im Grunde genommen als eigenständiges Genre innerhalb der Folklore entwickelt, als Musik der afro-amerikanischen Bevölkerung. Jazz hat sich von Beginn an auch in verschiedene grobe Sparten unterteilt, New Orleans Jazz, Chicago Jazz, Dixieland, und beinhaltete dann auch wieder Elemente des Blues und des Ragtimes.

Insofern gab es eigentlich von Beginn an keinen reinen Purismus, weil Fusion stets Bestandteil der Entwicklung von Musik war. Nun gut, gemeint ist wahrscheinlich die jeweilige Hinzunahme eines weiteren Genres, dass wiederum selbst auf mehrere Grundelemente zurückblicken kann, ich meine Rock. So entstanden halt Folk Rock, Blues Rock und Jazz Rock. Während es bei Folk und Jazz eine klare Abspaltung geschafft hat, sich zu etablieren, hat das mit dem Blues bis heute noch nicht so ganz geklappt. Folk und Folk Rock sowie Jazz und Jazz Rock existieren wie selbstverständlich nebeneinander, doch das, was heute gemeinhin als Blues verkauft und auch so akzeptiert und ausgelegt wird, ist meines Erachtens eindeutig Blues Rock.

Ungeachtet dessen will ich eigentlich darauf hinaus, dass immer stärker auftretendes Schubladendenken zu unnützen Diskussionen und sogar Streitereien führt, weil es immer noch Musikliebhaber gibt, die nichts auf ihren puristischen Gedanken kommen lassen und sich eher ablehnend verhalten. Hätte es nie diese vielen Blicke über den Tellerrand gegeben, dann gäbe es auch nicht diese immense Vielfalt, wie sie heute existiert und insofern jeden Geschmack abdeckt. Fusioniert wurde, wenn man genauer hinschaut, doch immer mehr, Folk hielt Einzug im Jazz, Jazz nahm Elemente der klassischen Musik auf, und die World Music spiegelt sich auch vielerorts in verschiedenen Genres wider.

So ist es wirklich erhellend, festzustellen, wie die Sprache der Musik immer universeller wird, Völker und Kulturen miteinander verbindend, ungeachtet politischer Querelen und sonstiger Streitigkeiten und Uneinigkeiten über weltliche und religiöse Dinge. Selbst wenn sich verschiedene Religionen, wie Christentum, Hinduismus, Buddhismus, Islam feindselig gegenüber stehen, so ist es doch erfreulich, festzustellen, dass Musiker aus diesen verschiedenen Glaubensgemeinschaften wie selbstverständlich miteinander musizieren, friedlich eben.

Und das ist sicher auch ein Ergebnis von Offenheit, von Toleranz und Empathie, auf allen Seiten, leider in der realen Welt noch immer Utopie…. Halten wir uns doch einfach an einen Song von Michy Reincke, „Alles Musik“, in dem er Labyrinthe aus Geschwätz, Frieden und Krieg erwähnt, aber „Es ist alles Musik, es bleibt immer Musik“, „…wenn Du fliegen kannst, flieg“, „Es ist nur eine Frage von Feigheit oder Mut…“

Welche besonderen völkerverständigen, fusionierenden Vorstellungen haben wir dieses Mal bei Musik an sich? Wo haben wir gezeigt, dass Purismus nicht das Maß aller Dinge sein kann?

Da sind Diego Figueiredo mit seinem Album Come Closer, Lulo Reinhardt - feat. Yuliya Lonskaya mit Gypsy meets Classic, die Anatolian Weapons feat. Seirios Savvaidis mit To the Mother of Gods, Park Jiha mit Philos und Quinsin Nachoff’s Flux mit Path Of Tonality.

Völkerverständigend wollte auch das Woodstock-Festival sein, dessen 50. Jubiläum seit Wochen in allen Medien abgefeiert wird. Wir blähen das nicht weiter auf, haben aber genau im Monat des 50. Jubiläums zumindest zwei Beiträge in der Hinterhand. Norbert rezensiert eine ausführliche Dokumentation des Festivals und bespricht die CD, die den Auftritt von Creedence Clearwater Revival erstmals offiziell veröffentlicht.

Im grenzübergreifenden Sinne wünsche ich noch einen angenehmen Sommer…

Wolfgang