Wofür mache ich das eigentlich Alles?

Ja, oft habe ich darüber nachgedacht. Da bin ich nun Tag für Tag damit beschäftigt, mir Musik anzuhören, die ich vielleicht gar nicht wirklich mag. Promoter schicken unaufgefordert neue Veröffentlichungen zu, oft Platten von Musikern*innen, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Da bekommt man per e-mail Anfragen, ob man sich der einen oder anderen Veröffentlichung widmen möchte, und mag auch nicht unbedingt NEIN sagen, obwohl die Hörbeispiele alles andere als überzeugend waren.

Und sind die Rezensionen dann schließlich eingestellt und veröffentlicht, dann erfährt man in der Regel so gut wie gar keine Reaktion von Menschen, die diese Rezension vielleicht gelesen haben. Dann stellt sich mir oft auch die Frage, ob überhaupt noch Interesse an neue Plattenvorstellungen besteht. Ist mittlerweile vielleicht eine neue Generation entstanden, die sich einfach nur noch an Streaming oder Downloading orientiert? Sind ganze Platten überhaupt noch gefragt? Reaktionen sind in der Regel gleich Null!

Eigentlich könnte man diese Zeit der Arbeit auch anders nutzen, sich verstärkt anderen Hobbies widmen, sich auch mal in Ruhe Musik anzuhören, an der das Herz hängt. Doch irgendeinen Sinn muss es doch auch geben, sich ständig diesen neuen Herausforderungen zu stellen. Ja - sicher, es kann Freude bereiten, sich Neuem zu stellen, dabei zu erforschen und zu entdecken und dabei eventuell auch auf die eine oder andere bisher unentdeckte Goldader zu stoßen. Darüber hinaus hält das Ganze den Geist frisch und fit und führt zudem auch zur Wissensmehrung, und das ist grundsätzlich auch positiv.

Und das alles geschieht letztlich "ehrenamtlich". Wäre man bei einem großen Printmagazin angestellt, würde man dafür entlohnt werden und an der Arbeit insofern vielleicht eher einen Sinn sehen. Was ist hier also der Lohn? Erst einmal natürlich die Promotion-Exemplare an CDs, die aber irgendwann auch einmal die Regale verstopfen können. Also - noch einmal: Wofür mache ich das eigentlich Alles?

Mittlerweile ist mir das klar geworden. Es hat einen ganz einfachen menschlichen Hintergrund. Es ist eine Aufgabe von Mensch zu Mensch, eine, von der Menschen profitieren können - und zwar die Musiker*innen sind es, für die ich es gern mache. Nicht immer, nicht für Alle, denn auch nicht so wohlwollende Kritiken haben bereits den einen oder anderen gegen mich persönlich aufgebracht. Aber auch darunter gibt es Beispiele, die mich persönlich angeschrieben haben und sich bedankt haben für eine andere Sichtweise, mit Hinweisen, die auch so manches Mal aufgegriffen wurden. Und das macht dann doch ein wenig stolz.

Besonders erfreulich ist es dann, wenn sich aus diesen Rezensionen und Reaktionen von Musikern*innen persönliche Kontakte ergeben haben, die dann den Lohn in Form von solchen Äußerungen, wie nachfolgend aufgeführt, darstellen. Und dann weiß ich: Dafür mache ich das Alles!

„I found the review. Thank you for all your kind words, my friend!” (C. Daniel Boling)

„Thanks for the great review. You are a great host - and I would love to come back to Wilhelmshaven.” (Ted Russell Kamp)

„Thankyou from all of us for the hospitality & company - it's always greatly appreciated! You're a bloody legend!” (Kaurna Cronin)

„I wish you and your family to have a blessed year. Take care, and my love to the both of you. All of my love to the both of you.” (Jody Williams)

„Thank you again Wolf Gang! Great article and the pictures! Love you both and miss you so much! Of course I am think of you very often.” (Valery Ponomarev)

Ich weiß, dass auch ein Online-Magazin wie musikansich.de einen Anteil daran hat, dass Gutes gewürdigt und verbreitet wird und dass die eine oder andere Perlen entdeckt wird. Denn in der Gesamtheit aller Mitarbeiter wird unsere Mühe noch vervielfältigt und erreicht vielleicht das, was ich mir in positivem Sinne vorstelle.

Während die Warnungen vor neuen Corona-Katastrophen immer lauter werden, hat man beim Blick auf unser Juli-Inhaltsverzeichnis das Gefühl, Corona sei tot. Neben einem infektionssicheren Email-Interview mit Charlie Musselwhite und den monatlichen Kolumnen von Ingo (Ashley Parker Angel) und Norbert (Morgana Lefay) bestehen 70% unserer Ausgabe aus Live-Berichten.

Stefan hat sich in Nürnberg von Melissa Etheridge becircen lassen, während Roland in Sachsen und Thüringen u.a. zwischen der Blechbläser-Comedy von Mnozil Brass, dem Postrock von jeffk und etablierter Klassik von Händel und dem Gewandhausorchester gependelt ist.

Reviews gibt es natürlich auch wieder. U.a. hat Norbert seine Ballsqueezer-Review-Reihe mit der 15.(!) Folge (vorläufig) beendet.

Wir von musikansich.de bleiben am Ball, so oder so! In diesem Jahr allerdings erst nach einer Sommerpause. Die Ausgabe 253 erscheint als Doppelausgabe "August / September 2022" am 1. September.

Euer Wolfgang Giese