Ray Anderson

Marching On, Solo Trombone


Info
Musikrichtung: Jazz

VÖ: 23.09.2022

(Double Moon)

Gesamtspielzeit: 38:15

Internet:

https://challengerecords.com/
https://www.martinaweinmar.de/


2021 war er schon einmal unterwegs im Quartett mit Come IN , der aus Chicago stammende Posaunist Ray Anderson, er firmierte unter dem Bandnamen "Ray Anderson Pocket Brass Band". Nun ist er ganz allein und stellt mit Marching On, Solo Trombone, ein Soloalbum vor.

Posaune solo? Nun, das kam und kommt nicht häufig vor. Spontan kann ich mich hierzu auch nur an "The Solo Trombone Record" von George Lewis (1976) oder "Tromboneliness" von Albert Mangelsdorff (1981) erinnern, wobei das zweitgenannte sicher eine ganz besondere Stellung einnehmen dürfte und für mich wahrscheinlich auch bis heute ein Referenzalbum des Genres sein dürfte.

Wie Lewis stammt auch Anderson aus einer Jazz-Szene, die sich zu neuen Ufern aufgemacht hatte, spielte er doch zusammen mit Charles Moffett oder Anthony Braxton oder Barry Altschul. War es bei der Pocket Brass Band noch so, dass sich der Posaunist, vielleicht als Erinnerung an frühe kindliche Einflüsse, auch am New Orleans Jazz orientierte, so bietet er auf seinem Solo-Album eine bunte Mischung von Eigenkompositionen über Klassiker des Great American Songbooks und Jazz-Standards hin zu modernen Songs.

Die Schwierigkeit besteht sicherlich grundsätzlich darin, mit einem Solo-Album die volle Aufmerksamkeit von Zuhörern*innen zu gewinnen. Gelingt dieses in der Regel beispielsweise wohl mit einem Piano-Solo-Album am besten, so dürfte das für ein Album mit der Posaune mit am wenigsten gelten. So muss Anderson seine bisherige musikalische Bandbreite, zwischen Avantgarde, Funk und freiem Jazz nutzen, um diese Einflüsse unter einen Hut zu bringen und daraus eine unterhaltsame Mischung vorzulegen.

Dazu bedarf es natürlich als erstes eines Publikums, das gewillt ist, sich darauf einzulassen. Und so erlebe ich sein Spiel auf der Posaune lebhafter als bei Lewis und Mangelsdorff, ungestümer und emotionaler, allerdings auch weniger zum Aufhorchen Anlass gebend wie bei Mangelsdorff. Und so empfinde ich seinen Stil weniger technisch inspiriert und ausgeführt, sondern wärmer und natürlicher, vitaler und teilweise auch mit Humor gespickt.

Anderson vermittelt mir das Gefühl, sich stark auf den Kern der Originale einzulassen, sehr empfinde ich das zum Beispiel bei "Just Squeeze Me" von Duke Ellington. Ja, er quetscht sein Instrument anscheinend auch wirklich aus und ich kann den Duke irgendwie auch heraushören. Sehr schwierig wird es gewesen sein, die spirituelle Ausstrahlung eines Songs wie "Equinox" von John Coltrane herzustellen. Ansatzweise gelingt das, mitunter mit einem leicht bluesigem Unterton.

Zum Schluß dann etwas Filmmusik - "Moon River" von Henry Mancini, dieser Klassiker erhält in dieser Version nun einen ganz neuen Anstrich, nicht sklavisch an der bekannten Melodie klebend, sondern mit reichlich eigenen Zutaten zu einem sehr interessanten Stück verarbeitet, ein feiner Abschluss einer Zurschaustellung ganz verschiedener Stimmungen, die Anderson mit Bravour eingespielt hat.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Keep your heart right
2 Marching on, blues for john lewis
3 Just squeeze me
4 Early morning in the andersonorious jungle
5 Equinox
6 You brought a new kind of love to me
7 Choppers
8 The sisyphus effect
9 Moon river
Besetzung

Ray Anderson (trombone)


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