Nick Mason schaut mit seinen Saucerful Of Secrets ganz weit zurück in die Pink-Floyd-Vergangenheit




Info
Künstler: Nick Mason's Saucerful Of Secrets

Zeit: 15.09.2018

Ort: Stuttgart - Liederhalle Beethovensaal


Mit einem Auftritt von Nick Mason in Deutschland habe ich nun wirklich nicht mehr gerechnet. Der mittlerweile 74-Jährige hat in der Vergangenheit nicht gerade durch Konzertreisen auf sich aufmerksam gemacht. Von daher wundert es mich auch nicht, dass das Konzert an dem Abend schließlich ausverkauft ist.

Bereits vor dem Beethovensaal haben sich etliche meist ältere männliche Pink-Floyd-Fans versammelt und fachsimpeln, tauschen Erinnerungen aus oder warten ganz einfach bei herrlichem Wetter auf den Beginn des Konzerts. Ein ganz besonders tiefenentspannter älterer Fan steckt sich nicht weit weg vom Haupteingang so selbstverständlich einen riesigen Joint rein, wie er es vermutlich schon in den 60ern gemacht hat.

Als Vorband fungiert die Songwriterin EMMA TRICCA. Mit St. Peter hat sie gerade das dritte Album am Start. Nur mit akustischer Gitarre betritt sie die Bühne und legt mit sehr geschmackvollem Gitarrenspiel und zartem Gesang los. Die Songs sind meist leicht melancholisch und wirken immer ein wenig verträumt und zerbrechlich. Auch ihre Stimme, die im Laufe des Auftritts immer mehr an Sicherheit gewinnt, strahlt etwas Empfindsames aus. Die Songs ähneln sich teilweise stark und sind streckenweise sehr ruhig – für manche auch zu ruhig. Etliche verlassen den Saal, unterhalten sich oder schauen in ihr Smartphone. Trotzdem kommt ihre Musik bei einem Großteil des Publikums gut an. Als Emma ihren letzten Song ankündigt, bekommt sie von einem kleinen Teil des Publikums leicht boshaften Applaus. Das verunsichert sie noch mehr und führt dazu, dass sie nach dem letzten Song mit Tränen in den Augen die Bühne verlässt. Ich finde das sehr schade. Man muss die Songs nicht gut finden, aber höhnischen Applaus hat – finde ich – kein Musiker verdient. Aber so ist es manchmal einfach – Peter Maffay könnte von seiner Tour mit den Rolling Stones zu seiner „Und es war Sommer“-Zeit vermutlich auch ein Lied singen.

Nach einer kurzen Umbaupause geht das Licht aus und NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS betreten unter großem Jubel die Bühne. Im Zentrum des Geschehens steht Bassist und Hauptsänger Guy Pratt, der stilecht mit einem Rickenbacker-Bass loslegt. Der Sound ist bestens und versetzt einen sofort in die Sechziger Jahre. Dieser Effekt wird durch die geschmackvollen Bühnenprojektionen mit Wachs- und Batikoptik noch zusätzlich verstärkt. Die Songauswahl ist erwartungsgemäß nicht an die großen Hits von Pink Floyd gebunden, sondern an den experimentellen und psychedelischen Frühwerken. Diese Songs bekommt man weder von David Gilmour noch von Roger Waters zu hören, von daher ist das Konzert für Floyd-Fans eine willkommene Abwechslung. Ein Show-Drummer wie Keith Moon war Mason niemals und wird es auch heute Abend nicht mehr. Er stellt sich ganz in den Dienst der Band und legt mit viel Virtuosität und noch mehr Begeisterung einen sagenhaften Rhythmus-Teppich auf der Bühne aus. Die Songs kommen beim Publikum hervorragend an. Etlichen merkt man an, dass sie schon lange auf die Darbietung eben dieser selten gespielten Stücke gewartet haben.

Pink Floyd waren zu dieser frühen Bandphase noch in ihrer Sturm- und Drangzeit und haben erst allmählich damit begonnen, ihren ureigenen Sound zu kreieren. Verständlicherweise waren hier die Einflüsse des genialen, doch leider selbstzerstörerischen Bandgründers Syd Barrett noch spürbar, sein Genius schimmert bei den Songs deutlich durch. Die Stücke sind unverbraucht, offen und mit einer gehörigen Portion jugendlichen Leichtsinns ausgestattet und somit meilenweit entfernt von Roger Waters' grüblerischen und politischen Stellungnahmen. Der sympathische und humorvolle Mason macht ein paar knappe Ansagen ans Publikum. So lässt er durchblicken, dass es für ihn vor allem mit Roger Waters nicht immer sehr einfach war über all die Jahre. Er muss es wissen, schließlich hat er auf allen Pink-Floyd-Alben mitgewirkt.

Die Begleitmusiker von Nick Mason sind allesamt Meister ihres Fachs. Dreh- und Angelpunkt sind Guy Pratt und der Spandau-Ballet-Gitarrist Gary Kemp. Beide teilen sich fast den gesamten Gesang auf und spielen die Stücke mit einer derartigen Begeisterung, als hätten sie diese eben vorhin erst geschrieben. Von einer Coverband kann hier keinesfalls die Rede sein! Es kommt während der kompletten 105 Minuten ein richtiges Band-Feeling auf. Der fabelhafte Lee Harris komplettiert die Stücke mit seiner zweiten Gitarre und vom Hintergrund aus bringt Keyboarder Dom Beken geschmackvolle Hammond-Tupfer mit ein.

Bei „Arnold Lane“ läuft im Hintergrund das Original-Video auf der Leinwand. Spätestens hier wird deutlich, wie alt diese Stücke schon sind. Trotzdem beweisen sie eine erstaunliche Frische und Zeitlosigkeit. Mason erwähnt danach, dass dieser Song von den offiziellen Radiostationen aufgrund seines Textes ständig boykottiert wurde.

Das klare Highlight des Abends ist für mich das Stück „Set the Controls for the Heart of the Sun“. Die Band legt dabei einen derart hypnotischen Schamanensound aufs Parkett, der einen schier in Trance versetzt. Die Hintergrundeinspielungen erhöhen diesen Effekt. Zum Schluss haut Guy Pratt auf den Gong und versetzt diesem fleischgewordenen Hippie-Traum ein lautes, aber vorhersehbares Ende. Was für ein Koloss von Song!

Das brachiale „One Of These Days“ beendet gefühlt schon viel zu früh das reguläre Set. Das Publikum ist aus dem Häuschen und bringt es mühelos fertig, die Musiker zu zwei Zugaben zu animieren. Bei den letzten beiden Stücken läuft die gesamte Band noch einmal zur Hochform auf und zeigt, dass sie eine bestens eingespielte Einheit darstellen. Danach bedanken sich sichtlich zufrieden beim hervorragenden Publikum. Ich bin hellauf begeistert. Der Auftritt war äußerst kurzweilig, gefühlt viel zu schnell vorbei und meilenweit entfernt von einem vorhersehbaren Konzert. Nick Mason ist durch die Auswahl der tollen Bandkollegen und der Stücke des Abends ein einmaliges Konzert gelungen, das so gerne noch eine Zeitlang wiederholt werden kann.

Setlist:
1. Interstellar Overdrive
2. Astronomy Domine
3. Lucifer Sam
4. Fearless
5. Obscured by Clouds
6. When You're In
7. Arnold Layne
8. Vegetable Man
9. If
10. Atom Heart Mother (Parts I – IV)
11. The Nile Song
12. Green Is the Colour
13. Let There Be More Light
14. Set the Controls for the Heart of the Sun
15. See Emily Play
16. Bike
17. One of These Days
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18. A Saucerful of Secrets
19. Point Me at the Sky


Stefan Graßl



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