Jommelli, N. (Prandi)

Requiem


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 4.9.2020

(ARCANA / Outhere Music / Note 1 / CD / 2019 / Best. Nr. A 477)

Gesamtspielzeit: 55:15

Internet:

Coro e Orchestra Ghisleri



ZWEITER AUFSCHLAG SITZT

Wer hätte das gedacht: Jahrelang gab es von Niccolò Jommellis (1714-1774) Requiem in Es-Dur, das über Jahrzehnte in Europa als maßstabsetzend galt, überhaupt keine Einspielung. Und nun folgen gleich zwei in kurzem Abstand aufeinander. Und während man sich bei der Einspielung unter Peter van Heyghen (siehe MAS-Review) fragen musste, was denn so bemerkenswert an diesem Werk gewesen sein soll, sitzt der zweite Aufschlag unter Giulio Prandi präzise. Oder um in der Tennissprache zu bleiben: Wird als Ass serviert.

Prandi nähert sich dem Werk wesentlich behutsamer, aber auch differenzierter, dabei mehr von der Idee der Innerlichkeit und Einfachheit als vom Effekt her denkend. Das wird sogleich in den ersten Takten des Introitus spürbar, der damit zum großen Wurf wird. Aus dem zunächst fast unhörbaren, dunkel-samtigen Streicherklang tritt pianissimo und nahezu noch eins mit dem Instrumentalklang der Chor hervor, bevor einem Lichtstrahl gleich die Solisten mit der Zeile „Lux aeterna“ einsetzen. Das ist nicht nur ergreifend, sondern entfernt sich deutlich vom barocken Ansatz, hin zu einem empfindsamen und zugleich persönlichen Stil.

Daran, dass nicht immer alles sich bruchlos in diesem Sinne zusammenfügt und insbesondere die Sequenz „Dies irae“ merkwürdig zwischen Naivität und Theatralik changiert, ändert Prandis Zugriff zwar nichts. Aber er lässt die Stärken und das Neuartige dieser Requiem-Vertonung doch durchweg aufleuchten, auch dank einer starken Leistung von Coro e Orchestra Ghisleri und einem Solistenensemble, in dem vor allem Sandrine Piau und Salvo Vitale zur Höchstform auflaufen.

Klug auch Prandis Entscheidung, das Requiem nicht en bloc zu präsentieren, sondern mit monodischen gregorianischen Gesängen zu rahmen und zu unterbrechen. Nicht als Versuch einer Rekonstruktion der Uraufführung, sondern als Zugeständnis an die Tatsache, dass diese Vertonung keinem konzertanten, sondern einem liturgischen Zweck diente und nicht dazu gedacht war, hintereinanderweg musiziert zu werden. Dadurch werden manche ansonsten eher grob oder hektisch wirkende Satzanschlüsse bedeutungslos. Zudem fügen sich die gregorianischen Passagen auch musikalisch und vom Stimmungsgehalt her ideal ein.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Sandrine Piau: Sopran
Carlo Vistoli: Altus
Raffaele Giordani: Tenor
Salvo Vitale: Bass

Coro e Orchestra Ghisleri

Giulio Prandi: Ltg.



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>