Jody Williams - ein großer Blueser im Schatten der ganz Großen





Return Of A Legend, so hieß eine Platte von Jody Williams, die dieser im Jahre 2001 veröffentlichte. Aber warum "Return", warum "Legend"?
Am 3. Februar 1935 wurde der Bluesmusiker in Mobile, Alabama, geboren. 1940 zog der kleine Junge mit seiner Familie nach Chicago, in die South Side. Doch nicht die Gitarre war es, die den späteren Gitarristen zunächst interessieren sollte, sondern er widmete er sich dem Spiel der Mundharmonika. Insbesondere soll er angetan gewesen sein von dem 1946 in Chicago gegründeten Mundharmonika-Trio "The Harmonicats“. Das war eigentlich gar kein Blues, sondern eher damalige Popularmusik.
Während einer von zahlreichen Talentshows kam es dann zu einem Treffen mit Bo Diddley, und, weil nun Jody's Interesse für die Gitarre geweckt wurde, konnte er Bo überreden, ihn in die Kunst der Bluesgitarre einzuführen. So kam er etwa 1951 quasi als Autodidakt in die musikalische Zusammenarbeit mit Bo und dem Harpspieler Billy Boy Arnold, mit dem er sein Leben lang befreundet war. Diese Veranstaltungen fanden allerdings nicht in Clubs auf einer Bühne statt, sondern "out there on the corners“. Man musizierte auf der Straße und verdiente recht gutes Geld damit. Nach und nach erweiterten sich die Möglichkeiten und es folgten Auftritte in Shows von und mit Bluesern wie Memphis Minnie, Henry Gray oder Elmore James, und erste kleine "Tourneen“ starteten um jene Zeit, u.a. zusammen mit dem Pianisten Charles Brown.
Ein Treffen mit Howlin’ Wolf, der neue Bandmitglieder suchte, führte 1954 zu ersten Plattenaufnahmen. Weitere folgten, und schon bald war Jody ein gefragter Session-Gitarrist für Chess Records. Hierzu die folgende wichtige Auflistung einiger Songs:
Einer der wichtigsten Songs in Jody Williams‘ Karriere

Howlin' Wolf – Evil Is Going On (1954)
Howlin' Wolf – Forty Four (1954)
Sonny Boy Williamson – Don’t start me talkin’(1955)
Bo Diddley – Diddy Wah Diddy (1955)
Billy Boy Arnold – I wish you would (1955)
Bo Diddley – Who do you love (1956)
Otis Rush – Groaning the Blues (1957)

Na, das sind doch für Blueskenner bekannte und wichtige Songs, oder? Viele wussten allerdings bisher vielleicht nicht, dass hier an der Gitarre jeweils auch Jody Williams prägend zu hören ist, auf diesen sowie auf vielen anderen Songs weiterer Blueser wie Jimmy Rogers, Jimmy Witherspoon, Ike Turner etc...

Kurz nach den ersten Aufnahmen als Sessionmusiker kam es auch zur ersten eigenen Einspielung, das war 1955 mit der Single „Looking for my baby“ b/w „Easy Lovin’“, damals eingespielt unter dem Pseudonym Little Papa Joe. Zwei Jahre später sollte der große "Hit" erscheinen, eine Art "Signature Tune". Das war 1957 das Instrumental „Lucky Lou" mit dem prägnanten Gitarrenriff, aufgenommen als Little Joe Lee. Der Song war die B-Seite von „You May". Erst Jahre später folgten zwischen 1963 und 1966 vier weitere Single-Einspielungen.
Eine echte LP veröffentlichte Jody damals jedoch zunächst nicht. Lediglich auf The Leading Brand, einer LP mit Stücken von Earl Hooker von 1977, waren 6 Titel von ihm enthalten, zusammengestellt aus den damaligen Single-Veröffentlichungen. Diese Singles finden sich dann auch auf CD auf Platten wie z.B. Chess Blues Guitar 1949-1969, hier z.B. auch mit dem berühmten „Lucky Lou“ und dem Riff, das Otis Rush dann wenig später als Vorlage für sein bekanntes „All Your Love“ nutzen sollte. Aktuell im Jahre 2018 erschien dann eine hervorragende Zusammenstellung unter dem Titel In Session.
Eine fast aktuelle Williams-Compilation


Das „Stehlen“ bestimmter Riffs oder Stücke war ja seinerzeit an der Tagesordnung und so führte unter anderem ein Vorfall mit dem Gitarristen Mickey Baker dazu, dass sich Jody Williams nach und nach enttäuscht aus der Bluesszene zurück zog. Der Musiker hatte für das Stück „Billy’s Blues“ von Billy Stewart kompositorisch etwas beigesteuert, und genau das „stahl“ Baker dann für sein „Love is strange“ (Mickey and Silvia Baker). Ein Gerichtsverfahren zog sich dann, zum Nachteil Williams’, bis 1961 hin. Damit verbunden waren ebenfalls Streitigkeiten mit Bo Diddley.

Ungeachtet dessen, was im Einzelnen genau vorgefallen sein mag, als Resultat verabschiedete sich der Musiker aus dem Musikgeschäft und arbeitete fortan bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1994 als Ingenieur bei Rank Xerox. Seine Gitarre soll wohl über die Jahre gut verpackt gewesen sein, bis sich Jody sowohl auf Drängen der Familie als auch letztlich des Produzenten Dick Shurman dazu entschloss, langsam wieder in das Musikgeschäft einzusteigen und seine Gitarre hervor zu holen.

Soweit zur Begriffserklärung, warum ich der Auffassung bin, dass es sich bei dem Musiker um eine Legende handelt, einen Musiker, dem leider nie die notwendige Aufmerksamkeit zu Teil wurde, die er aufgrund seines hohen Grades an Individualität und Virtuosität verdient hätte. Und somit sind wir auch bereits beim Begriff "Return". Diese Langspielplatte Return Of A Legend war ein rechter Lichtblick in der Bluesszene des Jahres 2001. Seine frühen Songs „Lucky Lou" und „You May" wurden in frischen und packenden Versionen neu geboten und sein Chicago-Blues klang wunderbar authentisch, war voller Kraft und Ideen und strahlte eine klare Frische und Spielfreude aus.

Das letzte Studio-Album

Bei der Produktion bekam er „Schützenhilfe“ durch prominente Mitstreiter wie Tinsley Ellis(guitar), Rusty Zinn (guitar), Billy Boy Arnold (harmonica), Lonnie Brooks(guitar) und das alte Chicago-Blues-Feeling wurde zum prallen Leben erweckt. Drei Jahre später sollte mit You Left Me In The Dark ein weiteres und leider letztes Studioalbum erscheinen. Wie Jody mir mitteilte, hätte es Schwierigkeiten gegeben, einen Plattenvertrag zu erhalten. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, denn manche Auszeichnungen zeugten von der Qualität seiner Rückkehr:

2003 Living Blues Critics Award for Come Back Artist of the Year
2003 W.C. Handy Comeback Album of the year
2005 Living Blues Award for Best New Recording
2005 Living Blues Award for Best Musician, Guitar
2005 Blues Foundation Howlin’ Wolf Award

Aber untätig war der Blueser nicht. So gab es wiederholt Tourneen rund um die Welt, von denen er mir gelegentlich telefonisch berichtete. Auch durch einen regelmäßigen E-Mail-Kontakt war ich stets auf dem Laufenden. Einmal berichtete er ganz stolz von einem großen Ereignis, zu dem er eingeladen war, Howlin' For Hubert, Celebrating The Musical Legacy Of Hubert Sumlin. Das muss 2012 gewesen sein. Ja, dem großartigen Hubert Sumlin wurde mit dieser Veranstaltung eine posthume Ehrung zuteil. Nach Willie Johnson und Jody war Hubert der dritte Gitarrist, der bei Howlin' Wolf maßgeblich mitspielte. Klar, dass Jody da nicht fehlen durfte, und so spielte er einige Songs mit anderen Berühmtheiten zusammen. Auch Eric Clapton wurde die Ehre zuteil, mit Jody zusammen spielen zu dürfen (ja, ich sehe es so herum, nicht anders). Jody hat wohl viel Spaß gehabt und war seiner Aussage zufolge sehr berührt, als es plötzlich "Standing Ovations" für IHN gab. Die hatte er sich redlich verdient! In einer seiner E-Mails berichtete er mir Folgendes dazu:

„I’m not very busy at this time, but I have played some pretty nice gigs. One in particular that I think you would have enjoyed, was the concert February 24th in New York City, with "Eric Clapton", Keith Richards, Buddy Guy, Shemekia Copeland, Elvis Costello, Stevie Ray Vaughans brother Jimmy Vaughan, I have played a festival with him a few years ago, Susan Tedeschi and her husband, Kenny Wayne Shepherd, and a couple more whose names I can’t remember at the moment, and a very good time was had by all…..
I was onstage four times. I played on songs that I played on the original recordings. I played with Eric Clapton on two songs that I had recorded with The Howlin' Wolf which was „Forty Four" and I think the other may have been „Spoonful". I played Bo Diddleys „Who Do You Love" with a guy that played the pedal steel guitar, whose name I can’t think of right now….. (Anm.: Jody meint Robert Randolph)
Then I played „Lucky Lou" with Kenny Wayne Shepherd. I let him play a solo after I played the sliding part for him. He is a very good guitarist, but I didn’t have the time to teach him that sliding part, so I played it for him. You can see this all on "You Tube". I don’t recall if I played a solo on the original of „Forty Four" with "The Wolf" but I had to think fast and I played one with Eric Clapton. Then you can see "Lucky Lou" with Kenny Wayne Shepherd and Jody Williams. Check out that concert and I hope you enjoy it. Until the next time."

Ein Freund der Familie Giese


2013 wurde er schließlich verdientermaßen endlich in die 'Blues Hall Of Fame' aufgenommen. Am 1.12.2018 verstarb der Musiker im Alter von 83 Jahren, nach einem verlorenen Kampf gegen den Krebs. Gerade weil wir regelmäßig Kontakt zu ihm hatten, machte uns sein Tod sehr betroffen. Bereits im vorangehenden Jahr zeichnete sich anlässlich eines Telefonats ab, dass es ihm gesundheitlich nicht sehr gut ging. E-Mails beantwortete er nicht mehr und telefonisch war Jody dann nachfolgend auch nicht mehr zu erreichen.

Auf jeden Fall haben wir es stets als eine besondere Ehre erachtet, mit diesem Musiker über Jahre den Kontakt erhalten zu haben, inklusive eines Interviews über Skype, dass ich 2011 mit ihm führen konnte. Besonders freuten wir uns auch darüber, dass er uns damals seine geheime Telefonnummer zur Verfügung stellte.

Abschließend halte ich fest, dass mit Joseph Leon Williams ein Musiker lebte und wirkte, der einen eigenen Gitarrenstil geprägt hatte, einen individuellen Stil, wie man es heute oft vermisst, oft wurde sein Stil als Bindeglied zwischen B.B.King und T-Bone Walker angesehen. Zu seinem Stil bemerkte der Musiker einst selbst wie folgt: „Es ist die Stimmung der Gitarre. Ich spiele noch immer die 'open E'- Stimmung, die Bo Diddley mir damals beigebracht hatte. Es mag verwirrend sein für jeden, der auf meine Finger schaut, wenn ich spiele, und wenn mich jemand fragt, warum die Songs, wie er sie kennt, nicht zu dem passen, was ich auf dem Griffbrett spiele, dann sage ich immer, schaue nicht auf meine Finger, das kann nur verwirren, unterscheide nur vom Klang." Außer Frage steht, dass er mit seinem Sound den frühen Chicagoblues mitgeprägt hat, wenngleich auch nicht gerade umfangreich unter eigenem Namen, aber sehr umfassend als Sessionmusiker....


Wolfgang Giese



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