Iron Curtain

Guilty As Charged


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 14.10.2016

(Pure Steel / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 36:14

Internet:

http://www.puresteel-records.com
ironcurtainattack@gmail.com


Die Combo hier, welchselbige den nicht eben unbeliebten Bandnamen Iron Curtain wählte, siedelt nicht etwa in einem der Länder, die einstmals vom Bandnamenspaten umgeben waren, selbst wenn eines der Bandmitglieder auf dem Backcover ein Shirt der legendären Ungarn Ossian trägt und damit definitiv guten Geschmack beweist. Nein, der Proberaum des Quartetts steht im spanischen Murcia – ein anderer geschichtlicher Querverweis aber paßt deutlich besser: Der Eiserne Vorhang fand zumindest in Europa in den späten Achtzigern sein Ende, und in der Tat entdeckt man auch in der Musik von Iron Curtain keinerlei Einflüsse jüngeren Datums. Acht Eigenkompositionen und ein Cover summieren sich auf 36 Minuten, also einen traditionellen Vier-Minuten-Schnitt, und die vier Herren auf dem Backcover sind nicht nur mit Bandshirts und Kutten bekleidet, sondern auch noch mit Nietengürteln und weiteren Accessoires, die in Tateinheit mit der Langhaarigkeit aller vier Personen den Verdacht nahelegen, man müsse es hier mit Traditionsmetal zu tun haben. Guilty As Charged, der Full-Length-Drittling der Spanier (hinzu kommen diverse Eps und Split-Scheiben), ist Lemmy und Philthy „Animal“ Taylor sowie David Bowie gewidmet, aber der potentielle Hörer braucht sich keine Gedanken zu machen, wie sich denn ein hypothetischer Mix aus Motörhead und eben Bowie anhören würde, da letztgenannter keinerlei Spuren im Sound der Spanier hinterlassen hat, die Lemmy-Gang aber auch nur bedingt. Statt dessen lauschen wir hier typischem Mittachtziger-Euro-Metal mit leichtem NWoBHM-Einschlag (man höre sich mal genau die Gitarrenarbeit in „Lion’s Breath“ an), und dazu tritt noch ein Schuß frühe Riot, die aber wiederum selbst markant aus Europa beeinflußt waren, so dass sich hier sozusagen ein Kreis schließt. Songs flotteren Tempos dominieren zwar, aber Drummer Alberto weiß, wann er seine Schlagzahl verringern muß, um einen klassischen Midtempostampfer einzustreuen, der sich wie „Relentless“ und der Titeltrack auch ein ganz klein wenig in epischere Richtung schieben darf, wobei diese Vokabel selbstredend im Maßstab von Iron Curtain angewendet werden muß und nicht in einem allgemeingültigen für den Metal. Aber das entrückte Intro von „Relentless“ besitzt genauso Charme wie das trotz des hier schon lange darunterliegenden und gar noch einen Tick beschleunigten Midtempobeats ebenfalls einen gewissen schwebenden Touch besitzende Hauptsolo. Der Titeltrack wiederum beginnt mit einem noch ausgedehnteren, von schicksalsschweren Glocken eingeleiteten Instrumentalpart, und man vermutet schon eine reine Instrumentalnummer, zudem noch eine ungewohnt leichtfüßige, bis Mike dann nach einer reichlichen Minute doch noch seine Stimme zu erheben beginnt. Zu den ganz großen Sängern gehört er nicht, aber für das, was Iron Curtain hier tun, paßt sein Tonfall, der an eine weniger rauhe, etwas flächiger wirkende und klarere Version von Lemmy erinnert, ohne Diskussion. Einige Schlagworte werden dann doch per Gangshouts hervorgehoben, um die allgemein wenig auffälligen, aber vor allem live problemlos mitgrölbaren Refrains strukturell zu stützen. Wenn sie ein bißchen mehr von dem Enthusiasmus mitbekommen hätten, der nicht selten aus der Gitarrenarbeit sprüht (höre etwa die Einleitung von „Outlaw“ – nein, das ist nicht die erwähnte Coverversion, obwohl man sich durchaus vorstellen könnte, dass die Spanier sich dieser alten Riot-Nummer annähmen), würde das Gesamtresultat noch etwas höher zu punkten wissen, aber dafür gibt es am Energietransport generell nichts zu meckern, und live könnten die vier Spanier eine richtig unterhaltsame Show abliefern. Der Rezensent hat sie freilich noch nie live gesehen und kann daher auch nicht einschätzen, ob sie auch auf der Bühne die winzigen Tempovariationen einbauen, die man auf der CD beispielsweise gleich im Opener „Into The Fire“ oder wie erwähnt in „Relentless“ entdeckt, oder ob sie dort eher dazu neigen, im gleichen Tempo weiterzuspielen. Unterhaltungswert besäße vermutlich beides, und auf der CD liefert es ein weiteres Puzzleteil für das Gesamtbild einer liebevoll-verrückten Combo, die nichts Neues bietet, aber das auch gar nicht will und lieber in der Neuinterpretation der Vergangenheit schwelgt.
Dem genauen Beobachter fallen zwei editorische Unklarheiten auf. Zum einen erwähnt die Widmung des Albums, dass „Another Perfect Bastard“ am Tage nach Lemmys Tod geschrieben worden sei – ein Song dieses Titels findet sich aber auf Guilty As Charged gar nicht. Die zweite Unklarheit bezieht sich auf die Coverversion am CD-Ende, die als Bonustrack gekennzeichnet ist, aber es ist nicht herauszukriegen, welche Fassung des Albums denn ohne diesen Song auskommen muß – der Promozettel deutet lediglich vage an, dass es ein Bonustrack für die CD sein könnte. Es handelt sich übrigens um „Turn The Hell On“ der Briten Fist, das stilistisch prima zum Sound der Spanier paßt und seinerseits ein editorisches Kuriosum aufweist: Turn The Hell On war der Titel des Debütalbums der Band – der gleichnamige Song aber war dort gar nicht vertreten, sondern stand erst auf dem Folgewerk Back With A Vengeance. Diese Geschichte reiht sich prächtig in den leicht verschrobenen Gesamteindruck Iron Curtains ein und rundet ein traditionelles Metalalbum ab, das den Freund beschriebener Klänge gut zu unterhalten weiß. Nur am weißen, irgendwie nicht so richtig zur Gestaltung passenden Tray darf man sich nicht stören ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Into The Fire4:09
2 Lion’s Breath3:47
3 Take It Back3:12
4 Relentless4:53
5 Iron Price3:35
6 Outlaw3:28
7 Wild & Rebel4:07
8 Guilty As Charged5:38
9 Turn The Hell On3:18
Besetzung

Mike (Voc, Git)
Miguel (Git)
Joserra (B)
Alberto (Dr)



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