Forqueray, A. – Marais, M. u.a. (Lislevand, A. u. a.)

Forqueray Unchained


Info
Musikrichtung: Barock Gambe

VÖ: 09.04.2021

(Arcana / Note 1 / CD / DDD 2018-2019 / Best. Nr. A486)

Gesamtspielzeit: 61:49



FAMILIENBANDE

Mit „Forqueray Unchained“ veröffentlicht der Gambist André Lislevand sein Debutalbum hauptsächlich mit Stücken von Antoine Forqueray sowie von Marin Marais, gleichsam den Top-Adressen dieses urfranzösischen Repertoires. Als Sohn des Lautenisten Rolf Lislevand führt er die Alte-Musik-Tradition in der Familie auf einem historischen Streichinstrument weiter, spielt allerdings privat auch ein Zupf-Instrument, nämlich die E-Gitarre. Gewissermaßen als augenzwinkernde Reverenz an die väterliche Kunst wurde eines der aufgenommenen Stücke, Marin Marais Gambenkomposition „La Guitare“, für die echte barocke Gitarre bearbeitet; Rolf Lislevand hat bei diesem und einem anderen Stück („La Mandoline“) einen Auftritt als Gastmusiker. Ansonsten steuert Jadran Duncumb auf dieser Aufnahme den Theorben- und Lautenpart im Continuo bei, wo er zusammen mit der Cembalistin Paola Erdas für die harmonische Grundierung sorgt. Das Promovideo zeigt die drei zwischen lauter digitalen Kerzenlichtern bei einer gemeinsamen Nachtmusik, die mehr gotisch als barock anmutet.

Dabei klingt die Musik auf dieser Platte alles andere als düster, zumal der Gambenton von Lislevand hell, manchmal etwas heiser timbriert ist und auch die Begleitinstrumente, vor allem das Cembalo, im Zusammenspiel mehr obertönig klingen. Das Filigrane, Elegante tritt bei diesem transparenten Ansatz in den Vordergrund.

Auch wenn Ernst und Melancholie der Gambenmusik gleichsam in die Wiege gelegt scheinen, deckt die Auswahl auf dieser Platte doch ein ungleich breiteres Spektrum ab. Gewiss gibt es hier auch das Vergrübelte, das die Gambenmusik zum perfekten Seismographen für ein introspektives Musizieren macht (z. B. die klagende „Plainte“ aus dem 3. Buch von Marais oder „La Sylva“ von Forqueray). Aber gerade Forquerays Stücke stehen oft auf einer imaginären Bühne, auf der der Spieler sich auch selbst darstellen kann. Dass also gerade dieser Komponist hier entfesselt wird, wie der Titel des Albums suggeriert … was ist damit gemeint?

Bei Lislevand klingt die Gambe eher leichtfüssig, schlank, pointiert, als wenn er bewusst gegen bestimmte Klischees dieses Genres anspielen würde. Bei Forquerays „Jupiter“ tanzt die Gottheit bereits im Licht der Aufklärung, bis sie auf einmal Blitze bis in den Tartarus schleudert (was dann umso eindrücklicher wirkt) – während der Chefgott bei anderen Interpreten lieber gravitätisch einherschreitet und die Muskeln spielen lässt. Auch zwei Stücke des Hof-Lautenisten Robert de Visée, eine Gavotte und „La Mascarade“, die der Komponist für ein Soloinstrument mit Begleitung bearbeitet hat, leben von dieser Art von Differenzierungskunst. Diese beiden letzten Stücke, dargeboten mit einem rauchig-geheimnisvollen Ton, sind vielleicht die spannendsten des Albums geworden. Gerade Visées Strenge scheint die Musiker zu befreien. Es sind Momente wie diese, die aufhorchen lassen – man darf gespannt sein, was dieses Trio noch an neuen Perspektiven auf das Gambenrepertoire eröffnen wird!



Georg Henkel



Besetzung

André Lislevand, Gambe
Jadran Duncumb, Theorbe & Barocklaute
Paola Erdas, Cembalo
mit Rolf Lislevand, Barockgitarre & Mandoline


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