Zwischen Werbetext und solidem Handwerk – 50 Jahre Judas Priest auf 100 Seiten




Info
Autor: Rock Classics

Titel: Rock Classics – Judas Priest - Das Sonderheft #31

Verlag: Rock Classics / Slam Media GmbH

Preis: € 9,90

100 Seiten


Zum 31. Mal widmen die Rock Classics einer Band ein ganzes Sonderheft. Dieses Mal trifft es das NWobHM-Urgestein Judas Priest, das sich dadurch auszeichnet schon deutlich vor dem Aufkommen jener Metal-Welle gegründet worden zu sein, eine Tatsache, der man sich bei der Besprechung des Debüts intensiv widmet, um das Fehlen praktisch jedes metallischen Moments auf Rocka Rolla zu erklären und zu verteidigen.

Wäre das hier die Publikation eines Judas Priest-Fanclubs oder das Beiheft zur opulenten Wiederveröffentlichung des Priest-Backkatalogs als Box-Set, dann hätten wir hier einen echt fetten Fisch vor uns. Als Produkt eines vermeintlich journalistisch arbeitenden Verlags dokumentiert es lediglich einen weiteren Schritt beim Niedergang einer einmal sehr ambitioniert gestarteten Heftreihe.

Dieses Sonderheft besteht aus zwei Hauptteilen, einem Appendix und einem relativ aktuellen Interview.

Hauptteil eins liefert Kurzbiographien der sechs wichtigsten Bandmitglieder, denen in der Regel jeweils zwei großformatig bebilderte Seiten zur Verfügung stehen. Dem Oberpriester Rob Halford werden sechs Seiten zugestanden; Scott Travis und Tim „Ripper“ Owens müssen sich mit je einer Seite zufriedengeben.

Teil Zwei stellt die 18 Studioalben der Band auf jeweils zwei bis vier Seiten dar. Auch hier nimmt die Bebilderung in der Regel gut 50% des zur Verfügung stehenden Platzes ein. Kritische Distanz zum besprochenen Objekt kann man hier kaum feststellen. Dass Nostradamus eine regelrechte Katastrophe war, hat aber offenbar sogar Autorin Nora Blöchl mitbekommen. Das sagt sie nicht. Sie konzentriert sich in ihrem Beitrag darauf, darüber zu räsonieren, dass es möglicherweise ungünstig gewesen sei, das Nostradamus-Material im Rahmen einer regulären Tour zu präsentieren und zitiert die Meinung von Halford und Gitarrist K.K. Downing, es wäre möglicherweise besser gewesen das Album als Mammutproduktion mit Schauspielern und Orchester aufzuführen. Über das, was auf die CD gepresst worden ist, deckt auch sie den Mantel des Schweigens.

In der Regel sind die Vorstellung der Alben reine Promotexte, die die Alben in den Himmel jubeln. Selbst die Klischee triefenden Texte (Halfords) werden bedeutungsschwanger wie tiefgründige Literatur zitiert.

Das abgedruckte vierseitige Interview mit Glenn Tipton hat bereits drei Jahre auf dem Buckel. Es entstand im Zuge der Vorab-Promotion des bisher letzten Judas Priest-Albums Firepower. Die spannende Frage nach dem krankheitsbedingten (halben) Ausstieg des Gitarristen und seiner weiteren Mitarbeit konnte so natürlich nicht gestellt werden.

Im Appendix werden sechs Bücher von und über Judas Priest vorgestellt (4 Seiten). Es folgt die (falsch überschriebene) Rubrik Filme, denn hier werden auf zwei Seiten keine Filme, sondern sechs Live-DVDs besprochen. Last not least werden auf weiteren zwei Seiten Sammelobjekte, wie Action-Figuren, Puzzles und Live-Souvenirs vorgestellt.

In toto hat man damit geballt die Zusammenstellung der Basis-Informationen zu Judas Priest, die man heute problemlos, schneller und besser recherchiert auf Wikipedia bekommen kann, reich bebildert und auf schickem Hochglanzpapier.

Was die ersten Ausgaben der Rock Classics-Sonderhefte zu Perlen machte, fehlt hier völlig. Da wurden Gespräche geführt mit Merchandisern, Cover-Artists, Fanclub-Gründern und und und. Alles Dinge, die man nicht in jedem Rock Hard Special lesen kann, für die man seine Redakteure aber auf die Spuren setzen (und bezahlen) muss. Das findet hier nicht mehr statt. Und dann gab es da früher noch mal die beigelegten CDs, die nicht die Musik der besprochenen Band enthielten, sondern Bands präsentierten, die die aktuelle Band geprägt und beeinflusst haben. Auch das ist Vergangenheit!

Immerhin wird mich die Lektüre dazu verleiten, die Painkiller-CD mal wieder in den Player zu packen und das alte Rocka Rolla-Vinyl abzustauben, um nachzuhören, ob da tatsächlich so viel progressive und prä-Metal Blues-Rock Qualität drauf zu finden ist, wie Andreas Grabenschweiger es gehört haben will.


Norbert von Fransecky



 << 
Zurück zur Artikelübersicht