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Dire Straits

Love over Gold


Info
Musikrichtung: Progressvie

VÖ: 02.03.1983

(Vertigo / Phonogram)

Gesamtspielzeit: 40:59


Für den, der sich in der britischen Studiomusiker-Szene nicht auskannte, erschienen 1978 mit den Dire Straits ziemliche no Names, die mit dem Donnerschlag „Sultans of Swing“ sofort einen all Time Klassiker an den Start brachten. Insider bewunderten den Mut der vier, ihre sicheren Studiojobs für eine Band aufzugeben, die in den von der Punk-Revolution geprägten Spät-Siebzigern nun wirklich nicht im Trend lag. Aber spätestens das dritte Album mit der epischen Ballade „Romeo and Juliet“ machte sie zu Superstars. Für die Band offenbar Grund genug, sich völlig neu zu erfinden.

Filigran, zerbrechlich und progressiv zeigen sich gleich die ersten beiden Stücke von Love over Gold, wobei die Band den Mut hat, die sehr ruhige Gänsehautballade „Private Investigations“ (und nicht das fast rock'n'rollige „Industrial Disease“) als Single auszukopeln. Mit den fein gesetzten, oft sehr sparsamen Gitarrenakkorden setzt Mark Knopfler völlig neue Maßstäbe und verpasst dem ganzen als mittlerweile alleiniger Produzent von Dire Straits auch noch einen Sound, der das Stück schnell zum Referenzwerk für die Leistungsmöglichkeiten der neuen CD-Technolgie machte, die gerade auf dem Markt eingeführt worden war.

Zusammen mit dem vorgeschalteten Longtrack „Telegraph Road“ bildete „Private Investigations“ eine der grandiosesten LP-Seiten aller Zeiten, mit der sich höchstens noch die zweite Seite der Wish you were here oder die ersten von Supertramps Crime of the Century und Alan Parsons' Tales of Mystery and Imagination messen können.
Das Stück, das sich mit der Zivilisierung des amerikanischen Westen beschäftigt, beginnt so verhalten, wie es später mit den „Private Investigations“ weiter gehen soll – ein wenig Klavier, etwas Gitarre und all das mit diesem unendlich weiten Sound, der die Freiheit des Landes perfekt einfängt. Gänsehaut! Mit einer etwas fertig klingenden Stimme beginnt Knopfler zu erzählen.
Plötzlicher donnern die Drums wie der erste auf den neu velegten Schienen nach Westen brausende Zug und mit einem wahren Parforce Ritt werden progrockige Kathedralen gebaut, die dem ruhigen Beginn so diametral entgegengesetzt sind, wie die leere Prärie der Metropole Dallas oder eine unberührte Ozeanküste dem fiebrigen L.A.

Wer nun überambitionierte Kopf-Musiker erwartet, wird mit „Industrial Disease“ durch den Saal gejagt, ein Stück, das den musikalischen Anspruch der ersten 20 Love over Gold-Minuten keine Sekunde aus den Augen lässt, dabei aber nicht nur die Lebensenergie des Rock'n'Roll, sondern auch massig viel Humor mitbringt.

Mit diesen drei Titeln zeigt Love over Gold ein Gesicht, dass die Dire Straits so weder vorher noch nacher je wieder zeigen werden. Das ist bei den beiden letzten Titeln anders.
Viel akustische Gitarre und ein schön perlendes Piano liefern dem Titeltrack einen Sound, der die Brücke zum nachfolgenden Album Brothers in Arms schlägt, das den Erfolg der Band noch einmal in völlig neue Sphären vorantreiben soll.
Der schöne ruhige Progger „It never rains" knüpft eher en die beiden vorherigen Alben an, ein 20 Punkte Song, der schon ein absolutes Überflieger-Album voraussetzt, um gegenüber dem restlichen Material deutlich abzufallen.

Gar keine Frage: Love over Gold gehört in jede Plattensammlung – für mich bis heute, kurz vor dem Debüt, das beste Album der Dire Straits.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Telegraph Road 14:15
2 Private Investigations 6:45
3 Industrial Disease 5:49
4 Love over Gold 6:16
5 It never rains 7:54
Besetzung

Mark Knopfler (Voc, Git, Produktion, Kompositionen)
Hal Lindes (Git)
Alan Clark (Keys)
John Illsley (B)
Pick Withers (Dr)

Gäste:
Mike Mainiei (Vibes <2,4>, Marimba <2,4>)
Ed Walsh (Synth Program)


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