Musik an sich


Reviews
Steffani, A. (O´Dette/Stubbs)

Niobe, Regina di Tebe


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 16.01.2015

(Erato / EMI / 3 CD / 2013 / Best. Nr. 0825646343546)

Gesamtspielzeit: 224:00

Internet:

Boston Early Music Festival Orchestra



VERSTÄRKTES INTERESSE

Nachdem Cecilia Bartoli sich in den letzten Jahren verstärkt für die Musik von Agostini Steffani (1653-1728) eingesetzt hat, scheint das Interesse an diesem historisch und musikalisch hochspannenden Komponisten wieder gewachsen zu sein. Mit seinen Bühnenwerken steht Steffani zwar einerseits noch in der Traditionslinie von Monteverdi und Cavalli, integriert aber geschickt französische Einflüsse und schafft eine Atmosphäre, die bisweilen mehr von der ursprünglichen Kraft und Herkunft der Oper zu wissen scheint, als so manches höfische Barockarienspektakel der folgenden Generation. Uns so wartet auch seine 1688 uraufgeführte Oper „Niobe“ mit instrumentaler Farbenpracht und einer (dank weitgehendem Verzicht auf die Da capo-Form) raschen, durchaus modern wirkenden Folge von Arien, Duetten und Tanzeinlagen auf.

Allerdings denken Paul O´Dette und Stephen Stubbs, die als musikalische Leiter für die Umfeld des Musikfestes Bremen entstandene Produktion verantwortlich zeichnen, das Ganze eher von jenem späteren, höfisch-zeremoniellen Ansatz her. Gerade die Rezitative geraten ihnen daher recht blass und undramatisch. Und das Boston Early Music Festival Orchestra spielt zwar feinsinnig und beweglich, kostet aber die klangsinnlichen und musikantischen Möglichkeiten des Orchesterparts nicht konsequent aus, was vor allem die Tanzsätze wenig packend klingen lässt.

Dass die Aufnahme trotzdem ein Genuss ist, verdankt sich der sängerischen Leistung: Karina Gauvin besticht mit Ausdruckskraft und größtmöglichem Nuancenreichtum. Ihre sehr individuelle Stimmfarbe passt gut zu jenem ganz eigenen Timbre des Countertenors Philippe Jaroussky, der dem Anfione etwas Überirdisches/Überzeitliches verleiht und beispielsweise dessen geheimnisvoll-verschattete Arie „Sfere amiche“ wesentlich besser in der Schwebe zu halten weiß, als Cecilia Bartoli auf ihrem Steffani-Album. Berückend schön angesichts dieser Qualitäten das Duett „Mia fiamma, mio ardore“ der beiden Hauptfiguren.
Aber auch die weiteren Partien sind stark und adäquat besetzt, wobei vor allem Amanda Forsythe und Terry Wey, aber auch Jesse Blumberg als kernig-kerliger Poliferno herausragen.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Philippe Jaroussky: Anfione
Karina Gauvin: Niobe
Amanda Forsythe: Manto
Christian Immler: Tiresia
Aaron Sheehan: Clearte
Terry Wey: Creonte
Jesse Blumberg: Polifeno
Colin Balzer: Tiberino
José Lemos: Nerea

Boston Early Music Festival Orchestra
Paul O'Dette, Stephen Stubbs: Ltg.


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