Musik an sich


Reviews
Machaut, G. de (Guerber)

Messe de Nostre Dame


Info
Musikrichtung: Mittelalter Messe

VÖ: 01.11.2008

Alpha / Note 1 CD DDD (AD 2007) / Best. Nr. Alpha 132

Gesamtspielzeit: 67:00



KOMPAKT

Guillaume de Machauts berühmte Messe de Nostre Dame aus dem 14. Jahrhundert darf beanspruchen, die erste vollständig überlieferte, von einem namentlich bekannten Komponisten stammende Vertonung des Messordinariums zu sein. Obschon höchst kunstfertig gesetzt, war ihr natürlicher Ort die Liturgie, die wiederum vom Gregorianischen Choral dominiert wurde, überdies aber auch Raum für weitere mehrstimmige Gesänge in Form von Motetten bot.
Das französische Ensemble Diabolus in Musica hat darum die sechs Sätze Machauts in den Kontext einer vollständigen lateinischen Votivmesse zu Ehren der Gottesmutter Maria eingebettet. So kann das ganze Spektrum gottesdienstlichen Musizierens im Hochmittelalter vor den Ohren des modernen Hörers ausgebreitet werden.

Es sind die gregorianischen Gesänge, die in dieser Produktion den stärksten Eindruck hinterlassen. Die vor allem im Bassfundament stark besetzte reine Männerbesetzung singt die archaischen und zugleich wunderbar schwebenden Melodien mit ergreifend herber Tongebung. Eine obertönige Färbung mit dissonanten Schwebungen raut die Oberfläche der Musik auf, ohne gekünstelt zu wirken. Nicht minder überzeugend ist der ekstatische Ausdruck in einigen solistischen Passagen, z. B. beim Alleluja und der anschließenden Sequenz.
Weniger glücklich bin ich mit dem sehr kompakten Vortrag von Machauts Messe, obwohl der raffinierte Einsatz von musica ficta – also von den Ausführenden anzubringenden Erhöhungen oder Erniedrigungen von Tönen um einen Halbton – für manch ungewöhnlichen, aufregend dissonanten Eindruck sorgt. Denn das dichte, dunkle Timbre der Stimmen und ein eher breiter Vortragsstil wirken sich im Hinblick auf das polyphone Geschehen nivellierend aus. Vor allem in den stark melismatischen Abschnitten des Kyrie, Sanctus oder Agnus Dei tritt die rhythmische Differenzierung hinter den kontinuierlichen Klangfluss zurück, die Stimmen umschlingen einander wie Lianen. Dadurch entwickelt sich die Musik mit einer gewissen Behäbigkeit, ohne dass die Richtung immer klar wäre. Besser bekommt dieser Ansatz den stärker syllabisch vertonten Teilen wie Gloria oder Credo. Anders verhält es sich mit den drei Motetten, die von Philippe Royllart und anonymen Meistern stammen. Aufgrund der Vieltextigkeit und durchbrochenen Faktur ist der Eindruck per se transparenter und filigraner. Das Gewicht der Stimmen kann sich günstiger verteilen.



Georg Henkel



Besetzung

Diabolus in Musica

Antoine Grueber: Leitung


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