Musik an sich


Reviews
Berlin Voices

States of Mind – A Tribute to Billy Joel


Info
Musikrichtung: Jazz

VÖ: 5.11.2007

(Van Dyck Records / Sunny Moon)

Gesamtspielzeit: 56:11

Internet:

http://www.berlinvoices.de


Billy Joel ist Songwriter; die Berlin Voices nicht. Sie sind ein Jazz-Gesangsquartett. Das muss man sich klar machen, bevor man States of Mind hört. Sonst dürfte einem der Zuckerguss, den die Berliner über die Joel-Kompositionen gießen, den Magen umdrehen.

Gerade auf seinen frühen Alben liegt die Stärke von Joel in seiner einfühlsamen Beobachtungsgabe und seinem ungeheuerem Gefühl für Sprachbilder. Damit entlarvt er im oft scheinbar harmlosesten Ton die Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft. Einsamkeit am Tresen und das trostlose Leben in den Vorstädten, Perspektivlosigkeiten und geplatzte Lebensentwürfe sind die Schattenseiten des amerikanischen Freiheitstraumes und Joel brachte sie nach dem Verklingen der Flower Power Hippie Träume Mitte der 70er auf den Punkt.

Daran haben die Berlin Voices ganz offenbar kein Interesse. Sie konzentrieren sich auf die Melodien Joels. Die Worte wollen keine Inhalte verbreiten, sondern sind nur das Material, das dem mehrstimmigen Gesang den Rohstoff zum Klingen liefert. Die Berlin Voices sind Crooner und keine Chronisten. Ihr Sitz im Leben ist eher Las Vegas als Allentown; der Broadway und nicht die Bowery.

Nach dem ersten Durchhören, das ich nicht bis zum Ende gebracht habe, hätte ich die CD am liebsten in die Tonne getreten. Bei den 3 oder 4 Punkten, die mir vor Augen schwebten, waren die Sympathie-Punkte für die Paul Gerhardt-Interpretin Sarah Kaiser schon einbezogen. Beim zweiten Durchgang war dann alles ganz anders. Der Schock lag hinter mir. Ich habe keine Joel-Kopie mehr erwartet. Die Ohren waren offen für die Feinheiten der Berlin Voices.

Statt einer oft dramatisch pointierten, sarkastisch sezierenden Stimme agieren hier vier Stimmen miteinander, nacheinander, umeinander. Aus dem gefährlich angriffslustigen Raubtier werden elegante Kätzchen, die liebevoll miteinander spielen. Joels kritische Texte werden dazu benutzt Harmonien zu streicheln und sich im Schönklang zu verlieren.

„They be coming to forget about Life for a While” textet Billy Joel im „Piano man”. Im Kontext seines Siganture-Sogs kritisiert Joel damit natürlich genau dieses Vergessen, das bei den Berlin Voices Programm ist.

Mann kann das kunstvoll geführte, tödliche Florett schlicht nicht mit dem Pinselstrich einer Porzellanmalerin vergleichen. Von daher verbietet sich die Frage, ob Joels eigene Interpretationen nicht viel besser sind, als der Tribut der Berlin Voices. Sie sind etwas ganz anderes.

Die Kritik muss daher anders ansetzen. Und hier sind vor allem die Stimmen zu nennen, denen Sex und Dreck fehlt. Sowohl an den besonders gefühlvollen Stellen („And so it goes“), als auch dort, wo Gas gegeben werden sollte („New York State of Mind“), sind Grenzen deutlich erkennbar. In beiden Richtungen wirkt das Ganze gelegentlich etwas dünn, leblos und aseptisch. Insbesondere das im Original sehr rockige „We didn't start the Fire”, im Vergleich mit den frühen Joel-Stücken eigentlich ein recht banaler Titel, ist ein fast völliger Ausfall.

Einen Vorwurf kann man den Berlin Voices jedenfalls nicht machen, dass ihre Versionen überflüssig sind, weil sie nichts Neues bringen. Im Gegenteil: Sie geben dem Billy Joel-Fan die Möglichkeit, die Werke ihres Idols von einer ganz anderen Seite zu hören.

Wer sich darauf einlassen kann, erlebt mit den Berlin Voices einen entspannt swingenden Jazzabend. Und dazu möchte ich mit diesen Zeilen ausdrücklich einladen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
11 Just the Way you are 5:40
22 Piano Man 6:12
33 You're my Home 3:37
44 Honesty 4:38
55 New York State of Mind 5:31
66 James 5:12
77 Allentown 4:19
88 He's got a Way 5:18
99 Summer, Highland Falls 4:43
1010 And so it goes 5:03
1111 We didn't start the Fire 5:26
Besetzung

Esther Kaiser (Voc)
Sarah Kaiser (Voc)
Marc Secara (Voc)
Kristoffer Benn (Voc)

Rolf Zielke (Keys)
Ralph Graessler (B)
Jens Dohle (Dr, Perc)

Gäste:
Sven Klammer (Trompete <5,7>)
Karl Schloz (Git <1,3>)
Sven Kerscheck (Git <3>)
Uli Moitz (Perc <1,3,9>)
Tilman Ehrhorn (Electronics <11>)

Strings Deluxe (Streicher)


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>