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CITY... as time to by




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Gesprächspartner: Toni Krahl (City)

Zeit: 03.05.2006

Interview: Telefon

Stil: Rock


Unser Spezialist für alles und doch überhaupt nichts, Hugo Egon Balder, hat in seiner Sendung ‚Megahits‘ wieder einmal den Bock abgeschossen, als er im Beisein von Nina Hagen (und unter deren Protest) verkündete, dass es im Osten ja so viele Rockbands nicht gegeben hat, was wieder einmal von jener bodenlosen Ignoranz zeugt, mit der man auch heute noch die Rock- und Popmusik der ehemaligen DDR als relatives Nichts abstempelt. Im Anschluss daran folgten City mit ihrem Überhit „Am Fenster“, der in den Siebzigern immerhin in Ost und West Erfolge feiern konnte und heute noch, zusammen mit Karats „Über sieben Brücken“ und dem „Alt wie ein Baum“ der Puhdys, symptomatisch für den Ostrock an sich steht. Nebenbei erreichte dieser Song gar Platz 13 in der ZDF-Show der deutschen Jahrhunderthits, womit man nun wohl doch eine musikalische Einheit von Ost und West anstrebt. Gegründet 1972 als City Rock Band etablierte sich 1975 mit Toni Krahl (Gesang, Gitarre), Fritz Puppel (Gitarre), dem Bulgaren Georgi Gogow (Bass, Violine) und Klaus Selmke (Schlagzeug) das erste feste Line-Up, und man sich selbst mit Songs wie „Der Tätowierte“, „Es ist unheimlich heiß“, „Meister aller Klassen“ und vor allem dem mitreißend folkigen „Am Fenster“ als, neben den Puhdys, beliebtesten Rockband der DDR. Mit dem ersten Album City, das eine seitenfüllende Mammutversion von „Am Fenster“ enthielt, konnte man in beiden Teilen Deutschlands zusammen knapp 200.000 Einheiten absetzen und erlangte sogar in Griechenland Goldstatus. Aber der Zusammenhalt innerhalb der Band erwies sich nicht als homogen genug, um diese Qualität, die man mit dem Albumdebüt an den Tag legte, halten zu können. Es folgte die eher halbgare Platte City II – Der Tätowierte sowie mit Dreamland eine Merkwürdigkeit, auf welcher man Songs der ersten beiden Alben in Englisch neu aufnahm, natürlich mit Blick auf den englischsprachigen Markt. Trotzdem entwickelte sich City, die Anfang der 80er schon einige Besetzungswechsel über sich ergehen lassen musste, zur gefeierten Band, was durch Alben wie Unter der Haut und Feuer Im Eis fast schon pflichtgemäß bestätigt wurde. Nur war Neuzugang Manfred Henning (Keyboards), der Gogow ersetzte, indirekt dafür zuständig, dass der Sound ein wenig in Richtung Synthiewave tendierte, ohne jedoch die rockmusikalische Ausrichtung ganz aus den Augen zu verlieren. Mit Casablanca (1987) und dem hier thematisierten Traum von der großen, freien Welt (der in Titeln wie „Nachts in meinen Träumen“, „Casablanca“ und „Halb und halb“ für damalige Verhältnisse recht intensiv behandelt wurde) legte City derweil einen Drahtseilakt zwischen Legalität und Verbot hin, den man der Band unter diesen Umständen wirklich nicht zugetraut hätte. Von Funktionären argwöhnisch beäugt und mit einer zeitweiligen Rücknahme vom Markt bedacht, drückte gerade dieses Album mit seiner Sehnsucht und den hier behandelnden Träumen eben das aus, was viele Menschen der DDR dachten. Womit gerade Casablanca ein Stück Zeitgeist und vielleicht auch für City zum wichtigsten Album wurde. Zwei Jahre später wurde das von City hier angesprochene wirklich Realität, mit der Vereinigung von Ost und West sowie einer ganz neuen Qualität von Freiheit. Aber City waren und sind keine politische Band, auch wenn sie versuchen aktuelle Mißstände anzusprechen. Wie mit ihren Nachwendealben Keine Angst, Rauchzeichen vor allem Silberstreif Am Horizont, wo man mit nostalgischer Ostalgie („Da war nichts“) und auch falschen Wertvorstellungen („Weil die Erde eine Kugel ist, was man leicht beweisen kann, kommt jeder, der straff nach Westen marschiert, im Osten wieder an.“) aufräumt und wieder so manchem aus der Seele spricht. Auch wenn man wieder den Unmut einiger weniger provoziert, wie beispielsweise den der Musikredaktion der Hörzu, die eine Besprechung das Albums eben wegen dieser klaren Stellungnahmen ablehnte. Womit wir aber an dieser Stelle Toni Krahl selbst zu Wort kommen lassen wollen.

MAS:
Wie kam es eigentlich, daß ihr mit euren doch offensichtlich regimekritischen Texten, die vor allem auf eurer Album „Cassablanca“ einen Höhepunkt erlebten, in der damaligen DDR keiner Zensur unterworfen wurdet, wie es so vielen eurer Kollegen passiert ist?

Toni Krahl:
Wir hatten für uns eigentlich schon immer den Anspruch, daß unsere Texte einen wesentlichen Bestandteil in unserer Musik, nämlich ganz genau die Hälfte, einnehmen. Und wir haben uns schon von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, daß diese auch eine Message haben sollten. Nun kommen wir ja auch aus der Generation, wo Messagemusik sehr aktuell war und wir in dieser auch unsere Vorbilder hatten. Daß wir auch fast immer ohne besonders große Probleme veröffentlichen konnten, das war für uns eine Art Glücksumstand und wir wissen auch nicht, warum es der eine Song bis in die Öffentlichkeit geschafft hat und ein anderer eben nicht. Es gab auf jeden Fall immer jede Menge Diskussionen um unsere Lieder und das vor allem auch mit den hierfür zuständigen Funktionären. Um das Album „Casablanca“, das dann 1987 erschien, gab es dann auch einen regelrechten Streit. Das Album ist erst einmal erschienen, wurde dann plötzlich wieder für ein paar Wochen zurückgezogen, nur um dann doch ganz veröffentlicht zu werden, weil wir inzwischen eine Popularität erreicht hatten, die uns quasi geschützt hat. Dadurch konnten wir uns auch einige Sachen herausnehmen, die einem normalen DDR-Bürger viel Ärger eingebracht hätten. Das haben wir nicht so gewollt, das haben wir nicht so gemacht, aber es war halt so. Diesen Vorteil haben wir dann natürlich reichlich ausgenutzt.

MAS:
Im Osten habt ihr immer noch einen Namen, im Westen der Bundesrepublik habt ihr euch derweil doch recht rar gemacht. Wieso das denn?

Toni Krahl:
Wir spielen heutzutage wirklich relativ selten im Westen, was daran liegt, daß wir dort in den Veranstaltungskarteien nicht geführt werden. Warum auch immer, vielleicht traut man uns nicht zu, daß wir entsprechend viele Leute ziehen, oder was auch immer. Aber die paar Male, die wir nach der Wende hier waren, verliefen für uns aber immer recht erfolgreich. In diesem Jahr werden wir auch wieder zehn Shows hier geben, obwohl wir unser Stammpublikum schon im Osten haben.

MAS:
Das Cover zu euer ersten Platte, die den Riesenhit „Am Fenster“ enthielt, und eine Band innerhalb eines Waldes aus Verkehrsschildern zeigte, war in marktstrategischer Hinsicht aber nicht gerade optimal geraten.

Toni Krahl:
Die Idee zu diesem Cover kam von uns und es steckt auch eine nicht als zu gering zu bewertende Aussage hinter dieser Idee. Denn das sind nicht einfach nur Verkehrszeichen, sondern Verkehrsregelzeichen mit sehr, sehr viel Verbotsschildern. Und da haben wir uns hineingestellt. Das wurde vielleicht nicht besonders ästhetisch umgesetzt, aber die Grundaussage hierbei war ganz speziell – wir stehen mitten in einem Wald von Regeln und Verboten.

MAS:
Und wie war das mit „Am Fenster“, nämlich dem Song, der sich auch damals doch extrem eurem weiteren, etwas rockigeren Material, unterschied?

Toni Krahl:
Ich muss zugeben, daß, als dieser Titel entstand, ich noch gar nicht dabei war. Ich bin sozusagen ‚Der Neue‘, da ich erst seit 1975 in der Band bin, derweil es City selbst schon seit 1972 gibt. Er entstand dann mehr oder weniger aus der Sehnsucht nach etwas leiseren Tönen heraus, da City zu dieser Zeit eine wirklich laute und hardrockende Band war. Zufällig bekam unser Schlagzeuger Klaus Selmke eine Geige geschenkt und unser Bassist, Georgi Gogow kam mit der Information herüber, daß er auch Violine spielen konnte, was zu der Zeit eigentlich noch keiner wusste. Und just bei dieser Probesession ist dann auch „Am Fenster“ entstanden.

MAS:
Anfang der 80er gab es einen Imagewandel unter dem Motto ‚Ohne Bass und ohne Haare, mit City durch die 80er Jahre‘. War das nicht ein wenig albern?

Toni Krahl:
Diesen Spruch haben wir geprägt, als wir nach einem ziemlich heftigen Streit innerhalb der Band uns von unseren Bassisten getrennt haben. Wir machten aber aus der Not eine Tugend indem wir nun ohne Bass weitermachten. Und da wir alle mehr oder weniger mit einer Bioglatze gesegnet waren, ist dieser Spruch, den wir dann auch zum Marketinggag gemacht haben, entstanden. Und komischerweise haben sich viele Leute diesen auch bis heute gemerkt.

MAS:
In dem schon recht merkwürdigen Film „Max und Moritz reloadad“ konnte man dich auch zum ersten Mal als Schauspieler sehen, nämlich an der Seite den Prinzen Tobias Künzel als schrägen, militanten Schleifer für Teenager. Wie warst du denn hier drauf?

Toni Krahl:
Es ist nun einmal so, daß es bei einem Film schon ganz anders ist als bei der Musik. Man hat so gut wie gar keinen Einfluß auf den Ausgang einer Geschichte beziehungsweise auf das, was später auf der Leinwand zu sehen ist. Hierbei sind so viele Hände im Spiel, angefangen bei dem Drehbuch, über die Darsteller, Kamera bis hin zum Schnitt und insofern identifiziere ich mich auch nicht so direkt mit diesem Film. Ich versuchte meine Rolle, so wie ich sie mir vorstelle, auch umzusetzen und zu spielen. Das war eben auch ein Versuch, das erste Mal vor der Kamera als Schauspieler zu agieren, aber letztendlich weiß man, wenn man die Szenen abdreht, überhaupt nicht, wie dieser Film ausgehen wird. Nun ist dieser Film eben so geworden, wie er ist, ich muß zugeben, daß ich auch nicht unbedingt zu der Zielgruppe dieses Streifens gehöre, konnte mich aber mit meiner eigenen Tätigkeit dort einigermaßen anfreunden.

MAS:
Ihr seid ja gerade im Studio im den Nachfolger von „Silberstreif am Horizont“, das sich eben auch recht kritisch mit den derzeitigen Umständen in diesem, unserem Land auseinandersetzt, einzuspielen. Kannst du mir hierzu schon etwas verraten?

Toni Krahl:
Inhaltlich und bezüglich der Texte wird sich das neue Album deutlich von dem vorangegangenen unterscheiden. Das Letzte war ja eher zeitbezogen, weil wir hier unseren Kommentar zur derzeitigen Situation abliefern wollten, wohingegen das, an dem wir gerade arbeiten, schon etwas privater werden wird. Es soll pünktlich Anfang nächsten Jahres erscheinen, in dem wir dann auch ein Jubiläum, nämlich fünfunddreißig Jahre City, feiern. Dieses ist dann auch unser drittes Album in diesem Jahrtausend und dazu wird es natürlich auch eine ausgedehnte Tour geben.


Carsten Agthe



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