Die Eagles gastieren (ein letztes Mal?) in München




Info
Künstler: Eagles

Zeit: 30.05.2019

Ort: München - Olympiahalle


Dass die Eagles noch einmal nach Deutschland kommen, war für mich doch sehr überraschend. Vor allem, nachdem mit Glenn Frey einer der Hauptprotagonisten 2016 verstorben ist. „Vertreten“ wird Glenn von keinem Geringeren als seinem Sohn Deacon, der seit 2017 bei den Eagles an Bord ist. Das Konzert war in kurzer Zeit ausverkauft, was angesichts der Ticketpreise – 120 bis 400 Euro und 900 Euro für Tickets in der ersten Reihe – doch ein klein wenig erstaunt. Aber selber hat man ja auch bei dem Ticketblödsinn mitgemacht, von daher ist das eben heutzutage so.

Die Sicherheitskontrollen am Einlass sind wieder einmal mächtig übertrieben, in der Halle findet das Ganze seine Fortsetzung. Filmen und fotografieren ist komplett verboten, die Security spricht die Leute gezielt an, die das machen wollen. Ich finde das wie schon bei Bob Dylan eine Wohltat, da diese depperte Filmerei immer auf Kosten der Konzertatmosphäre geht. Kinder, das Ganze ist live und wird garantiert nicht besser, wenn man es sich zwei Tage später auf seinem Smartphone anschaut!

Eine Vorband gibt es keine, die Eagles kommen um 20.15 Uhr (haben vorher wohl nicht die Tagesschau geguckt – Anm.d.Red.) gleich direkt zur Sache. Bereits beim Einstieg habe ich eine Gänsehaut. „Seven Bridges Road“ wird von sämtlichen Musikern so perfekt intoniert, dass es einem fast wie eine Playback-Aufnahme vorkommt. Weiter geht’s mit „Take It Easy“, das von Deacon Frey genauso gesungen wird, wie sein Vater es gebracht hätte. Gänsehautmoment Nummer zwei…

Überhaupt ist der Sound glasklar, nicht zu laut und bis ins kleinste Detail exakt ausgesteuert. Nach jedem Song wird kurz das Licht ausgeknipst, die Band postiert sich neu und sämtliche Musiker werden von einer Horde Backstage-Mitarbeitern mit „frischen“ Instrumenten versorgt. Erfreulicherweise hört man das auch!

„Witchy Woman“ gefällt mir in dieser schleppenden Version sehr gut, der Song kommt viel besser rüber als auf CD. Der Star des Abends ist für mich ganz klar Joe Walsh, das Rock’n’Roll-Urvieh der Eagles. Mit einem wahren Gummimund ausgestattet, lässt er seine Gitarre röcheln, röhren und spielt in bester Peter-Frampton-Manier mit der Talkbox, der er atemberaubende Geräusche entlockt. Gesanglich geht er in die Vollen, schont sich zu keiner Sekunde und bringt dadurch vor allem seine Stücke mit wahrer Inbrunst unters Volk. Timothy B. Schmidt, Bassist und der Hippie im Bandgefüge, lässt auch sein hohes Stimmchen engelsgleich ertönen und macht vor allem das Stück „Love Will Keep Us Alive“ zu einem Erlebnis.

Überhaupt die Gitarrenfraktion. Es ist für mich als Hobby-Musiker schon sehr interessant, wie die Gitarrenparts unter den Musikern aufgeteilt werden. Erstaunlicherweise sind es die Leute in der zweiten Reihe, die für die Farbtupfer sorgen. Unermüdlich bearbeitet Steuart Smith am rechten Bühnenrand sämtliche verfügbaren Gitarrenmodelle. Wenn er nach gespielten Noten bezahlt werden würde, müsste man ihm noch was oben drauflegen. Das lässt nur in etwa erahnen, welche Rolle Don Felder früher bei der Band gespielt haben muss…

Seit 2017 ist der amerikanische Songwriter Vince Gill mit an Bord. Der Musiker, der mir gänzlich unbekannt ist, hat 20 Studioalben aufgenommen und war mit über 40 Singles in der amerikanischen Single-Country-Hitparade vertreten. Gill ist 20-facher Grammy-Gewinner, wurde 13 Mal von der CMA ausgezeichnet und verkaufte mehr als 24 Millionen Alben. Noch Fragen? Außerdem singt der Typ atemberaubend gut, übernimmt die meisten Glenn-Frey-Gesangsnummern und spielt eine grandiose Gitarre. Nach seinen Gesangseinlagen bekommt er immer den Beifall der kompletten Halle!

Einen etwas müden Eindruck macht auf mich Drummer und Sänger Don Henley. Er macht eine Ansage, in der er betont, dass er sich freut, wieder in München zu sein. Er meint, dass es mittlerweile nicht mehr so einfach ist, 2,5 Stunden live zu spielen – aber sie werden es dennoch machen – und sie werden es gut machen. Er sollte Recht behalten!

Ansonsten gibt es wenig Ansagen, die Eagles sind keine Show-Band mit großen Leinwänden, einer aufwändigen Bühnenshow oder anderen optischen Gimmicks. Hier regiert einzig und allein die Musik und der perfekte Klang, der für die Olympiahalle doch eher untypisch ist. Bitte an alle anderen Bands dieser Kategorie: Schickt doch eure Soundleute mal zu einem Eagles-Konzert, die können euch noch einiges beibringen! Die Eagles werden zeitweise von einer Bläser-Sektion, einem Keyboarder und einem Schlagzeuger unterstützt, der immer dann Henleys Platz einnimmt, wenn er sich in die Frontreihe stellt.

Ab „Already Gone“ nimmt das Konzert auch songtechnisch noch einiges an Fahrt auf. Jetzt wird das Ganze lauter und der Rock’n‘Roll-Faktor wird stückweise erhöht, was vor allem Joe Walsh sichtlich Freude bereitet. „Life’s Been Good“ gefällt mir fast mit am besten, hier lässt er förmlich die Sau raus und macht das Stück einmal mehr zu seinem Signatur-Song. Dass heute Abend mit „Boys Of Summer“ das bekannteste Solo-Stück von Don Henley gespielt wird, ist eine Einlage der besonderen Art. Perfekt gesungen verbreitet das Lied Sommerlaune pur. „Heartache Tonight“ und das schmissige „Life In The Fast Lane“ beenden den regulären Teil des Konzerts, das jedoch noch lange nicht vorbei ist.

Eine spanische Trompete kündet an, was viele schon erwartet haben: „Hotel California“ wird in einer atemberaubenden Version präsentiert, hier hält die Halle spürbar den Atem an. Ich war noch nie auf einem Eagles-Konzert, aber dieser Moment ist schlichtweg ergreifend. Wenn dann noch Smith mit der doppelhalsigen Gitarre und Walsh sich das Solo teilen, wähnt sich ein Großteil des Publikums im siebten Rock-Himmel. Besser kann es nicht mehr werden!

Das wuchtige „Rocky Mountain Way“ beschert Walsh seinen musikalischen, rockigen Schlusspunkt. „Desperado“ und „Best Of My Love“ beenden nach den angekündigten 2,5 Stunden ein Weltklasse-Konzert, das man so ganz einfach nicht mehr besser machen kann.

Die Olympiahalle bebt, die Fans geben alles und die Adler auf der Bühne wirken sichtlich emotional berührt. Vielleicht weil sie wissen, dass sie das letzte Mal hier gespielt haben? Wer weiß…


Setlist:
Seven Bridges Road
Take It Easy
One of These Nights
Take It to the Limit
Tequila Sunrise
Witchy Woman
In the City
I Can't Tell You Why
New Kid in Town
Peaceful Easy Feeling
Love Will Keep Us Alive
Lyin' Eyes
Don't Let Our Love Start Slippin' Away
Those Shoes
Already Gone
Walk Away
Life's Been Good
The Boys of Summer
Heartache Tonight
Funk #49
Life in the Fast Lane Play Video
---
Hotel California
Rocky Mountain Way
Desperado
Best of My Love



Stefan Graßl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>