Musik an sich


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Bruce Springsteen gastiert mit seiner „The River Tour“ in München - und die Stadt steht Kopf




Info
Künstler: Bruce Springsteen

Zeit: 17.06.2016

Ort: München - Olympiastadion

Internet:
http://brucespringsteen.net

Bruce Springsteen war das letzte Mal 2013 im Münchner Olympiastadion zu Gast. Einige Freunde von mir berichteten, dass das Konzert super war. Er hat das Born In The USA-Album komplett gespielt und ansonsten ein Best-Of-Programm mit fast vier Stunden Livemusik. Allerdings hat es die ganze Zeit furchtbar geregnet. Wettertechnisch ist es dagegen an diesem Abend hervorragend. Es ist warm, es scheint die Sonne und dies sollte auch während des kompletten Konzerts so bleiben.

Vor dem Stadion treffe ich zwei Fans, die extra für das Konzert aus Salzgitter angereist sind und sich auch noch den zweiten Gig in Berlin anschauen. Einer der beiden war schon auf mindestens zehn Springsteen-Konzerten und versichert mir, dass es der beste Live-Musiker ist, den es gibt. Die Bühne ist die gleiche wie die vom Paul-McCartney-Konzert, das eine Woche vorher dort stattgefunden hat.

Im Radio wird extra darauf hingewiesen, dass Springsteen um 19 Uhr beginnt. Auch das glauben viele nicht - doch es stimmt. Pünktlich wie die Maurer betreten die Musiker der legendären E Street Band die Bühne. Als letzter kommt „The Boss“ Bruce Springsteen auf die Bretter und wird vom Publikum mit ohrenbetäubendem Jubel begrüßt. Der Sound ist vor allem zu Beginn nicht gut. Springsteens Gesang hört sich für mich ganz schwammig an, man versteht ihn zu Beginn gar nicht richtig. Zum Glück hört dies auch der Mischer und bügelt das ziemlich schnell aus. Trotzdem ist und bleibt ein Platz unter dem Zeltdach im Olympiastadion akustisch nicht das Gelbe vom Ei.

Die Band rockt vom Fleck weg mit einer Energie und mit einem Einsatz, der beispielhaft ist. Angetrieben werden sie vom „Boss“ höchstpersönlich, der während des kompletten Gigs alles aus sich herausholt. Dabei zeigt er weder stimmlich noch körperlich irgendeine Art von Abnutzungserscheinungen. Das Publikum dankt es der Truppe mit geradezu exzessiver Begeisterung. Hier springt der Funke sofort über, das Ganze ist eine große Rock'n'Roll-Party. Springsteen ist dabei volksnah wie kein Zweiter. Immer wieder nutzt er den Laufsteg und klatscht während seines Gesangs die Fans in den ersten Reihen ab. „Hungry Heart“ wird zelebriert, hier singt das ganze Stadion mit. Ansagen gibt es nur selten, hier wird wie bei einem Ramones-Konzert ein Song nach dem anderen rausgedonnert. Der „Boss“ zählt die Lieder dabei so schnell ein, dass im Hintergrund oft noch der letzte Akkord des Vorgängerhits zu hören ist. Der hervorragende Schlagzeuger Max Weinberg und Bassist Gary W. Tallent breiten ein tolles Rhythmusfundament aus, auf dem die restlichen Musiker sich nach Herzenslust austoben können.

Highlights gibt es ohne Ende - Springsteen selbst macht aus seinen Songs die Highlights. So wie er die Lieder singt und „durchlebt“, werden sie authentisch. „Johnny 99“ knallt fett in die Magengrube, allein schon das Bluesharp-Intro von „The River“ lässt mir sämtliche Nackenhaare meilenweit zu Berge stehen. Die Gitarristenriege auf der Bühne ist vom Allerfeinsten. Urvieh Steven Van Zandt übernimmt dabei noch große Teile des Backgrounds und hat sichtlich Spaß. Und was Nils Lofgren an der Gitarre bietet, kann man fast nicht in Worte fassen. Er scheint vor Energie fast zu explodieren und feuert ein wahres Spektakel auf der Bühne ab.

„I’m On Fire“ ist ein absoluter Gänsehautmoment. Hier zeigt Springsteen einmal mehr seine gefühlvolle Seite und wird vom Publikum frenetisch unterstützt. Saxofonist Jake Clemons spielt klasse und auch er nimmt viel Kontakt zum Publikum auf, wobei er sämtliche Ecken der Bühne ausgiebig nutzt. Seinem berühmten Onkel und Vorgänger Clarence Clemons, der leider 2011 verstorben ist, wird während eines Songs per Fotos auf der Leinwand ausgiebig Tribut gezollt.

Ein wuchtiges „Because The Night“ und der Monolith „Thunder Road“ weisen langsam auf den Zugabenteil hin. „Born In The USA“ und gleich anschließend „Born To Run“ erhöhen die Partylaune noch um ein kleines Stückchen. Bei „Dancing In The Dark“ darf ein weiblicher Fan auf die Bühne und tanzt dann tatsächlich mit Springsteen. Die kann ihr Glück fast nicht fassen und ist sichtlich gerührt. Auch bei „Waitin’ On A Sunny Day“ wird ein kleines Mädchen auf die Bühne geholt. Sie hat eine Sonne auf dem Kopf und singt den Song fast komplett und auswendig. Unter ohrenbetäubendem Jubel gleitet sie der Boss höchstpersönlich wieder ins Publikum. Es sind genau diese Momente, die den Ausnahmemusiker für seine Fans so unvergleichlich machen. Er liebt seine Musik, seine Band und seine Fans sowieso. Und sie zahlen es ihm mit Hingabe zurück.

Als ich auf die Uhr schaue, traue ich meinen Augen nicht. Es sind schon fast 3,5 Stunden vorbei! Zum Abschluss spielt Springsteen nur mit akustischer Gitarre und beeindruckendem Gesang den Song „For You“. Danach bedankt er sich beim überragenden Münchner Publikum und folgt seiner Band in den Feierabend. Wohin man schaut, sieht man überall in glückliche und zufriedene Gesichter. Für mich völlig verständlich. Der Auftritt war ganz großes Kino. Bei dieser Spielzeit und dieser tollen Setlist bleiben eigentlich fast keine Wünsche offen.


Setlist:
1. Prove It All Night
2. Badlands
3. Out in the Street
4. Sherry Darling
5. Two Hearts
6. No Surrender
7. Hungry Heart
8. You Can Look (But You Better Not Touch)
9. Death to My Hometown
10. My Hometown
11. Johnny 99
12. Youngstown
13. Murder Incorporated
14. The River
15. American Skin (41 Shots)
16. The Promised Land
17. Working on the Highway
18. Darlington County
19. Waitin' on a Sunny Day
20. I'm on Fire
21. Because the Night
22. The Rising
23. Thunder Road
24. Land of Hope and Dreams
25. Born in the U.S.A.
26. Born to Run
27. Seven Nights to Rock
28. Dancing in the Dark
29. Tenth Avenue Freeze-Out
30. Shout
31. For You


Stefan Graßl



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