Musik an sich


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Pergolesi, G. B. (Müller-Brühl)

Stabat Mater / Salve Regina


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 26.02.2004

Naxos / Naxos (CD DDD (AD: 2003) / Best. Nr. 8.551221)

Gesamtspielzeit: 57:10

Internet:

Naxos



SCHWANENGESANG: PERGOLESIS LETZTE WERKE

Nur 26 Jahre wurde Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) alt und hinterließ doch eines der bekanntesten und für den Zeitgeschmack prägendsten geistlichen Werke: das Stabat Mater für Sopran, Alt, Streichorchester und Orgel. Es vereint in idealer Weise streng barocke Satzkunst mit emotionaler Ausdruckskraft. Die vielen klagenden, seufzenden Figuren und Auszierungen geraten zwar oft bedrohlich nahe an opernhafte Süßlichkeit, überschreiten die Grenze dazu aber nie in geschmackloser Weise.
Das Stabat Mater hat nicht nur nachfolgend viele Komponisten zu Bearbeitungen angeregt, sondern ist wegen seiner stimmlichen und interpretatorischen Herausforderungen in Kirche, Konzertsaal und Plattenstudio gleichermaßen beliebt.

Nun hat sich auch Helmut Müller-Brühl mit seinem Kölner Kammerorchester des Werkes angenommen. Eingedenk der Tatsache, dass zur Entstehungszeit Frauenstimmen in der Kirche nicht erlaubt waren und deshalb die Partien auf Kastraten zugeschnitten sind, hat Müller-Brühl sich entschieden, die Sopran- und Alt-Stimme von Männern singen zu lassen. Mangels Kastraten in unserer Zeit kein leichtes Unterfangen. Aber mit dem Sopranisten Jörg Waschinski wurde ein Sänger gefunden, der die technischen Voraussetzungen und das stimmliche Potential mitbringt, um die schwierige Partie zu meistern. Selbst in den Spitzentönen und Verzierungen bleibt er sicher und seine Stimme geschmeidig. Nicht schrill, sondern erstaunlich rund formt er die Töne und gibt ihnen dabei noch einen angemessen empfindsamen Charakter.
Da kann der Altus Michael Chance leider nicht mithalten. Seiner Stimme fehlt es an Substanz und Glanz. Auch zeigt er sich mehrfach intonationsschwach.
Dass diese Aufnahme keinen Spitzenplatz unter den Einspielungen zu ergattern vermag, liegt aber nicht daran. Als problematisch erweist sich vielmehr, dass Müller-Brühl eine romantisierende, süßliche Sichtweise auf das Stück pflegt: Extrem langsame Tempi, der Griff zum Stilmittel des verhauchenden, brüchigen Tones und weichgezeichnete Phrasierungen in den Streichern führen zu diesem Eindruck. Er wird noch befördert durch das hallige Klangbild, bei welchem Sänger und Orchester in einige Ferne gerückt erscheinen.
Gerade die problematische Tempiwahl - die Arie "Vidit suum dulcem natum" etwa wird nahezu bis zum thematischen Zerfall überdehnt - läßt Pergolesis überbordende barocke Affektsprache zu eigentümlich affektarmer Monochromie gerinnen. Von der Ekstase der Leidensbetrachtung, dem Sich-Hineinsteigern bis zur Hysterie bleibt nichts übrig. So wird der Hörer nicht in das dramatische, bewegende Mitleiden hineingezogen, wie der Komponist es intendiert hat.

Nicht anders sieht es beim Salve Regina, einem ohnedies wesensverwandten Werk aus.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-10 Stabat Mater (40:55)
11-18 Salve Regina (16:08)
Besetzung

Jörg Waschinski, Sopran
Michael Chance, Alt

Kölner Kammerorchester

Ltg. Helmut Müller-Brühl



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