Musik an sich


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DARK SUNS - Gestenreiches Kraftpaket




Info
Gesprächspartner: Dark Suns

Zeit: 04.01.2008

Interview: Telefon

Stil: Rock / Metal


Es scheint, dass Grave Human Genuine, das dritte Album der Leipziger Metalinstitution Dark Suns, mehr Rock als Metal ist, weil sich letzterer nur noch in ein paar kurzen, eruptiven Blackouts bemerkbar macht, die es dann aber in sich haben. Das Touren zusammen mit Pain Of Salvation schien seine Spuren hinterlassen zu haben, wobei ex-POS-Basser Kristoffer Gildenlöw, der hier als Gast mit von der Partie ist, nur eine von diesen ist. Ein Song wie "Rapid Eyes Moment" zum Beispiel kann es hinsichtlich Dramaturgie und Suspense mit der von Institutionen wie Porcupine Tree und Riverside aufnehmen. "Amphibian Halo" klingt nach Industrial im NIN-Breitwandformat, im sinnlichen "Papillon" hängt ein Himmel voller Geigen und "Flies In Amber" sowie "Free Of You" entwickeln sich zu epischen Prog-Rocker, wobei sich auch Sänger (und Schlagzeuger!) Nico Knappe diesem doch recht deutlichen Wesenswandel angepasst zu haben schein. Ob das wirklich so ist, wird er uns dann wohl an dieser Stelle verraten.

MAS:
Auf eurem neuen Album habt ihr euch doch recht hörbar von euren Metalwurzeln gelöst. Ich bis sogar der Meinung, dass ihr noch nie so progressive rockig geklungen habt wie beispielsweise auf einem Song wie "Rapid Eyes Moment", der schon ein wenig in Richtung Riverside oder auch Porcupine Tree tendiert.

Nico Knappe:
Generell ist auf unseren Platten wenig beabsichtig, obwohl wir der Meinung sind, dass diverse Stücke doch wieder von mehr Energie oder auch Metalwurzeln geprägt sind. Wenn man zumindest von Songs wie "Flies In Amber", "Thornchild" oder auch jenem "Rapid Eyes Moment" ausgeht. Es gibt dann natürlich auch ein paar Stücke, die in etwas spezifischere Bereiche gehen. Im Nachhinein war es für uns ersichtlich, dass gerade dieses "Flies In Amber", was mit seinen zehn Minuten der eigentliche Opener ist, von der Quintessenz die Grundstimmung der ganzen Platte widerspiegelt und vielleicht noch am ehesten hier und da unsere Doom-Metal-Wurzeln zum anklingen bringt. Gerade dieses Stück ist eine übersichtliche Symbiose von all dem, was später auf dem Album noch etwas spezifischer in Angriff genommen wird. Weil die einzelnen Songs nach dem Opener doch teilweise in recht unterschiedliche Richtungen gehen, wie beispielsweise "Amphibian Halo" mit seinen elektronischen Drums oder das instrumentale "The Chameleon Defect" mit seinem schon ganz speziellen, weil für uns recht zynischen Black-Metal-Teil. "Free Of You" letztendlich ist für uns der Frauensong der Platte. Ansonsten ist es schon schwer, die Platte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, aber ich bin schon der Meinung, dass wir durch die etwas mutigere Grenzenauslotung hier und da ein Stück weit mehr Energie und Abwechslung hineingebracht haben. Denn da, wo ich bei "Existence", unserem Vorgänger, noch einen roteren Faden gesehen habe, geht das für mich hier deutlicher und damit auch vorteilhafter in verschiedene Richtungen. Und trotzdem besitzt alles dieses verklärten, melancholischen Touch. Und das ist es, was uns irgendwie ausmacht. Ob das nun mehr Metal beinhaltet oder nicht, ist dann egal. Obwohl ich behaupte, dass das schon so ist.

MAS:
Gut, das sehe ich schon als Außenstehender ein wenig anders und ich könnte jetzt damit kontern, dass du angeführt hast, dass Grave Human Genuine euer bisher abwechslungsreichstes Album ist. Das heißt, dass ihr dann auch mehr in die Extreme geht. Und das heißt, in die eine, wie auch die andere Richtung.

Nico Knappe:
Wie gesagt, es ist schwierig, hier eine klare Linie hineinzubekommen. Und es ist auch von jedem, dem wir das Album bisher vorgespielt haben, eine andere Meinung zu hören. Und das ist für uns schon recht spannend, wie unterschiedlich die Leute hierauf reagieren. Gerade diejenigen, die Existence mögen und ins Herz geschlossen haben, werden wahrscheinlich gerade mit Songs wie "Thornchild" oder auch "Rapid Eyes Moment" vielleicht nicht so sehr überrascht werden wie mit einem "The Chameleon Defect", weil dort alle Extreme aufeinander treffen.

MAS:
Wie es aussieht, steht die Band selbst in der Umstrukturierung. Bassist und Keyboarder haben euch verlassen, dafür punktet ihr auf dem Album mit der Unterstützung von ex-Pain Of Salvation-Bassist Kristoffer Gildenlöw. Wie ist das Gefüge der Band in diesem Zusammenhang zu sehen?

Nico Knappe:
Eigentlich hat der Kristoffer, in Anführungsstrichen, nur auf dem Album gespielt. Wir hatten zwar drei Auftritte zusammen, unter anderem bei dem letzten ‚Rock Power Europe’, weswegen der Kontakt schon steht. Das ist natürlich logistisch immer sehr schwer zu lösen, aber wenn wir in seiner Nähe sind, dann ist es natürlich nur logisch, dass wir uns gegenseitig arrangieren. Prinzipiell suchen wir jetzt natürlich noch Musiker, um unser Konzept auch live über die Bühne zu bekommen. Deswegen waren die Verluste natürlich nicht besonders positiv für uns. Nun sind wir zu dritt und haben derzeit zwei Sessionleute am Start, von denen wir erst einmal nicht zuviel verraten wollen. Aber die werden uns erst einmal Anfang dieses Jahres bis hin zu unserer Release-Show im März aushelfen.

MAS:
Vom Titel her verspricht Grave Human Genuine ein durchgehendes Konzept. Ist dem so?

Nico Knappe:
Vom Thema her eigentlich nicht. Es gibt natürlich so ein paar Eckpfeiler, die hier und da auftauchen, welche, auf die einzelnen Songs bezogen, dann aber doch separat zu betrachten sind. Aber natürlich gibt es immer eine Art Konzeptplan, da wir für uns versuchen, das Material so anzuordnen, dass es auf sechzig Minuten funktioniert. Somit ist vom musikalischen her schon ein Konzept zu finden, inhaltlich dieses Mal eher nicht. Hierbei geht es um den mühsamen Weg der Selbsterkenntnis, das aber auf verschiedenen Ebenen.

MAS:
Existiert in Leipzig eigentlich diesbezüglich eine Szene, in der ihr euch austoben könnt?

Nico Knappe:
Eigentlich schon. Es gibt hier zwei Institutionen, die auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. Erst einmal ist das "Heavy Metal, nix im Scheddel", was so einmal im Monat stattfindet und wo mehr oder weniger die ganze Death-Metal-Fraktion am Start ist. Hier haben wir übrigens auch schon zweimal gespielt. Dann gibt es noch die Hellraiser-Konzerte, die mehr oder weniger die großen Namen heranholen, aber so auch immer zu kämpfen haben. Das ist natürlich rein Metal-spezifisch. Es gibt natürlich noch andere Institutionen. Aber hier ist es schwer, auch für uns als Leipziger, den Fuß hier hineinzubekommen, wenn, wie bei uns, da irgendwie ‚Metal’ draufsteht. Aber Metal funktioniert in Leipzig schon recht gut, wobei man sich hier hauptsächlich auf den beiden Hauptevents trifft.

MAS:
Aber gerade eure Tour zusammen mit Pain Of Salvation hat doch bewiesen, dass ihr eben nicht fix mit Metal in Verbindung zu bringen seid.

Nico Knappe:
Eigentlich, wie vorhin schon angesprochen, beabsichtigt man das nie im vornherein. Es ist doch auch so, dass, wenn man mit dem Proben zu einem neuen Album anfängt, nie schon das Endprodukt auf dem Schirm hat. Wir hatten sogar die Idee, ein Doppelalbum zu machen, da wir plötzlich so viel Material zusammenhatten, weswegen die Möglichkeit schon in Erwägung gezogen wurde. Wir haben das dann selektiert und nach einem musikalischen roten Faden sortiert und waren dann sehr schnell der Meinung, dass wir alles haben, was wir brauchen. Immerhin haben wir auch zwei Jahre an der Platte gearbeitet und gefeilt.


Carsten Agthe



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