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25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 112: Die fantastischen Vier - Vier gewinnt

Es gibt Musik, die ist ganz einfach verboten!; die darf man nicht hören! Und ich meine jetzt keine Verbote in der Art, wie die Verbote von Swing als „Negermusik“ in der Nazi-Zeit. Ich meine Verbote, die von der persönlichen Umwelt aufgestellt werden. Im Laufe meiner Sozialisation waren das u.a. Deutscher Schlager, Country & Western, New Romantics, Pop-Musik im Allgemeinen und dann auch Rap und Hiphop.

Das war Teil der so genannten musikalischen Peer Education. Die Peers, die Freunde, bestimmten was angesagt war, was gehört werden musste – und was gar nicht ging. Natürlich konnte man sich da verweigern. Und ich hab das zum Teil auch getan. Aber das war mit dem Risiko verbunden, dass man aus seinem sozialen Umfeld raus fiel, dass man irgendwann genauso out und so verboten war, wie die Musik, die man verbotener Weise hörte.

Was verziehen wurde hing u.a. vom sozialen Status des Einzelnen ab, oder von anderen Äußerlichkeiten. Meine Weigerung, mir auch Top Ten Pop Hits zu verbieten, wurde auf Dauer akzeptiert. Denn so verboten Lipps Inc, Peter Kent, Patrick Hernandez, Ottawan und ähnliches Chart-Zeug auch war, meine mit diesen Sachen vom Radio bespielten Musikcassetten wurden – zumindest in den frühen Phasen – von Privat-, Klassen- oder Gemeindehaus-Feten einfach gebraucht, um die Stimmung erst einmal aufzubauen, in der man dann später mit (frühen!) Status Quo, Birth Control, Meat Loaf, Purple, Rainbow, ZZ Top und ähnlichem fortfahren konnte.

Bei Rap und Hiphop war ich mir mit meinen Peers aber einig. Der Scheiß wurde nicht gehört. Mit der ganzen musikalischen Ästhetik konnte ich einfach nichts anfangen. Das gilt auch für Klassiker (die ich heute sehr schätze), wie Grandmaster Flashs „New York“ oder „Rapper’s Delight“ von der Sugar Hill Gang. Von daher war ich auch einigermaßen entsetzt, als mein bester Freund eines Tages mit einer 7“ Single von letztgenanntem Song auftauchte. Auf der anderen Seite verhalf er mir damit dazu, in unserem permanent latent vorhandenem Konkurrenzverhältnis Punkte für mich zu verbuchen – hab ich mir zumindest damals eingebildet – bewies es doch (wieder einmal!), dass ich doch den besseren Musikgeschmack hatte.

Es waren zwei deutsche Bands, denen es gelungen ist, in meine Hiphop-Abwehrmauer breite Breschen zu schlagen. Das waren auf der einen Seite die sympathisch norddeutsch auftretenden Fettes Brot mit „Nordisch by Nature“ und einige Zeit zuvor bereits ein Act aus Stuttgart mit einem sehr explizit sexuell aufgeladenen Text. Okay, da gab es schon einige Sachen zuvor – Zeltinger und Nina Hagen konnten schon sehr deutlich werden – und wenn die Strassenjungs davon sangen, dass sie auf dem Rasen blasen, dann war schon sehr eindeutig deutlich, worum es ging. Aber das war explizit Punk. Das waren schlimme Jungs.

Aber was ich da hörte, das war musikalisch doch recht brav, letztlich Pop. Und wenn dann plötzlich ganz deutlich davon gesungen wurde, dass es beim Geschlechtsverkehr um das Austauschen von Körperflüssigkeiten geht, dann war da - gerade weil es eigentlich so sachlich und gar nicht provokant war - eine weitere Grenze überschritten.

Und vor allem waren diese Fantastischen Vier irgendwie gar nicht provokant, sondern nett und hatten einen humorvollen Schalk im Nacken. Da lief der HipHop, denn nichts anderes war es, doch plötzlich rein wie Öl. Natürlich half es, dass die Vier ihre Stücke nicht mit stumpfen Primitiv-Beats präsentierten, sondern über ein untrügliches Melodiegefühl verfügten. Und so kam es, wie es irgendwann kommen musste. Am 16. Juli 1995 wurde – knapp zwei Jahren nach seinem Erscheinen - das Album 4 gewinnnt auf dem Flohmarkt am Fehrbelliner Platz verhaftet.

Norbert von Fransecky


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