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Reviews

Kate Gentile

Find Letter X


Info

Musikrichtung: Avantgarde

VÖ: 17.11.2023

(PI Recordings)

Gesamtspielzeit: 196:35

Internet:

https://kategentile.com/
https://pirecordings.com/
http://nuzzcom.com/

Kate Gentile ist eine Komponistin und Schlagzeugerin aus Buffalo und heute ist sie mit ihrer Band aktiv in Brooklyn. Recht bekannt in Insiderkreisen wurde sie 2021 durch die 6-CD-Box "Snark Horse" . Seinerzeit sprach die Presse von einem Werk, das der Erschaffung einer abstrakten Galaxie aus dem Nichts gleichgekommen sein soll und man meinte, es würde so klingen, als würde man jedes schwarze Loch und jeden Supercluster kennen.

Nun, das läßt natürlich aufhorchen, und wenn ich nun die aktuelle Veröffentlichung Find Letter X in Händen halte, dann hat sich die Vorstellung zunächst einmal halbiert, denn es sind "nur" drei CDs, die sich in der kreuzförmig aufzuklappenden Verpackung befinden. Klar, nun bin ich gespannt, auf welche Reise ich mitgenommen werde, werde ich schwarze Löcher und Supercluster kennenlernen?

Jede der drei CDs besitzt einen Obertitel, "Iridian Alphabet", "Senselessness" und "The Cosmic Brain". Ein Blick auf die Webseite des Labels, Pi Recordings, und man erblickt dort eine Beschreibung dieser drei Kapitel, in etwa wird dort wie folgt ausgeführt:

"Iridian Alphabet" (Disc 1) erinnert an die magische Stunde der Nacht; eine akute Lebendigkeit; und das Geheimnis des Unerklärlichen. Tausend kompositorische Ideen huschen umher wie Wesen, die schelmisch in der Nachtluft spielen und schwelgen, knurrend und tobend. Wenn sich die Scheibe dem Ende nähert, tritt eine ahnungsvolle Energie hervor, die bevorstehende Entwicklungen ankündigt.

"Senselessness" (Disc 2) öffnet mit ungezügelter Wut die Tür zu einem Paralleluniversum; ein brutaler, unerbittlicher Amoklauf. Der dreiteilige kryptische Bogen von „…va zisroas“, „blankeye“ und „zislupme tnilyive tsoam ath…“ bewegt sich von tiefem Pathos über Taubheit bis hin zu Gewalt und führt zur verheerenden, unvermeidlichen Abrechnung von „Clovd 8“. Nach dem „Smother“ kommt es zu einer allmählichen Verschiebung im letzten Abschnitt der Bandscheibe; ein embryonales Glitzern in der Ferne, das signalisiert, dass etwas Neues geschieht.

"The Cosmic Brain“ (Disc 3) öffnet sich mit hellen, sengenden Strahlen, die sich zu einem Pool reicher, resonanter Harmonien vermischen und aufrühren. Die Musik bewegt sich durch verschiedene Lichtenergien; wie die Reflexion und leuchtende Stille des „ewigen Vergehens“ durch „Ausstrahlung“. Vom „Inbegriff“ bis zum Ende beginnt die Musik zu schweben und setzt sich mit blendendem Aufbrausen fort, bis sie in der transzendenten Brillanz der „synaptischen Flammen“ gipfelt.

Nun, für mich klingt das, ohne dass ich bisher auch nur einen Ton gehört habe, als würde ich bald auf Musik stoßen, die sich vor Abstraktheit nur so windet, nur nicht real zu werden, eine abgehobene Art von Avantgarde, die es den vielleicht nur wenigen Käufern erlauben würde, dem Ganzen zu folgen und etwas abzugewinnen. So steigt bei mir die Spannung immens.

CD 1 startet mit einem kurzen Song, etwas über eine Minute, einige kürzere Stücke tauchen zwischendurch immer wieder auf, ansonsten kann es auch über zehn Minuten gehen. Nun, was soll ich sagen zum knapp siebenminütigen "laugh magic"? Ja, es klingt abstrakt, erinnert mich an frühe Songs von Frank Zappa, nur technisch eben auf aktuellem Niveau. Jedenfalls scheint hier nicht wirklich greifbar, scheinbar strukturlos, aber noch nicht auf dem Boden von Free Jazz agierend, nahe dran sicher. "Wesen, die schelmisch in der Nachtluft spielen und schwelgen, knurrend und tobend", diese Aussage kann ich durchaus unterstreichen. Diese Momente des "Fast Free Jazz" bergen allerdings sehr viel Verkopftes, eine Wucht und Kraft von Musikern wie John Coltrane und Pharoah Sanders, als die Beiden zusammen die Jazzwelt mit ihrem Free Jazz erschütterten, findet sich insofern auf "seelischer Ebene" eher weniger, hier strömt es eher intellektuell.

"Ungezügelte Wut, die Tür zu einem Paralleluniversum; ein brutaler, unerbittlicher Amoklauf", zum Beginn der CD 2, nun, Jazz und Rock vereinen sich, die Band Capillary Action fällt mir hierzu ein, auf jeden Fall viel Kreativität, Kraft und Erfindungsreichtum, die sich hier vereinen zu einer Art schräger Virtuosität, die absolut nervenaufreibend wirken kann. Polyrhythmik neben freien Passagen, Eruptionen, die staunen lassen, und stets ist es der Saxofonist, der versucht, den Bogen weiter zum Jazz zu spannen, aber die Mitspieler lassen das nicht zu, manchmal scheint man sich in der Mitte zu treffen, manchmal spielt man nebeneinander her. Dann wieder ist es der Bassist, der an Jaco Pastorius und die ganze Fusion-Bewegung zu erinnern scheint.

Ja, die CD 3 startet ein wenig anders als die beiden bisherigen, es scheint ein wenig "weicher" zu werden, gar ein wenig "eleganter", für zarte Gemüter und Ohren dürfte das allerdings auch bereits Schmerzen bereiten, haben Jene vielleicht das Gefühl, in ein Meer von Disharmonie gestürzt zu sein. Das bedeutet klar und eindeutig, dass man sich darauf einlassen muss, wenn man es genießen möchte, sich dieser Musik zwanghaft nähern zu wollen, würde keinen Sinn machen, denn dazu steht sie weit außen vor zu dem, was man unter Harmonie verstehen dürfte. Wer jedoch solchen Herausforderungen offen gegenüber steht, dürfte hier reichlich Spielraum finden für die reichhaltigen Ausprägungen grober Art als auch für die feinen Nuancen und die Intensität so manchen Ausdrucks. Und oft genug habe ich den Eindruck, dass Großmeister Zappa irgendwo durchschimmert, er dürfte diese Band möglicherweise als großartig bezeichnet haben.

Wenn man versucht, sich aus diesem Dickicht des dichten Klangwaldes zu befreien, dann kann man, losgelöst betrachtet, so manche Feinheit entdecken, Elemente des Jazz zu allererst, aber auch Zappa, dann anteilig hier und da einen Fetzen Prog Rock, elektronische Musik, moderne Klassik (Neue Musik) und vielleicht gar noch einiges mehr.... Und - habe ich nun den Buchstaben X gefunden?



Wolfgang Giese

Trackliste

Disc 1

1 Pulse capsule
2 Laugh magic
3 Find letter X
4 Subsurface
5 Recursive access
6 The new basics
7 In casks
8 Ore whorls
9 Stelliform lamellae
10 Prismatoid
11 Contrarianism
12 Prescience
13 Erinome
14 The 5th clone
15 Invisible wolves

Disc 2

1 r.a.t.b.o.t.B
2 Raze
3 Nine fog
4 Garbage juice
5 ...Va zisroas
6 Blankeye
7 Zislupme tnilyive tsoam ath...
8 Clovd 8
9 Smother
10 Importunate babble
11 Four-bladed
12 Dissolution
13 Offing
14 Jupiter vs. the Sun

Disc 3

1 Psychoradiant
2 Clarion fluorescent
3 Q quiet
4 Eternal lapse
5 Bask
6 Effulgence
7 Spectroscope
8 Quantum exits
9 Epitome
10 Open epoch
11 Synaptic blazes
12 Supergiant incineration

Besetzung

Jeremy Viner (tenor saxophone, clarinet, bass clarinet)
Matt Mitchell (piano, Prophet-6, modular synths, electronics)
Kim Cass (acoustic & electric bass)
Kate Gentile (drums, vibraphone, compositions)
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So bewerten wir:

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11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger