Reviews

Lüül & Band

Wanderjahre

Info Musikrichtung: Songwriter / Straßenmusik VÖ: 19.06.2015 (MiG / SPV) Gesamtspielzeit: 52:36 Internet: http://www.luul.de

Mit viel Akkordeon und Violine, mit Walzer- und Tango-Takten klingt Lüül auf erfrischende Weise altmodisch. Man kann sich geradezu vorstellen, dass Paul Lincke im Nachbar-Biergarten aufspielt. Allerdings steht bei Lüül & Band ganz eindeutig Lüül im Zentrum. Man könnte das Ganze auch als erweiterte Straßenmusik bezeichnen.

Dass der wandlungsfähige Musiker einer anderen Zeit entsprungen ist, macht das eröffnende „West-Berlin“ deutlich, das im Wesentlichen an Ereignisse aus den 70ern und späten 60ern erinnert. Ein toller Groove und der mitreißende Rhythmus machen „West-Berlin“ zu einem der Highlights des Albums.
Daneben steht das recht simple aber effektive „Mennoniten-Mädel“, dass sich schnell im Langzeitgedächtnis verbeißt. Was das Stück allerdings mit den Mennoniten zu tun hat, ist mir bis heute nicht deutlich geworden.
Toll auch das klasse instrumentierte Märchen „Samarra“!

Textlich ist Wanderjahre eher belanglos. Von seiner ungeheuer beobachtungsstarken Alltagsszene „Morgens in der U-Bahn“ ist Lüül auf diesem Album in der Regel weit entfernt. „Verkehrsteilnehmer“, so etwas wie nett anzuhörende Antwort auf die U-Bahn, ist textlich bestenfalls Klamauk.

Und auch die neue Version von „Morgens in der U-Bahn“ enttäuscht – dieses Mal nicht wegen des Textes. Aber das neue Arrangement ist zu dominierend. Der sensible Beobachtungscharme des Originals geht verloren. Das Spröde, das die Monotonie der Situation so unvergleichlich widerspiegelte wird aufgehoben.

Was bleibt ist ein ordentliches Album zwischen Songwriter, Bänkelsänger und Folkie. Und das ist im durchgestylten Musikbusiness recht erfrischend. Ich fordere dringend zur Unterstützung an der Ladenkasse auf!

Norbert von Fransecky