····· Osterei - Luxus-Haydn auf Vinyl ····· Zwischen Grunge und Pop suchen Woo Syrah ihren Weg ····· Der zweite Streich von Billy Idol neu und erweitert ····· Die Hamburger Ohrenfeindt sind „Südlich von Mitternacht“ auf der Überholspur ····· BAP gehen auf Zeitreise in ihre besten Jahre ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Feldman, M. (Robinson u.a.)

Late Works with Clarinet


Info

Musikrichtung: Zeitgenössische Musik

VÖ: 10.07.2004

Mode(CD DDD (AD 2002/2003) / Best. Nr. mode 119)

Gesamtspielzeit: 69:23

Internet:

Mode Records

IM-KLANG-SEIN: MORTON FELDMANS SPÄTE WERKE FÜR KLARINETTE

Morton Feldman (1926-1987), der Meister einer ebenso reduktiven wie sinnlichen Klang-Kunst, verlangt von seinen Interpreten vor allem bei den sehr langen Stücken aus den 80er Jahren eine schier übermenschliche Konzentration. Sie haben sich ganz in den Dienst des Klanges zu stellen, den Feldman mit größter Delikatesse und feinsten Abstufungen immer neu orchestrierte. Dazu ist der akribische, "intuitive" Kompositionsprozess von den Musikern gewissermaßen beim Spielen nachzuvollziehen. Wie der Komponist, so sollen auch sie den Klängen lauschen, ja regelrecht in den Klängen sein.
Von daher sind die Reserven des Komponisten gegenüber einem traditionell auf Virtuosität und Expressivität angelegten Instrument wie der Klarinette verständlich. Falsch behandelt, neige sie zu akustischem Durchfall, ließ Feldman sich einmal in seiner gewohnt launigen Art vernehmen. Auf das Instrument, dessen eigentümliche Klangfarbe der menschlichen Stimme so nahe kommen kann, hat er aber trotzdem nicht verzichtet.

In der inzwischen siebten Folge der vorzüglichen und verdienstvollen Feldman Edition des amerikanischen Labels Mode spielt Carol Robinson den zentralen Klarinetten-Part in drei späten Werken Feldmans.
Mit der ausgesprochen moderaten Dauer von knapp zehn Minuten ist Three Clarinets, Cello and Piano (1971) ein typisches Feldman-Werk der 70er Jahre. Es ist schon faszinierend, der unermüdlichen Beschäftigung des Komponisten mit seinem aus Sekund-Intervallen zusammensetzten chromatischen Feld zuzuhören. Die meist dreitönigen Cluster fungieren als Keimzelle für Feldmans oszilierende, dabei ausgesprochen klangsinnliche, niemals systematische Harmonik. Dieses Basis-Material wird immer wieder neu arrangiert und orchestriert. Dank der für Feldmans Musik ungwöhnlich breiten Dynamik (von pppp bis ff) eröffnen sich für das Ohr des Hörers stets wechselnde harmonische und klangfarbliche Perspektiven. Die ausgeprägten Wiederholungsmuster und der Gestaltreichtum der späteren Kompositionen finden sich hier gleichsam im Embryonalstadium.

Im doppelt so langen Bass Clarinet and Percussion von 1981 ist das Spiel mit kleinen Motivzellen oder Mustern schon sehr viel ausgeprägter. Eine Entwicklung im klassischen Sinn gibt es jedoch nicht: Der Komponist fügt unterschiedliche Module vielmehr ganz frei, aber sehr überlegt zu einem Klang-Mobile zusammen: Jede Veränderung der Hör-Perspektive, jede "Drehung" des klingenden Objekts verändert mehr oder weniger merklich seine akustische Erscheinung. Dabei verleugnet die häufig in ungewöhnlich hoher Lage spielende Bass-Klarinette ihren Klangcharakter, während das Schlagzeug (Marimba, Pauken, Becken und Gongs) eher atmosphärisch im Hintergrund bleibt und den Klarienttenklang schattiert.
Auch im zwei Jahre jüngeren Clarinet and String Quartet trägt Feldman seine instrumentalen Farben sehr transparent auf. Entweder verschmiltzt die Klarinette mit dem flächigen Streicherklang oder pointiert ihn durch eine virtuelle Melodie. Das ansatzlose, vibratolose Spiel der Musiker sorgt zusammen mit den vom Komponisten vorgeschriebenen speziellen Spieltechniken für einen unwirklichen Eindruck und steigert den Grad an klanglicher Abstraktion: die Klarinette klingt mitunter wie ein Streichinstrument, die Streicher dagegen wie Blasinstrumente oder ein Harmonium.
Mit über 42 Minuten ist dies zugleich das längste Stück der Produktion: ein zartgewobener Klangteppich, eine Zeitleinwand, auf der Feldman seine Klänge bis zum abrupten Ende des Stücks arrangiert und des-arrangiert.

Carol Robinson erweist sich hier zusammen mit ihren wechselnden Mitspielern als Feldman-Exegetin ersten Ranges. Die exzellente Klangtechnik bildet die Instrumente klar und präsent ab, ohne jene Weichzeichnerakustik, die Feldmans spartanisch-lukullische Klangwelten nur allzu oft in parfümierten Sound verwandelt.



Georg Henkel

Trackliste

1Three Clarinets, Cello and Piano (1971)9:33
2Bass Clarinet and Percussion (1981)17:30
3Clarinet and String Quartet (1983)42:20

Besetzung

Carol Robinson, Klarinette u. Bass-Klarinette
Pierre Dutrieu u. Olivier Voize, Klarinette
Elena Andreyev, Cello
Vincent Leterme, Klavier
Francoise Rivalland u. Peppie Wiersma, Schlagzeug
Quatuor Diotima (Eiichi Chijiiwa u. Nicolas Miribel, Violine;
Franck Chevalier, Viola; Pierre Morlet, Cello)
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger