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Reviews

Bach, J. S. (Herreweghe)

Leipziger Weihnachtkantaten u. a


Info

Musikrichtung: Kantate

VÖ: 20.10.2003

Harmonia Mundi / Helikon / (2 SACD hybrid / AD 2001-02 / Best. Nr. HMC 801781.82)

Gesamtspielzeit: 117:21

Internet:

Harmonia Mundi

ZWISCHEN BLÄSSE UND NOBLESSE : HERREWEGHES "WEIHNACHTS-BACH"

INNERLICHKEIT ODER AFFEKT?

Passend zum Weihnachtsgeschäft setzt Harmonia Mundi seine Reihe mit Bachs Kantateneinspielungen unter Philippe Herreweghe fort: Diesmal werden uns auf zwei SACDs hybrid (in herkömmlichen CD-Playern abspielbar) Werke präsentiert, die der Leipziger Thomaskantor für die Weihnachtsfeierlichkeiten der Jahre 1723 und 1724 schuf. Die beiden SACDs unterscheiden sich nicht nur im Aufnahmedatum, sondern auch in der Aufnahmequalität deutlich. Während die erste SACD mit den Kantaten BWV 91, 121 und 133 ein bei den Chören und größer besetzten Stücken enttäuschend breiiges und hallstarkes Klangbild aufweist, ist die zweite mit der Kantate BWV 63 und dem Magnificat BWV 243 a technisch überzeugender gelungen.
Ein ähnlich unterschiedliches Niveau zeigt sich auch in Herrweghes Interpretationen. Ungünstigerweise beginnt die CD Nr. 1 gleich mit der schwächsten Einspielung, der Kantate Gelobet seist du, Jesu Christ. Der gleichnamige, vielschichtige Eingangschor zerrinnt dem Dirigenten zwischen den Fingern: die Struktur ist verschwommen, der Grundansatz diffus. Das setzt sich auch in den Arien fort, wenngleich hier eine Solistenriege von ganz außerordentlicher Qualität und mit durchgehend berückend schönen Stimmen agiert. Dennoch will sich nicht das Gefühl einstellen, dass dem Hörer hier musikalisch ein einzigartiges, weltbewegendes und -veränderndes Geschehen vor Ohren gestellt ist: die Geburt Christi, in der Gott den Menschen nahe kommt. Dazu ist die Freude zu wenig spürbar, die Deutung zu sehr auf Verinnerlichung angelegt. Selbst der Schlußchoral (Dies hat er alles uns getan) erscheint nicht als der große Lobpreis, der er sein sollte.

HERRLICHE SOLOSTIMMEN

Nicht viel anders sieht es mit der Kantate Christum wir sollen loben schon aus. Herreweghe nimmt hier die Tempi eher bedächtig, was an sich kein Schaden sein muß. Doch zügelt und zähmt er zugleich die Solisten, die spürbar dazu tendieren, ein Mehr an persönlichem Ausdruck und emotionaler Tiefe beizusteuern. So wird die Darbeitung von Mark Padmore und Peter Kooy zwar zu einer Lehrstunde des Schönklangs, aber nicht zu einem mitreißenden Hörereignis. Wie es anders funktionieren kann, läßt sich noch am ehesten an der Bass-Arie Johannis freudevolles Springen ablesen, die stellenweise wahrhaft freudenvoll und hin und wieder sogar tänzerisch-springend anmutet.
Wirklich beachtlich ist dann aber erst die abschließende Kantate der ersten CD, Ich freue mich in dir. Es scheint, als hätte das Ensemble endlich mehr Fahrt aufgenommen. Auch das bewährte Collegium Vocale Gent präsentiert sich hier in bester Verfassung. Ein besonderer Glanzpunkt ist zudem die von der Soparnistin Dorothee Blotzky-Mields interpretierte, anspruchsvolle Arie Wie lieblich klingt es in den Ohren - bei dieser Sängerin wird der Arientitel zum Programm!

DIE ZWEITE CD MIT DEN GROSS BESETZTEN WERKEN

Auf der weiteren SACD finden sich mit der Kantate Christen, ätzet diesen Tag und dem Magnificat in Es-Dur zwei deutlich repräsentativ angelegte Stücke aus Bachs erstem Leipziger Jahr. Aufhorchen läßt die Einspielung der Kantate: Diese packt Herrweghe beherzt an, betont die Prachtentfaltung, befeuert die Spielfreude des Ensembles. Schon der Eingangschoral unterscheidet sich insofern ganz klar von der Art und Weise, wie ein Jahr zuvor an die Aufnahme der Stücke der ersten CD herangegangen wurde. In den Arien ziehen Mark Padmore und Carolyn Sampson alle Register ihres stimmlichen Könnens, um den positiven Gesamteindruck abzurunden.
Dieser hält beim abschließenden Magnificat indes nicht an. Herreweghe hat, wie auch Thomas Hengelbrock auf seiner kürzlich erschienen Aufnahme (zusammen mit Lottis Missa Sapientiae, DHM 05472775342), die Ursprungsfassung in Es-Dur mit den weihnachtlichen Einlagesätzen eingespielt. Im Vergleich beider Interpretationen wird das Manko klar erkennbar: Während Hengelbrock einen klaren, betont tänzerischen und zugleich transparenten Grundansatz verfolgt, gerät das Stück unter Herreweghe zu einer chorischen Pflichterfüllung, die bisweilen mehr statisch, als bewegt oder gar bewegend anmutet. Um so mehr wirken die eingeschobenen weihnachtlichen Chorsätze als Hemmschuh des musikalischen Flusses. Daran ändert die technisch tadellose Leistung aller Mitwirkenden wenig.

So hinterläßt diese Box einen gemischten Eindruck. Die ganz große Feststimmung will sich bei ihr nicht oder zumindest nicht durchgehend einstellen. Wer aber vor Überraschungen sicher sein will, eine solide Einspielung sucht und zudem eine solche mit ausgezeichneten Solisten, kann ohne Bedenken zugreifen.



Sven Kerkhoff

Trackliste

CD 1
Kantaten BWV 63, 91, 121, 133 (55:32)

CD 2
Magnificat Es-Dur BWV 243 a (61:49)

Besetzung

Dorothee Blotzky-Mields, Carolyn Sampson (Sopran)
Ingeborg Danz (Alt)
Mark Padmore (Tenor)
Peter Kooy, Sebastian Noack (Bass)
Collegium Vocale Genty
Ltg. Philippe Herreweghe
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