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Reviews

Trotyl

Warrior: Anthology 1980–1990


Info

Musikrichtung: Metal

VÖ: 15.12.2023

(Stormspell)

Gesamtspielzeit: 60:00

Internet:

https://stormspell.bigcartel.com
http://www.facebook.com/people/Trotyl/100063661652585/

Als Schülerband 1979 in Sofia gegründet, spielte die noch namenlose Formation um die Dinev-Brüder zunächst Punk, merkte aber bald, dass ihnen der Sinn nach Metal stand, was einen Stilwechsel nach sich zog, der im gewählten Bandnamen nur bedingt reflektiert wurde: Trotyl bzw. Trotil (Тротил) ist das bulgarische Wort für TNT, und der gleichnamige AC/DC-Song diente als Ideengeber – mit dem Sound der Young-Brüder hat das Material der Dinev-Brüder aber wenig am Hut. Trotyl waren über die Achtziger hinweg in mehreren Perioden (und auch da bisweilen unter wechselnden Bandnamen) aktiv, die von Zwangspausen unterbrochen wurden, weil die Band entweder der herrschenden Bulgarischen Kommunistischen Partei suspekt war oder Bandkopf/Gitarrist Alexander Dinev seinen Militärdienst ableisten mußte. Zu offiziellen Studioaufnahmen brachte es das mehrfach umbesetzte Quintett lange Zeit nicht – erst 1990/91 entstand in Eigenregie die Single Lunatic/Warrior, aber zu einem Zeitpunkt, als sich die Band praktisch schon aufgelöst hatte und zumindest keine Konzerte mehr spielte, so dass auch die Single so obskur blieb, dass sich im Riermaierschen Osteuropa-Metal-Buch nichts zu Trotyl findet. Erst Mitte der 90er fand wieder eine Trotyl-Besetzung zusammen, und in größeren Abständen erschienen dann auch vereinzelt reguläre Alben, schrägerweise im Jahre 2010 gleich zwei.

Ein reguläres Album mit neuem Material ist Warrior nicht, wie schon der Untertitel verrät: 2022 beschlossen die Dinev-Brüder (neben Alexander noch Bassist Ivaylo), der Gitarrist Evgeni Dimitrov, der schon in den späten Achtzigern einige Jahre lang zur Band gehörte und 2018 wieder zurückgekehrt ist, und der Sänger Dragomir Dragiev, der seit 2003 in der aktuellen Trotyl-Inkarnation am Mikrofon steht, die beiden Songs der Single sowie zehn Nummern, die in den Achtzigern nicht den Weg auf einen Tonträger gefunden hatten, doch noch einzuspielen und somit in dieser Form für die Nachwelt zu erhalten, also für die 500 Menschen, die eines der auf diese Zahl limitierten Exemplare der Warrior-CD besitzen, sowie diejenigen, die sich eine Download- oder Stream-Variante gönnen. Einen Drummer hatte das Quartett zur fraglichen Zeit offenbar nicht zur Hand – der im Booklet als „Mister X“ bezeichnete Gastschlagwerker dürfte sich von Strom ernähren, oder Aufnahmeleiter Alexander Dinev hat bewußt einen arg sterilen Drumsound angestrebt. Letztgenannte Variante scheint wenig wahrscheinlich, paßt dieser Sound doch eigentlich nicht so richtig zum urwüchsigen Traditionsmetal von Trotyl, obwohl man ihn mit der kuriosen Begründung rechtfertigen könnte, dass gemäß Booklet „a faithful recreation of the originals“ das Ziel war, man aber zumindest in der DDR der Achtziger die allermeisten Rockalben aus kapazitätstechnischen Gründen mit einem Drumcomputer aufnahm, auch wenn die jeweilige Band einen regulären Schlagwerker hatte – vielleicht wäre das in Bulgarien in dieser Zeit auch so gehandhabt worden. So richtig Hörspaß macht diese Komponente dann freilich nicht, auch wenn man Dinev zugutehalten muß, dass er zumindest gewisse Variabilität eingebaut hat und tatsächlich auf eine modernere Drumproduktion zugunsten eines „historischen“ Sounds verzichtet hat, was in analoger Weise auch für die anderen musikalischen Komponenten zutrifft.
Die zwölf Songs sind auf der CD nicht chronologisch sortiert – ob es einen Zufall darstellt, dass mit „The March“ ausgerechnet die einzige Komposition von Dimitrov die CD eröffnet, weiß freilich wohl auch nur Dinev allein. Das Intro verspricht jedenfalls eine Art Epic Doom, was der Hauptteil des Songs dann nicht einlöst, aber trotzdem eine Art Epic Metal bietet, während sich das Gros des Materials dann doch in „normalem“ Metal aufhält, allerdings weiterhin mit gewissem Epic-Touch, was auch gut so ist, da Dragievs klare Stimme zu dieser Sorte Metal gut paßt, während sie für „richtigen“ Power Metal etwas zu dünn sein könnte. Irgendjemand (eventuell Dimitrov, der schon früher auch als Zweitsänger fungierte, oder Ivaylo Dinev, der 1990 mal für einen halben Gig als Sänger einsprang) steuert zudem sehr hohe Backing Vocals bei, die ein wenig an die erinnern, die Uriah Heep gelegentlich einsetzten, und so klingt dann ein Song wie „The Savior“, der einzige aus der Aktivitätsperiode 1982 bis 1984, als würden Heep mit zwei Gitarristen Metal spielen. Mit „Mirage“ ist der einzige Song von 1980 benannt, der tatsächlich ein wenig „älter“ anmutet, aber immer im klassischen Metal bleibt und, wenn er tatsächlich originalgetreu umgesetzt wurde, unterstreicht, wie weit die noch sehr junge und gerade erst dem Punk entwachsene Band damals schon war. Die anderen zehn Songs entstammen aber allesamt der Zeit von 1987 bis 1990, auch die Bandhymne „Trotyl“, die interessanterweise der einzige Song der Bulgaren ist, der tatsächlich etwas nach AC/DC klingt, hier natürlich einer Metalversion von AC/DC. Ansonsten wagen sich Trotyl mit „Black Night“ auch an eine Halbballade, arbeiten dominant im Midtempo und wissen genau, dass sie zwei starke Gitarristen besitzen, die dann gern in bester Achtziger-Manier furios solieren dürfen, hier und da auch klassisch doppelläufig. Als klassisch ist auch das Songwriting zu bezeichnen – hier gibt es pro Song eine Grundidee, und die wird dann nach allen Regeln der Kunst durchexerziert und nur gelegentlich mit anderen Ideen flankiert und mit ein paar Zusatzelementen ausgeschmückt, wozu etwa eigenartige Rhythmuselemente in „The Savior“ gehören.
Interessanterweise gibt das Booklet an, Dragiev habe die Lyrics geschrieben – der gehörte aber in den Achtzigern noch gar nicht zur Band und war zur Zeit von deren Gründung noch nicht mal geboren. Das läßt den Schluß zu, dass die Originale bulgarische Texte hatten und Dragiev jetzt (oder partiell bereits 2004 kurz nach seinem Einstieg, als schon mal einige „Remixes“ von altem Material veröffentlicht wurden, nämlich auf einem Tonträger mit dem bescheidenen Titel The Best 84 04) neue verfaßt hat, die aber allesamt in Englisch gehalten und im Booklet zusammen mit der Bandgeschichte der abgedeckten Jahre und den Hintergründen der aktuellen Produktion zu lesen sind. Besagte Bandgeschichte ordnet elf der zwölf Songs auch den entsprechenden Perioden zu, nur „The End“ bleibt dort ungenannt und wird lediglich in der Tracklist dem Jahr 1990 zugewiesen, also einer Zeit, als Trotyl schon in den letzten Zügen lagen. Hier kommt dann recht kerniger Power Metal mit galoppierenden Stakkato-Zwischenparts zum Tragen, den Metallica ein Jahr später auch auf ihrer Schwarzen hätten unterbringen können, vielleicht unter Subtraktion der „Oi-Oi-Oi“-Rufe vor dem Hauptsolo. Auf Keyboards, die sonst üblicherweise Dragiev spielt, verzichten Trotyl in diesen Aufnahmen übrigens komplett, mit Ausnahme des abschließenden Compilation-Titeltracks, der sich hauptsächlich wieder im Epic-Doom-Feld aufhält und damit in Tateinheit mit „The March“ einen wirkungsvollen Rahmen um das Material bildet, im Solo allerdings plötzlich beschleunigt, woran man sich erst gewöhnen muß. In der Gesamtbetrachtung stellt das Material der bulgarischen Sonnenbrillenfetischisten (die Bandfotos!) allerdings eine willkommene Entdeckung dar, wenngleich wie beschrieben durchaus noch Luft nach oben gewesen wäre. Neugierig auf die jüngeren Alben der Band macht Warrior freilich allemal. Wenn die alle im Epic Doom siedeln und die Qualitäten von „The March“ und „Warrior“ halten können ...



Roland Ludwig

Trackliste

1The March6:57
2The Savior3:38
3Fire Trace5:08
4Heretic5:00
5Mirage4:06
6Wicked World3:43
7Who Am I4:11
8Black Night5:09
9Trotyl4:06
10Lunatic6:54
11The End5:12
12Warrior5:29

Besetzung

Dragomir Dragiev (Voc)
Alexander Dinev (Git)
Evgeni Dimitrov (Git)
Ivaylo Dinev (B)
Mister X (Dr)
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