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Legendario
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Info
Musikrichtung:
Melodic Metal
VÖ: 07.10.2022 (1999) (Jolly Roger) Gesamtspielzeit: 42:28 Internet: http://www.jollyrogerrecords.com http://www.facebook.com/tierrasantaoficial |

Spanischer Rock oder Metal war in den Achtzigern und Neunzigern in deutschen Landen, sieht man vom Kurzzeiterfolg der Heroes del Silencio ab, ein absolutes Nischenprogramm, gab es die Tonträger doch überwiegend nur als Import, und viele dieser Acts sangen im heimischen Idiom, was den Exotenfaktor noch etwas nach oben schraubte. Auch die ersten beiden Alben von Tierra Santa gab es hierzulande in den Spätneunzigern nur als Import. Das änderte sich markant erst, als Locomotive Music, eines der führenden spanischen Labels für harte Musik, eine deutsche Dependance eröffneten, über die in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends zahlreiche spanische Acts ihren Fankreis markant auch in Deutschland ausdehnen konnten. Tierra Santa waren da recht weit vorn mit dabei – die ersten beiden Alben aber blieben rare Sammlerstücke, und erst jetzt ist der Zweitling Legendario über Jolly Roger Records wiederveröffentlicht worden, in remasterter Form, aber sonst in Musik und Optik (also auch mit dem etwas ungelenk wirkenden Aquarell-Cover) mit dem 1999er Original identisch, so daß also niemand, der diese Version besitzt, nochmal zum Kauf gezwungen wird, während so mancher jüngere Anhänger die Möglichkeit zur Schließung einer Sammlungslücke dankbar annehmen wird.
Vergleicht man Legendario mit den jüngeren Werken von Tierra Santa, fällt auf, daß die Spanier hier noch mit deutlicher ausgeprägter Metalkante zu Werke gehen – mit Oscar ist zwar ein Keyboarder an Bord, aber der Fokus liegt in den meisten Songs klar auf den Gitarren von Angel und Arturo, und die beiden finden sich oft und gern zu doppelläufigen Melodien, die in so mancher Ausprägung an Großtaten aus der Iron-Maiden-Schule erinnern, ohne daß die Spanier freilich die Briten kopieren würden. „La Cruzada“ etwa koppelt Maiden-Melodik mit orientalischen Klängen, die auch zum Songsujet passen – Legendario ist sozusagen ein Konzeptalbum über geschichtliche Ereignisse und mythologische Begebenheiten, ohne daß freilich eine durchgehende Geschichte erzählt würde. „El Bastón Del Diablo“ hebt dabei balladesk an, bevor sich dann doch kerniger Melodic Metal entwickelt. Mit dem episch-schleppenden „Reconquista“ widmen sich die Spanier auch der Geschichte ihres eigenen Landes, und hier legt Oscar einen gekonnten Teppich hinter das Geschehen, auf dem sich die anderen Instrumentalisten wälzen dürfen – er evoziert allerdings auch das Hauptthema. Angels klare Stimme prägt das Geschehen über die ganzen 42 Minuten hin nachhaltig, und wenn man sich ein bißchen Mühe gibt, kann man auch als Nichtkundiger der spanischen Sprache bald nicht nur einzelne Stichworte wie hier „Reconquista“ oder gleich im knackig-zügigen Opener das titelgebende und im Refrain dreimal wiederholte „Séptima Estrella“ mitsingen, sondern auch noch weitere Zeilen – die Refrainmelodien sind jedenfalls eingängig genug, um diesbezügliche Möglichkeiten zu schaffen. Im Solo des flotten Titeltracks beweisen die Gitarristen auch, daß sie um die Quellen des harten Rocks im Blues wissen, wobei sich das hier auf eine bestimmte Spieltechnik fokussiert, die ansonsten in der sehr klaren und hellen Melodik eher selten zutagetritt. Der Song überrascht zudem mit einem hymnischen, zum Fahneschwenken animierenden Vorschlußteil, an dessen Einbindung man sich erst ein wenig gewöhnen muß. Mit „La Mano De Dios“ zeigt das Quintett, daß es auch das Genre der klassischen Powerballade beherrscht, nachdem in „El Bastón Del Diablo“ ja nur der erste Teil im balladesken Gestus gehalten gewesen war. Hier schneidet die Leadgitarre dann auch das noch so verstockte Zuhörerherz genüßlich in Scheiben. „Atlántida“ hingegen kommt im Speedtempo zum Zuge, überrascht allerdings erneut zum einen mit bluesigen Anklängen im Solo und mit einem in diesem Falle in einem mäßigen Galopp vorwärtskommenden Vorschlußteil, der rein tempotechnisch, wenn auch in einer etwas anderen Gestaltung im folgenden „Drácula“ gleich nochmal wiederkehrt, unterbrochen von einem kurzen hymnischen Part. Mit „Los Diez Mandamientos“ beschließt der längste Song der Platte das Werk, allerdings ist auch er nur etwas über sechs Minuten lang – Tierra Santa waren schon immer Freunde eher kompakter Arrangements. Im Intro mit seinen Glockentönen denkt man nicht nur einmal an dasjenige zu „Hallowed Be Thy Name“ der gewissen Briten, aber wer dann ein breites schleppendes Epos erwartet, der irrt, denn wie Harris & Co. legen auch Angel & Co. den Hauptteil als speedige Nummer an, wobei die Spanier auf einen großen konkludierenden Refrain verzichten – trotz der markanten „Ah-ah“-Backings gerät dieser Part eher wenig eingängig, und der Maiden-Gedächtnispart nach Minute fünfeinhalb wirkt auch ein wenig angeklebt, wenngleich er für sich betrachtet natürlich klasse ist, aber nur leider etwas einfallslos ausgeblendet wird. Das macht aber nichts und schmälert die Freude am Hören dieses frisch und munter von der Leber weg musizierten Albums nicht. Wem die späteren Werke von Tierra Santa ein wenig zu routiniert und kontrolliert vorkommen, der könnte hier etwas für seinen Geschmack finden.

Roland Ludwig
Trackliste
| 1 | La Profecía | 1:11 |
| 2 | Séptima Estrella | 3:55 |
| 3 | La Cruzada | 4:33 |
| 4 | El Bastón Del Diablo | 5:18 |
| 5 | Reconquista | 4:02 |
| 6 | Legendario | 4:49 |
| 7 | La Mano De Dios | 4:37 |
| 8 | Atlántida | 3:36 |
| 9 | Drácula | 3:57 |
| 10 | Los Diez Mandamientos | 6:28 |
Besetzung
Arturo (Git)
Oscar (Keys)
Roberto (B)
Iñaki (Dr)
So bewerten wir:
| 00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
| 06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
| 11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
| 16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
| 19 bis 20 | Überflieger |

