Reviews

Full Force

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Info
Musikrichtung:
Power Metal
![]() VÖ: 23.09.2022 ![]() (SAOL) ![]() Gesamtspielzeit: 42:45 ![]() Internet: ![]() http://www.facebook.com/silentknightband |

Nein, still ist dieser Ritter ganz und gar nicht, weder die Mixtur aus Terminator und Gandalf, die da auf dem Cover des Albums etwas skeptisch dreinblickt, noch die australische Band, die mit Full Force immerhin schon das vierte Album seit der 2009 erfolgten Gründung vorlegt. Dass Sagas Albumdrittling bei der Bandnamensgebung eine Rolle gespielt haben könnte, erscheint schon nach den ersten Sekunden des Openers „Blood In The Water“ eher zweifelhaft: Wir hören fetten, treibenden und trotzdem melodisch elegant bleibenden Power Metal mit sanfter teppichartiger Keyboarduntermalung, aber klarem Fokus auf der Gitarrenarbeit. Dass das Quintett anno 2019 „Dethrone Tyranny“ für einen Gamma-Ray-Tributsampler eingespielt hat, paßt von der grundsätzlichen Ausrichtung her jedenfalls prima, auch wenn Dan Brittain stimmlich wenig bis nichts mit Kai Hansen gemein hat, überwiegend clean, relativ hoch und flächig singt, phasenweise aber auch unter Beweis stellt, dass er ebenso in etwas tieferen Lagen aggressiver shouten kann, wie wir etwa in der Bridge des Titeltracks hören, einer Nummer, die beherzt losspeedet, dann aber mehrfach das Tempo verschleppt und nur phasenweise zum kernig-melodischen Geflitze zurückkehrt, mitten ins Solo statt dessen unerwartet einen hymnischen Gesangspart integriert – eine Kombination, an die man sich in dieser Form erst gewöhnen muß, sie aber nach einigen Durchläufen durchaus als zusammengehörig begreifen kann, so dass man Silent Knight nicht in die heute weit verbreitete Gattung von Bands stecken muß, die einfach Idee an Idee reihen und das mit schlüssigem Songwriting verwechseln. Außerdem kettet das kernige und generell recht vordergründig-aggressive Drumming von Dan Grainger, der oft und gern die Doublebass anwirft, ohne die Songs damit aber zuzukleistern, das Material wirkungsvoll aneinander – in dieser Direktheit hört man das eher selten und fühlt sich an Jörg Michael auf seinem Stratovarius-Einstand Episode erinnert, wobei die Australier mit den Finnen sonst nur peripher etwas gemein haben, sieht man vom Fakt ab, dass Leadgitarrist Cameron Nicholas Timo Tolkki in puncto Flitzefingerigkeit nicht nachsteht, im Direktvergleich aber einen Deut lockerer, sozusagen südländischer spielt, was Silent Knight in die Nähe diverser italienischer Acts rückt, deren Pathos sie aber nicht reproduzieren, sondern es diesbezüglich eher norddeutsch-kühl angehen, womit wir wieder bei Gamma Ray gelandet wären.
Obwohl das Quintett also das powermetallische Rad nicht neu erfindet, läßt es sich gar nicht so einfach kategorisieren. Vielleicht muß man das in dem Falle auch gar nicht, sondern billigt den Australiern einfach ihren eigenen Platz zu, für den es auch im eigenen Land durchaus an Vergleichen mangelt – weniger progressiv als Eyefear, weniger „altbacken“ als Pegazus, und auch Black Majesty taugen nicht als Parallele. Interessanterweise teilen sich zumindest auf Full Force Nicholas und sein Gitarrenkompagnon Stu McGill die kompositorische Arbeit brüderlich – jeder der beiden hat vier Songs beigesteuert, und beide arbeiten so aufeinander abgestimmt, dass ein großes Ganzes entsteht und man nicht ohne zusätzliche Information entscheiden könnte, von wem welche Nummer ist. Klar gibt es hier und da einige Elemente, die bestimmten Songs vorbehalten bleiben, aber das läßt keine Rückschlüsse auf die Komponisten zu. Nicholas weiß aber offenbar genau, was er seinem Leadvokalisten zutrauen kann, und schickt ihn im Refrain von „Screaming Eagle“ in schreiende Höhen wie einst Rob Halford. Freunde allzu kompakten Songwritings sind beide Komponisten offenkundig nicht – mit Ausnahme von „Dark & Mysterious Times“ kommt kein Song vor der Fünfminutenmarke ins Ziel. Große Epen verkneifen sie sich zumindest auf diesem Album aber auch – der Titeltrack ist der einzige des Oktetts, der die Sechsminutenmarke knackt. Was sie wiederum beide besitzen, ist die Fähigkeit zum Schreiben merkfähiger Refrains, über die man sich das Material prima erschließen kann – zum originalgetreuen Mitsingen muß man es halt dann wie Brittain schaffen, so hoch wie der besagte Adler zu kreischen oder den aufwärts führenden Oktavsprung in „Into Oblivion“ bewältigen. Mit „Awakening“ gibt es eine relativ geradlinige Hymne im vorwärtsdrängenden Midtempo knapp unter der Speedgrenze (und wieder phasenweise mit sehr hohem Gesang), die sich als Anspieltip für historisch orientierte Altmetaller eignet, die mit den anderen Songs wie erwähnt aufgrund einiger Tempowechsel und Motivvielfalt etwas mehr Erschließungsarbeit haben werden – und interessanterweise gehört dieser Song nicht zu den dreien, die Silent Knight vorab schon als Singles veröffentlicht haben. Dafür ist unter denen mit dem erwähnten, nur knapp vierminütigen und leichte Hardrocktendenzen einfließen lassenden „Dark & Mysterious Times“ eine auch leicht aus dem sonstigen Rahmen fallende Nummer, zudem die einzige, an der auch Brittain kreativ beteiligt war (er hat die Lyrics geschrieben und bekommt außerdem einen Credit als Co-Arrangeur neben den beiden Gitarristen). Mit „Create A New World“ schließt eine Art Mix aus Gamma Ray und Italometal Full Force auf hohem Niveau ab, wenngleich man als mitsingwilliger Hörer hier üben muß, um auch so viele Worte im Refrain unterzubringen wie Brittain. Hoffen wir, dass dieser Ritter nicht so bald still wird, sondern die Freunde des traditionellen Metals noch mit weiteren Tonzeugnissen erfreut.


Roland Ludwig

Trackliste
1 | Blood In The Water | 5:54 |
2 | Full Force | 6:21 |
3 | The Last Candle Burns | 5:38 |
4 | Dark & Mysterious Times | 3:55 |
5 | Screaming Eagle | 5:20 |
6 | Into Oblivion | 5:18 |
7 | Awakening | 5:15 |
8 | Create A New World | 5:01 |
Besetzung
Cameron Nicholas (Git)
Stu McGill (Git)
Cameron Daw (B)
Dan Grainger (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |