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Reviews

New Horizon

Conquerors


Info

Musikrichtung: Power Metal

VÖ: 14.06.2024

(Frontiers)

Gesamtspielzeit: 52:06

Internet:

http://www.frontiers.it
http://www.newhorizon.se

Einen neuen Horizont wollten sich offenkundig zwei Mitglieder der Band H.E.A.T. erschließen, als sie wie so viele Berufskollegen anno 2020 virusbedingt deutlich weniger zu tun hatten als sonst. Ergo gründeten Sänger Erik Grönwall und Multiinstrumentalist Jona Tee das Projekt New Horizon und spielten noch im gleichen Jahr die EP We Unite ein. Diese freilich blieb dem Rezensenten akustisch ebenso unbekannt wie das 2022er Full-Length-Debütalbum Gate Of The Gods – der Zweitling Conquerors stellt nun also seinen Erstkontakt mit der Musik der Schweden dar, die derweil zu 50% umbesetzt worden sind: Grönwall hatte sich zu einem vokalen Hans-Dampf-in-allen-Gassen entwickelt und vermutlich keine Zeit mehr für New Horizon, so dass sich Jona Tee statt dessen Nils Molin angelte, den man von Dynazty oder Amaranthe kennt und der an fast allen der neun neuen Eigenkompositionen textlich und an zweien auch kompositorisch beteiligt war, so dass man ihn als durchaus kreativ integriert ansehen kann, wenngleich auch sein Zeitbudget angesichts der anderen Verpflichtungen gewissen Anspannungen unterliegen dürfte.
Conquerors ist offenkundig ein zumindest loses Konzeptalbum über Eroberer im wörtlichen oder übertragenen Sinne – gleich der Opener „Against The Odds“ handelt von Julius Cäsar und seiner Überschreitung des Rubikon, während der Held von „King Of Kings“ die Menschen um ihn auf andere Weise erobert, denn es handelt sich um Jesus Christus. Auch ansonsten gibt es geographisch keine Grenzen: „Daimyo“ entführt uns ins Land der aufgehenden Sonne und „Apollo“ sogar ein Stück der Sonne näher, also in die Geschichte der Raumfahrt. Neben konkreten Personen bzw. Projekten geht es aber auch um allgemeinere Fragen der Eroberung und der damit verbundenen Gefahren, etwa in „Fallout War“, das sich auf keinen bestimmten Atomkrieg bezieht, aber einen solchen detailliert beschreibt – und wir sind ja gerade mal wieder in einer weltpolitischen Lage, wo der Einsatz von Atomwaffen auf verschiedenen Seiten nicht mehr ausgeschlossen erscheint.
Zu solchem Stoff würde musikalisch Epic Metal passen, aber New Horizon haben sich für Power Metal entschieden, und zwar für solchen der Euro-Welle in den frühen Nullerjahren. Ob die beiden ersten Tonzeugnisse anders klangen als Conquerors, kann der Rezensent wie bekundet nicht sagen, aber zu vermuten steht es nicht, weshalb bei Gelegenheit nur noch die Frage zu beantworten wäre, ob der mitreißende und begeisternde Gestus damals auch schon so ausgeprägt war. Jedenfalls springt einen „Against The Odds“ nach kurzem Intro förmlich an und brettert mit frischem Melodic Speed derart los, dass man sich mit einem Grinsen erinnert, wie das vor anderthalb Jahrzehnten auf dem ReinXeed-Debüt The Light in ähnlicher Form geschehen war. „King Of Kings“ senkt das Tempo nur geringfügig, und dass hier in einem Zwischenspiel ein klassischer Orgelprinzipal erklingt, stellt angesichts des hier besungenen Helden sicher keinen Zufall dar (wenngleich die Orgel erst im späten Mittelalter Einzug in die Kirchenmusik hielt). Tee hat aber nicht nur ein Gefühl für Dramatik und Dynamik, sondern auch fürs Schreiben hochgradig merkfähiger und dennoch nicht platter oder ausgelutschter Refrains – dafür finden sich unter den neun Eigenkompositionen gleich eine Handvoll Beispiele, die sich im Ohr festsetzen und dort so schnell nicht wieder zu entfernen sind. Und für den Dynamikfaktor mag folgende Beobachtung als Exempel dienen: In Song 5, „Apollo“, beginnt man sich zu fragen, ob denn nochmal so ein alles niederreißender Speedpart wie im Opener kommt – und prompt flitzt der bisher im Sabaton-Stil stampfende Song nach dem Herunterzählen des Start-Countdowns in der Songmitte plötzlich los, um die Geschwindigkeit der Rakete musikalisch abzubilden. Am anderen Ende des Spektrums steht die Ballade „Before The Dawn“, auch eine Eigenkomposition und kein Judas-Priest-Cover, für die Molin seine Kollegin Elize Ryd von Amaranthe mitgebracht hat. Hier muß man sich tatsächlich erst etwas hineinhören, bevor einem klarwird, dass das Intro mit Absicht sehr klischeehaft ausgefallen sein dürfte.
Will man Vergleichsbands heranziehen, kann man außer den bereits Genannten auch weiter in Skandinavien bleiben, könnte sich anhand des stark ausgeprägten sinfonisch-orchestralen Elements aber auch in Italien umtun – unter Power Metal darf man also hier nicht so etwas wie Metal Church verstehen. Für diesbezügliche Puristen sind New Horizon also nur sehr bedingt geeignet. Wer sich aber beispielsweise eine härtere Version von Narnia vorstellen kann, der liegt hier goldrichtig, zumal sich auch die Stimmfarben von Molin und Christian Liljegren etwas ähneln. Ein weiterer Vorteil: Tee spielt zwar fast alle nötigen Instrumente, aber nicht Schlagzeug – und er hat der Versuchung widerstanden, einen Drumcomputer einzusetzen, sondern mit Georg Härnsten Egg einen Gastdrummer verpflichtet, so dass das Schlagzeug auf dem Album für die erwähnten Puristen zwar immer noch zu modern klingen dürfte, aber der Grundeindruck der Sterilität von vornherein vermieden werden kann. Für je zwei Gitarrensoli sind außerdem noch Love Magnusson, Daniel Johansson und Laucha Figueroa gasthalber an Bord.
Nach den neun Eigenkompositionen bietet Conquerors noch eine Coverversion – und was würde sich für ein Konzeptalbum dieser Thematik besser eignen als „Alexander The Great (356-323 B.C.)“? Molin und Tee gebührt zunächst Lob für den Mut, sich an diesen Song herangewagt zu haben, einen der kaum je gecoverten aus dem Schaffen von Iron Maiden, aber ihr bester und auch im Gesamtüberblick der ganzen Metalwelt eine der stärksten Kompositionen, die je ein Hirn in diesem Sektor erdacht hat. Die beiden hatten offenkundig einen gehörigen Respekt vor dem Original – strukturell haben sie rein gar nichts verändert, sondern den Song so originalgetreu wie möglich umgesetzt, und daran taten sie gut, denn wenn sie mal abgewichen sind, bleibt das Original im Direktvergleich Sieger. Typisches Beispiel hierfür ist das gesprochene Intro, das in der Maiden-Fassung viel majestätischer klingt, und auch Nicko McBrains militärisches Drumming besitzt noch zusätzlich einen spielerisch-schwerelosen Effekt, dem der New-Horizon-Gastdrummer zwar nahekommt, den er aber nicht hundertprozentig reproduzieren kann, wobei der Unterschied nur klein ausfällt. Gäbe es das Original nicht, würde man die New-Horizon-Fassung als Geniestreich ansehen, und auch in Kenntnis des Originals bleibt Hochachtung für diese Umsetzung, zumal auch Molin den Gesangslinien von Bruce Dickinson keine Schande macht.
So rahmen die beiden stärksten Nummern Conquerors, wobei auch die inneren acht jede Menge Hörspaß machen und den Liebhaber der beschriebenen Stilistik eigentlich im Sturm erobern können müssten.



Roland Ludwig

Trackliste

1Against The Odds4:31
2King Of Kings4:57
3Daimyo4:51
4Shadow Warrior5:02
5Apollo6:03
6Fallout War4:03
7Messenger Of The Stars4:59
8Before The Dawn4:22
9Edge Of Insanity4:26
10Alexander The Great (356-323 B.C.)8:45

Besetzung

Nils Molin (Voc)
Jona Tee (Git, Keys, B)
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So bewerten wir:

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