Reviews

Video Heroes

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Info
Musikrichtung:
Metal
![]() VÖ: 28.07.2021 ![]() (Cult Metal Classics) ![]() Gesamtspielzeit: 35:34 ![]() Internet: ![]() http://www.sonicagerecords.com http://www.facebook.com/asphaltlips |

Ein großer Videospielfreak war der Rezensent nie und ist es bis heute nicht. Dass er sich mit diversen Verwandten und einem Gymnasiums-Banknachbarn auf dem Amiga 500 in „Wikinger II“ duellierte, war noch im letzten Jahrtausend, und seither spielt er ab und zu mal eine Runde Computerskat, mehr aber nicht (auch die letzte Schachcomputerpartie ist schon Jahrzehnte her). Und was unter griechischen Kids in früheren Jahrzehnten an Videospielen angesagt war, kann er noch weniger beurteilen als das, was sich in der deutschen Szene so tat.
Nun kommen Asphalt Lips aus Griechenland, nennen ihr erstes Album Video Heroes und sollen, so die strukturelle Information, ihre neun Songs tatsächlich als Verbeugungen vor griechischen Videospiel-Klassikern verfaßt haben. In welcher Ausprägung sich dieser Aspekt inhaltlich Bahn bricht, also ob nur in den Songtiteln bzw. den Lyrics oder auch in der Übernahme konkreter musikalischer Motive aus den Sounds der Spiele, muß jemand analysieren, der sich besser mit dieser Materie auskennt. Die Illustrationen im Booklet helfen nur bedingt weiter. Zum einen taucht das Mädel, das auf dem Cover ohne Helm einhändig Motorrad fährt und in der freien Hand eine mit dem Bandnamen beschriftete Videokassette hält, im Booklet gleich neben den Lyrics zu mehreren Songs auf, und zum zweiten geht es im Text zu „The Champion“ um Wrestling, während auf dem Bild neben den Lyrics ein Basketballkorb prangt – „Basketball Star“ heißt aber erst der vierte Song, neben dem aber wiederum das Covermädel mit der Videokassette zu sehen ist.
Bleibt die Grundfrage zu klären, ob die 35 Minuten von Video Heroes auch ohne die Durchdringung des textlichen Konzepts genießbar sind. Die Antwort ist ein klares Jein, und das hat mehrere Gründe. Asphalt Lips sind nur ein Duo aus Sänger John „Stormrider“ Skandalis und Giorgos Liapis, der die Saiteninstrumente eingespielt und den Drumcomputer programmiert hat. Letztgenannter stellt den ersten Knackpunkt dar, da man deutlich hört, dass hier kein Mensch trommelt, und das ist bei traditionellem Metal, wie ihn das Duo fabriziert, fast immer hochgradig gefährlich. Der Baß wiederum ist so weit in den Hintergrund gemischt, dass man sein Vorhandensein kaum bemerkt. Der Sound kann somit, wenn man ein nicht zu unfreundliches Wort benutzen will, bestenfalls als eigenproduktionskompatibel bezeichnet werden (und eine Quasi-Eigenproduktion ist das auch tatsächlich, die dann von Cult Metal Classics übernommen und in einer 500er Auflage auf CD gepreßt worde). Wenn die Songideen und die Umsetzungen begeisternd wären, könnte man darüber ja hinwegsehen, aber dort lauert das zweite Problem. Die beiden haben das Songwriting aufgeteilt, und zwar so, dass es einige Gemeinschaftswerke gibt, aber jeder auch einzelne Songs allein beigesteuert hat. Der Vokalist liefert das eröffnende „Salto Mortale“ und legt seine Gesangslinie so weit von den instrumentalen Vorgaben entfernt an, wie man es im US-Metal um die Jahrtausendwende nicht selten hörte, dort aber gekonnt und mit Absicht, während es hier einen unfertigen Eindruck hinterläßt. Dieses Problem zieht sich aber durch viele Songs, und Liapis kann zwar mit durchaus ansprechender Instrumentalarbeit kontern, aber Bäume reißt er auch nicht aus. Klar, ein paar gute Ideen fließen hier schon ein, etwa die Maiden-angelehnten Eingangsmotive von „The Champion“ und „Hooligans“ oder das Akustikintro von „The Cops Sell The Heroin“ mit seiner Polizeisirene im Hintergrund – aber das bleiben im wesentlichen Strohfeuer. Letztgenannter Song fällt strukturell aus dem Rahmen, indem die Sirene auch weiterhin als Stilmittel eingesetzt wird und der Vokalist hier phasenweise in eine Art Sprechgesang verfällt, während er den Chorus in klassischer Thrash-Manier shoutet, wobei das relativ rabiate Riffing die härtere Richtung wirkungsvoll unterstützt. Ansonsten hebt sich noch das schleppend anhebende und dann recht tempovariable „Footsteps Of Death“ aus dem Material heraus, da Asphalt Lips hier ab Minute 2:40 plötzlich in Black Metal (!) umschalten, also richtig mit Gekreisch und blastenden Drums, ehe eine halbe Minute später wieder Normalität einkehrt. Ob das irgendwas mit dem zugrundeliegenden Spiel zu tun hat, müssen wie erwähnt die Kenner entscheiden – das Motiv neben den Lyrics zeigt einen Motorradfahrer (diesmal mit Helm) und hilft bei der Erschließung nicht wirklich weiter. „Punks Do Everything“ heißt der Closer von Video Heroes, und so ein bißchen punkig wirkt er musikalisch auch tatsächlich, wenn man davon absieht, dass das ganze Album irgendwie eine Art punkigen Spirit versprüht, nur halt unabsichtlich und nicht so, dass man das als Kompliment zu werten hätte.
So bleibt eine Scheibe, die für eine bestimmte Klientel, nämlich Freunde griechischer Videospiele, gegenüber allen anderen Erdbewohnern einen Mehrwert aufweisen könnte – die anderen Erdbewohner hätten, wenn sie traditionellen Metal mögen, jedenfalls Hunderttausende reizvollerer Alternativen, wenngleich Video Heroes nicht wirklich schlecht ist und die beiden Protagonisten, wenn sie in das Korrektiv einer vollen Band eingebunden wären, vielleicht durchaus zu Besserem in der Lage wären. Kuriosum am Rande: Der dritte Buchstabe des ersten Wortes im Bandnamen ist das griechische f, aber die Band transliteriert sich, wie im Booklet mehrfach zu lesen, tatsächlich mit ph.


Roland Ludwig

Trackliste
1 | Salto Mortale | 5:17 |
2 | Hell Racer | 3:40 |
3 | The Champion | 3:34 |
4 | Basketball Star | 3:45 |
5 | Free Wheel | 2:26 |
6 | The Cops Sell The Heroin | 4:16 |
7 | Hooligans | 4:32 |
8 | Footsteps Of Death | 4:35 |
9 | Punks Do Everything | 3:06 |
Besetzung
Giorgos Liapis (Git, B, Dr-Programming)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |