Reviews
Mysteria
Info
Musikrichtung:
AOR / Melodic Rock
VÖ: 13.12.2024 (Metalapolis / SPV) Gesamtspielzeit: 46:06 Internet: http://www.violetband.de |
Violet sind in vielerlei Hinsicht eine erstaunliche Band: Ihr AOR atmet nicht nur zu 100 % den Sprit der Achtziger Jahre, man bekommt gleich die volle Breitseite serviert. Das war bekanntlich die Blütezeit dieses Stils – und keiner der fünf Musiker ist alt genug, um diese Ära selbst erlebt haben zu können! Das kann ich als Kind dieser Zeit wohl beurteilen! Angesichts dieser Tatsache kann ich kaum begreifen, wie den Jungs und dem Mädel das in dieser Authentizität gelingt! Bei dem Fokus auf die Refrains und dem kristallklaren Sound fühlt man sich an Dominoe und Jojo erinnert, um nur zwei nationale Vertreter zu nennen. Je genauer man hinhört, um so deutlicher wird aber auch, dass hinter der vermeintlichen Leichtigkeit jede Menge harte Arbeit steckt! Es bedarf einer enormen Kraftanstrengung aller Beteiligten, die Präsentation so unbeschwert und selbstverständlich klingen zu lassen!
Es gibt aber noch mehr zum Staunen: Die erst 2019 gegründete Formation – dem Vernehmen wurde der Grundstein auf einer Party in der Rockfabrik Ludwigsburg gelegt! - hat jetzt mit Mysteria eine Platte veröffentlicht, die wie das Debüt Illusions von 2022 das Gefühl vermittelt, in seiner Gesamtheit so gut zu sein, wie die Musiker zu dem Zeitpunkt eben waren bzw. sind. Dieses Gefühl, alles aus seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten herausgeholt zu haben, ist sehr erfüllend für jeden Künstler! Witzigerweise verraten einem das ausgerechnet die kleinen Schwächen, was ich aber überhaupt nicht schlimm, sondern ganz im Gegenteil sehr sympathisch finde! Vor allem übertreiben es Violet bei einigen der zehn Songs, speziell bei der ansonsten gelungenen Pop-Wave-Nummer „That Night“, noch mit den Refrains, wodurch sich diese ein ums andere Mal im Weg stehen und sich gegenseitig ihrer Wirkung berauben. Man sollte es nicht glauben, aber sie sind tatsächlich zu eingängig, um sich in den Hirnwindungen festzusetzen, weil jeder Refrain den des vorherigen Stückes gleich wieder aus dem Kopf verdrängt, um an seiner Stelle dessen Platz einzunehmen! Bei mir hat sich schlussendlich der Chorus von „Angelina (Talk To Me)“ durchgesetzt, aber es war ein langer und harter Kampf, bei dem der Favorit aus eben genanntem Grund ständig wechselte!
Je nach Tagesform finde ich die Musik von Violet manchmal zu keyboardlastig. Doch selbst dann gelingt es den Stuttgartern, dank jeder Menge Drive und Dynamik stets druckvoll und nicht zu verwässert zu klingen. Die Kinderkrankheiten des Debüts wurden weitestgehend ausgemerzt und die Trademarks ihres Sounds verfeinert. So klingt beispielsweise der weiblich-männliche Wechselgesang ebenso wie die Harmonien und Chöre noch ausgefeilter; obendrein ist alles besser eingesetzt – raffinierter! Auch auf das tolle Saxofon kommt zum Glück erneut zum Einsatz. Eine weise Entscheidung!
Im kompositorischen Bereich zeigt sich die Weiterentwicklung z.B. im straffen Arrangement des knapp fünfminütigen „Bad Dream“. Ich hätte dieses packende Sahnestück, in dem die Band alle ihre Stärken gebündelt zu haben scheint, um sie dem Hörer in geballter Form zu präsentieren, anstelle von „Sex In Harmony“ als Eröffnungsnummer gewählt! Allerdings hätte ich den Refrain nicht so ausgewalzt und die Schlusssequenz gekürzt. Die Lyrics auf der Platte erreichen ebenfalls noch nicht den internationalen Standard der Musik. Das kommt dann beim nächsten Mal!
Es gibt also durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber die Highlights mit Hitpotenzial überwiegen bei weitem. Besonders begeistern „Arms Around“, bei dem Bombast auf einen großen Chorus mit knalligen Drums trifft, die an Sandra (!) erinnernde Edel-Pop-Nummer „Only You“ mit ihren glitzernden Tasten und einer verführerischen Sax-Einlage sowie der „gemeine“ Ohrwurm „Mysteria“.
Eins muss mir aber mal jemand erklären: Warum veröffentlicht man das überragende Sechseinhalb-Minuten-Epos „Calling For You“ im Mai 2024 als Single, produziert dazu sogar ein Video und packt es dann nicht mit auf das Album?! Vielleicht hatte man die Befürchtung, der Mega-Song würde sich mit der stilistisch ähnlich gelagerten Schlussnummer „If I Had You“ und ihrem phantastischen Chor ins Gehege kommen. Wohl dem, der es sich erlauben kann, auf so ein Superstück zu verzichten!
Mit ihrem Zweitwerk „Mysteria“ haben sich Violet in fast allen Bereichen um mindestens eine Klasse verbessert! Daher hochverdiente 17 Punkte für dieses AOR-Juwel!
Michael Schübeler
Trackliste
1 | Sex In Harmony | 4:18 |
2 | Angelina (Talk To Me) | 4:50 |
3 | Bad Dream | 4:58 |
4 | That Night | 4:14 |
5 | Only You | 5:03 |
6 | Arms Around | 5:37 |
7 | I Don´t Want To Fall In Love | 3:41 |
8 | Mysteria | 4:09 |
9 | Eighteen In Love | 4:14 |
10 | If I Had You | 5:02 |
Besetzung
Manuel Heller (Guitar)
Eric Hart (Bass)
Maurice Probst (Drums)
Filip Kuzanski (Keyboards)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |