····· Savatage nach 23 Jahren wieder live auf Europa-Tour ····· Die Bio-Bauern The Inspector Cluzo spielen Öko-Rock ····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Jack Starr

Out Of The Darkness


Info

Musikrichtung: Melodic Metal

VÖ: 16.06.2023 (1984)

(High Roller)

Gesamtspielzeit: 35:41

Internet:

http://www.hrrecords.de

Bei dieser Scheibe handelt es sich um ein strukturelles Kuriosum. 1984 erschien Gone With The Wind, das Debüt-Soloalbum von Rhett Forrester, und im gleichen Jahr kam Out Of The Darkness heraus, das Debütalbum von Jack Starr. Was das Ganze nun kurios macht, ist der Fakt, daß auf beiden Scheiben zu drei Vierteln die gleichen Musiker zu hören sind: Rhett Forrester, gerade mit dem Zerfall von Riot konfrontiert, singt. Als Rhythmusgruppe haben wir Bassist Garry Bordonaro und Drummer Carl Canedy, die ebenjenen Job vorher bei The Rods erfüllten. Einziger Unterschied ist letztlich, daß auf Forresters Scheibe Paul Kayen klampft, während auf Starrs Scheibe Starr, der sich gerade mit David DeFeis um die Namensrechte an den von ihm gegründeten Virgin Steele stritt, natürlich selber die Sechssaitige bedient.
Noch kurioser wird die Sache, wenn man die Liner Notes im ebenfalls bei High Roller erschienenen Re-Release von Gone With The Wind liest, die sich aus einem Interview von Matthias Mader mit Carl Canedy speisen – und würde das dort zu Lesende strukturell alles so stimmen, dann dürfte es Out Of The Darkness gar nicht geben, weil sich Canedy und Forrester dann erst im Flugzeug nach Frankreich kennengelernt hätten, wo sie mit Starr als New York All Stars einige Gigs spielen sollten. Canedy ist aber Co-Produzent von Out Of The Darkness, und es erschiene merkwürdig, daß er und Forrester sich im Studio nie getroffen hätten – das wäre heute zwar nicht ungewöhnlich, aber wir schreiben 1984, als noch niemand Worte wie „Zoomcall“ oder „WeTransfer“ kannte. Da sich Forrester und Starr in Frankreich aber zerstritten haben sollen, müßte eine gemeinsame Scheibe dann wirklich schon vor dem Abflug gen Europa aufgenommen worden sein, und zwar in US-Studios.
Sei’s drum – High Roller haben Out Of The Darkness anno 2023 re-releast, der Rezensent besitzt diesen Re-Release, und damit steht für ihn fest, daß die Scheibe wirklich existiert. Das Booklet wirft diesmal keine weiteren Fragen auf, denn in Umkehrung der Lage von Gone With The Wind sind hier alle Lyrics enthalten und auch ein paar historische Dokumente, aber keine Liner Notes – und die strukturellen Angaben bestätigen die obenstehende These, denn die beiden Studios, in denen das Material aufgenommen wurde, liegen an der US-Ostküste. Fest steht jedenfalls, daß, wer die eine Scheibe mag, sich unbedenklich auch die andere holen kann, obwohl es einen grundlegenden Unterschied gibt: Während sich Forrester seinem Material klar von der hardrockenden Seite näherte, ist Starrs Material stärker im Metal verwurzelt, wenngleich schon der Opener „Concrete Warrior“ klarmacht, daß Starr von den besagten Wurzeln her wiederum einen Schritt in Richtung Hardrock macht. Aber sein Gitarrenspiel kommt hier nicht ganz so stark aus dem Blues, sondern weist der „Entbluesung“ des Hardrocks während der Achtziger den Weg (die dann erst in der Sleaze-Ära und durch die Auferstehung von Aerosmith wieder rückgängig gemacht wurde), und es steht auf den neun bzw. beim Re-Release zehn Songs generell etwas stärker im Vordergrund als im Forrester-Material – nicht zufällig sind gleich drei Instrumentalstücke dabei: „Scorcher“ verzichtet auf alle anderen Instrumente außer Starrs Gitarre, „Odile“ ist ein eher besinnliches klassisches Instrumental aus der Michael-Schenker-Schule und der Bonustrack „Amazing Grace“ tatsächlich eine Coverversion dieses Traditionals mit dominierender Leadgitarrenmelodie über sphärischem Background, allerdings in unerquicklicher Kürze. Gerade wenn man sich so richtig eingewöhnt hat, ist das Stück nämlich schon wieder zu Ende, während „Odile“ tatsächlich volle Songlänge hat und die Kürze von „Scorcher“ gut bemessen ist.
Interessant ist eine weitere Forschungsfrage: Laut einem Interview von Tina Ehmke mit David DeFeis aus dem Jahr 1995 singt DeFeis auf Out Of The Darkness Backing Vocals – in der Personalliste angegeben ist er freilich nicht. So bliebe als Option, daß er sich hinter dem Pseudonym „Laura Kaye“ verbirgt, die „Vocal Harmonies“ in „Can’t Let You Walk Away“ und „Eyes Of Fire“ singt – oder er ist „Emma Zale“, die Co-Sängerin und Chorleiterin in „False Messiah“ sein und außerdem noch Klavier und (vermutlich künstliche) Streicher in „Can’t Let You Walk Away“ und „Odile“ spielen soll. Mit Pseudonymen kennt sich DeFeis ja aus (The Lion, Damien Rath, Danielle Draconis ...), also wäre keine der Optionen verwunderlich und nur die Kombination seltsam, daß er mit Starr für dessen Album kooperiert und sich zeitgleich mit ebenjenem wegen der Rechte an Virgin Steele zofft.
Man kann aber solche Betrachtungen auch außen vor lassen und sich einfach über eine blitzsaubere Melodic-Metal-Scheibe an der Grenze zum Hardrock freuen. Der knackige Opener „Concrete Warrior“ macht ähnlich viel Laune wie das tatsächlich choraufgepeppte „False Messiah“, die Ballade „Can’t Let You Walk Away“ kontrastiert zumindest in der CD-Fassung wirkungsvoll mit dem Doublebass-Speedie „Chains Of Love“ (auf der Original-LP fiel der Kontrast nicht ganz so wirkmächtig aus, da man zwischen beiden die Seite wechseln mußte), „Odile“ besitzt viel Gefühl, und „Let’s Get Crazy Again“ packt dann tatsächlich klassische Rock’n’Roll-Elemente aus, die es in knackigen Hardrock gießt und die LP mit einem Partykracher abschließt, dem die CD wie erwähnt noch eine völlig andere Stimmung mit „Amazing Grace“ hinterherschiebt, obwohl Starrs intensive Umspielung der Hauptmelodie dafür sorgt, daß das Stück nicht gar zu gefühlsduselig ausfällt. Die bisher nicht genannten Songs „Eyes Of Fire“ und „Wild In The Streets“ sind solide gutklassige, aber nicht weiter auffallende Hardrockstücke.
Die Theorie, hier sei mehr Metal drin als bei Forrester, findet ihren Ausdruck auch noch in der Tatsache, daß der Sänger hier nicht zur Mundharmonika greifen darf, was er sonst auf jeder seiner dem Rezensenten bekannten Platten getan hat – also weniger Blues bzw. Classic Rock. Nicht mal die Mitwirkung von Gary Driscoll steht dem entgegen: Der Mann, dessen Meriten in den Frühsiebzigern bei Elf lagen und der nach dem Rainbow-Debüt weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden war, trommelt in „Let’s Get Crazy Again“ und paßt stilistisch dort gut rein, aber das ist eben der entsprechende Ausreißer der Scheibe. Sein Name scheint trotzdem für noch so zugkräftig gehalten worden zu sein, daß er neben den vier anderen Musikern mit Bild auf der Rückseite vorkommt und in der Besetzungsliste gar gleich zweimal steht, unter den festen und unter den Gastmusikern (was hier im Mitwirkendenkasten nicht reproduziert worden ist, da dort die Gäste nicht angeführt werden). Oder sollte Driscoll zur festen Besetzung stoßen, wenn Canedy wegen seiner diversen Produzentenjobs nicht konnte? Egal – die Besetzung zerfiel sowieso, und auf Starrs nächsten Scheiben waren außer dem Chef selbst ganz andere Musiker zu hören, wobei das Ganze dann unter dem Bandnamen Burning Starr firmierte, was wohl den Grund darstellt, warum auf der 3-CD-Anthologie Eternal Starr mit dem Schaffensüberblick über Burning Starr kein einziger Song vom noch nicht unter diesem Bandnamen veröffentlichten Out Of The Darkness steht. Die knapp 36 Minuten sind jedenfalls, sofern man generell auf diesen Stil steht, durchaus hörenswert, wenngleich kein ganz großes Highlight. Der Pappschuber, in dem der Re-Release steckt, hat übrigens ein zusätzliches Coverartwork, auf dem sich Starr inmitten von drei etwas leichter bekleideten weiblichen Wesen aufhält, wenngleich er hier ähnlich unmotiviert in die Kamera schaut wie auf dem anderen Cover, das ihn huttragend und gitarrespielend zeigt. Des Rätsels Lösung: Das mit den drei Damen zierte ursprünglich die französische Pressung von Axe Killer Records, war den Amerikanern und Japanern aber wohl zu freizügig, weswegen die Scheibe dort mit dem gitarrespielenden Hutträger als Cover erschien.
Wer den 2013er Re-Release von Out Of The Darkness via Limb Music besitzt, kann sich den Neuerwerb sparen und wird zudem volumenseitig besser bedient: Neben „Amazing Grace“ enthält diese Version nämlich noch sechs weitere Boni, von denen fünf instrumental bleiben und vom 1990er Soloalbum Starrs, A Minor Disturbance, stammen. Das seinerseits ist 2018 mit vier Bonustracks wiederveröffentlicht worden, und einer der vier ist nun wiederum „Amazing Grace“ ...



Roland Ludwig

Trackliste

1Concrete Warrior4:17
2False Messiah5:40
3Scorcher1:52
4Wild In The Streets2:34
5Can’t Let You Walk Away4:52
6Chains Of Love3:30
7Eyes Of Fire2:46
8Odile4:44
9Let’s Get Crazy Again3:26
10Amazing Grace

Besetzung

Rhett Forrester (Voc)
Jack Starr (Git)
Garry Bordonaro (B)
Carl Canedy (Dr)
Gary Driscoll (Dr, 9)
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger