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Reviews

Gluck, Ch. W. u. a. (Van Mechelen, R.)

Legros. Haute-Contre de Gluck


Info

Musikrichtung: Frühklassik / Oper

VÖ: 06.10.2023

(Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 992)

Gesamtspielzeit: 72:19

MIT VOKALEM SCHMELZ UND EMPFINSAMKEIT

Im dritten Teil ihrer Haute-Contre-Trilogie widmen sich Reinoud van Mechelen und sein Ensemble „A Nocte Temporis“ der Ära des hohen Tenors Joseph Legros, der seit den 1760er Jahren die französische Opernbühne eroberte. Seine ersten Erfahrungen sammelte der vom zeitgenössischen Publikum sehr geschätzte Sänger noch als Interpret von Werken Rameaus und Mondonvilles (beide sind hier einmal nicht vertreten).
Seine späteren großen Erfolge feierte Legros aber in Glucks Opern, wo er sich sowohl darstellerisch wie sängerisch noch einmal im Sinne der vom Komponisten geforderten Wahrhaftigkeit des Ausdrucks weiterentwickelte (was nicht ganz ohne Konflikte um den rechten Ton abging). Legros etablierte sich damit an der Schwelle zweier Epochen, dem virtuos-verspielten Rokoko einerseits und der frühen Klassik mit ihrem neuen Pathos und Ernst andererseits.
Legros‘ Tod 1793 markiert zugleich eine doppelte Zäsur: Das Ende des Ancien Regimes, das in der Französischen Revolution unterging, wie auch den Abschied vom französischen hohen lyrischen Tenor, der über ein Jahrhundert in den Hauptrollen die Opernbühne beherrscht hatte.

Das vorliegende Programm setze Legros‘ Kunst ein Denkmal. Neben Gluck finden sich auf der Platte zahlreiche Komponisten, die weitgehend vergessen sind, allerdings seinerzeit das Repertoire bestimmten und keineswegs nur Nebensächlichkeiten zu Papier gebracht haben, wie Jean-Benjamin de la Borde, Pierre-Montan Berton, Jean-Claude Trial oder auch Legros selbst. Frühklassische Komponisten wie Francois-Joseph Gossec und Andre-Ernest-Modeste Gretry sind heute noch bekanntere Vertreter ihrer Zunft. Niccolo Piccinni ist praktisch nur noch als Rivale Glucks in Erinnerung geblieben, während Johann Christian Bach als „missing link“ zu Mozart seinen Platz in der Musikhistorie hat (und hier lediglich mit einem kurzen Instrumentalstück aus „Amadis de Gaule“ vertreten ist).

Reinoud van Mechelen widmet sich diesem durchaus diversen Programm mit seiner sehr schönen perlmuttschimmernden, delikat geführten Tenorstimme, die ihn nicht umsonst zu einem der führenden Interpreten für Haute-Contre-Partien gemacht hat. Sensitivität und Emphase waren seit jeher Kennzeichen seiner Kunst, weniger Extroversion oder virtuose Stunts (auch wenn seine Stimme leichtgängig ist und Koloraturen mühelos bewältigt). Entsprechend überzeugt er am stärksten in elegisch-dramatischen Partien wie zuletzt in der Hauptrolle von Rameaus „Zoroastre“ oder als David in Marc-Antoine Charpentiers geistlicher Oper. In den ruhigeren Partien kann er auch sein herrliches Messa die voce bewegend einsetzen.

Auf der neuen Platte ragt sicherlich seine Interpretation von Glucks Orpheus-Partie zwischen innigem Klagen und elysischer Glückseligkeit heraus. Auch sonst bewegt sein verinnerlichter Ausdruck und die Kunst, den melodischen Schmelz der Vorlagen zur Entfaltung zu bringen, z. B. im flehentlichen Gebet an Amor aus Trials „La Fète de Flore“. Dramatischer ist hingegen der Ausschnitt aus Piccinis "Atys" - wobei van Mechelen auch hier immer einen noblen Ton wahrt.

Van Mechelens eigenes Orchester begleitet einfühlsam unter der Leitung des Sängers. Es bietet erdig-gedeckte Farben und gerundete Akzente, ergänzt zudem das Programm um ausgewählte Tänze und Ouvertüren. Die „neue Einfachheit“ dieser Musik des Übergangs klingt bei „A Nocte Temporis“ trotz der oft konventionellen Formeln erfreulich wenig trivial.



Georg Henkel

Trackliste

Jean-Claude Trial: Arien aus "La Fete de Flore"
Christoph Willibald Gluck: Arien aus "Iphigenie en Aulide", "Orphee et Eurydice", Iphigenie en Trauride"
Francois-Joseph Gossec: Arien aus "Alexis et Daphne"
Andre-Ernest-Modeste Gretry: Arien aus "Cephale et Procris"
Joseph Legros: Arien aus "Hylas et Egle"
Niccolo Piccinni: Arien aus "Atys"
Johann Christian Bach: Arien aus "Amadis de Gaule"

Besetzung

Reinoud van Mechelen, Tenor & Leitung

A Nocte Temporis
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