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Reviews

Bruckner, A. (Järvi, P.)

Sinfonie Nr. 8 (Novak 1890)


Info

Musikrichtung: Romantik / Sinfonik

VÖ: 08.09.2023

(Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 987)

Gesamtspielzeit: 81:36

OHNE GRENZWERTE

Mit der weiteren Aufnahme einer Bruckner-Sinfonie stimmt sich Paavo Järvi mit dem Tonhalle-Orchester Zürich auf das Bruckner-Jubiläum 2024 ein. Dieses Mal steht das zerklüftete Riesenmassiv der 8. Sinfonie auf dem Programm, die den unsinnigen Beinahmen „Apokalyptische“ trägt – denn es geht darin nun wirklich nicht um das, was man landläufig als „Weltuntergang“ bezeichnet, auch wenn das Werk wahrlich viele Extreme durchmisst. Im ursprünglichen Sinn bedeutet „Apokalpyse“ „Enthüllung“ – enthüllt wird freilich sehr viel, vor allem grandiose Musik.

Järvi, der bereits vor mehr als einem Jahrzehnt einen kompletten Bruckner-Sinfonien-Zyklus mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt (RCA) vorgelegt hat, kehrt mit dieser Neueinspielung zu Bruckners letzter vollendeter Sinfonie zurück. Seine neue Deutung ist im Ganzen einige Minuten langsamer als Järvis Erstling, lediglich das Scherzo hat nahezu die gleiche Dauer. Die Aufnahme besticht durch viele trefflich herausgearbeitete instrumentale Details und die Klarheit von Bruckners reinen Orchesterfarben. Das Orchester bietet dem Dirigenten eine reiche Palette an lyrischen (Streicher) oder strahlenden (Blech) Farben, ohne zu große Schärfen und Kanten, ohne extremes Gleißen und Nachtschwärze. Järvi scheint es bei seiner neuen Deutung mehr um die Zwischentöne zu gehen.

Während die ältere Interpretation im Vergleich strenger und nach vorne drängend angelegt ist, die Musiker:innen gleichsam immer den finalen Gipfel dieses Monumentalwerks im Blick haben, gibt es nun mehr Innehalte, sprich Tempodehnungen, die den Spannungsverlauf z. B. im ersten Satz nach den ersten fünf Minuten unerwartet unterbrechen. Solche „disruptiven“ Momente finden sich häufiger, so als zögere der Dirigent angesichts der auch furchterregenden Wildheit, ja Gewalt der Musik, die bis zum Ende des Satzes nicht so recht zum Vorschein kommen mag.

Beim Scherzo betont Järvi die Tempokontraste zwischen dem rasch genommenen Eröffnungsteil und dem idyllisch und, ja geradezu elegant, aber einmal nicht rustikal-polternd dargebotenen Trio. Das erste Tempo mag zunächst gewöhnungsbedürftig sein, aber die Musik hebt fast ab, etwas, das man bei Bruckner nicht erwartet hätte: eine wirklich erfrischende Perspektive auf die Musik.
Geschmeidig singend entfaltet sich das Adagio. Das Finale „schwankt“ wieder wie der Eröffnungssatz. Närvi weiß, wie man den Klang sich groß entfalten lässt, er riskiert aber bei aller Bewegtheit und Profilierung keine allzu tiefen Blicke in die Abgründe, jenseits derer die große Finalapotheose erst ihren höheren dramaturgischen Sinn erhält.

So hat man hier sicher eine ausgefeilte Produktion, die aber hier und da ausgebremst wirkt und Bruckner nicht so existentiell auflädt, wie die monolithischeren und „eckigereren“, dafür die unheimlichen Grenzwerte mehr auskostenden Deutungen der älteren Dirigenten-Generation. Karajan, Giulini oder Wand haben der Musik mehr vom Dunkelromantischen und Himmelsstürmerischen zugestanden.



Georg Henkel

Besetzung

Tonhalle Orchester Zürich

Parvo Järvi, Leitung 
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