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Reviews

At The Gates

To Drink From The Night Itself


Info

Musikrichtung: Melodic Death Metal

VÖ: 18.05.2018

(Century Media)

Gesamtspielzeit: 44:48

Internet:

http://www.atthegates.se

Die dreieinhalb Alben der ersten Schaffensperiode von At The Gates gelten als stilprägend für den melodischen Death Metal, wenngleich die schwedische Formation auf dem Debütalbum The Red In The Sky Is Ours auch noch Ansätze in Richtung dessen, was späterhin als progressiver Death Metal bezeichnet wurde, aufwies, indem sie die relativ komplizierten Arrangements partiell noch mit einem Geiger bereicherte, der ab dem Zweitling allerdings wieder verschwunden war, die Musik wiederum stärker aus dem klassischen Metal schöpfen lassend, was dann spätestens mit dem letzten Album dieser Phase, Slaughter Of The Soul, eine der Blaupausen des Melodeath ergab. In Formationen wie The Crown oder The Haunted blieben die Mitglieder auch nach der Auflösung der Band szeneaktiv, bis sie sich wie so manche andere Kultband früherer Tage wieder zusammentaten, 2007/08 zunächst wieder live zu spielen begannen (sogar in genau der gleichen Besetzung wie zum Ende der ersten Aktivitätsphase), aber bei einem nächsten Anlauf ab 2014 dann auch neues Material aufnahmen, und das zweite Werk der neuen Schaffensperiode liegt nun einen Besetzungswechsel später mit dem Album To Drink From The Night Itself vor (justament ist auch schon das dritte neue, The Nightmare Of Being, herausgekommen, hat es allerdings noch nicht an die Tore der hiesigen heiligen Hallen geschafft).
Nun haben At The Gates naturgemäß das Problem, dass die von ihnen angestoßene Entwicklung in den knapp zwei Dekaden ihrer songwriterischen Inaktivität von Tausenden anderen Bands weiterverfolgt und bis in alle denkbaren Ecken ausgeleuchtet wurde. Das wissen die Schweden natürlich, und deshalb versuchen sie auch gar nicht erst, auf Krampf irgendetwas Innovatives auf die Beine zu stellen. Liest man die Besetzungsliste und entdeckt dort unter den Gästen einen Geiger, einen Cellisten und einen Kontrabassisten, könnte zwar der eine oder andere hoffen, die Linie des Debütalbums würde wieder stärker aufgegriffen, aber nach Durchhören der Dreiviertelstunde ist man schlauer: Die Streicher setzen Farbtupfer z.B. im Klavierintro oder den Akustikbreaks von „Daggers Of Black Haze“ oder im langen Outro des Albumclosers „The Mirror Black“, aber tragende Wirkung entfalten sie letztlich nicht, und das eigentümlich betitelte anderthalbminütige Albumintro „Der Widerstand“ besteht letztlich auch nur aus Gitarren und Orchesterkonserven. Die Gitarrenharmonik weist dort allerdings in eine interessante Richtung, nämlich zu Fates Warning in den frühen Ray-Alder-Zeiten, und das ist einer der interessanten Einfälle, mit denen diese erfahrenen Musiker ihre heutigen Songs spicken, wissend, dass man ihnen weder eine simple Repetition der alten Tugenden noch die verzweifelte Suche nach Neuerungen abnehmen würde. Sie machen also einfach das, was sie damals selber miterfunden haben, setzen hier und da aber kleine Verfeinerungen ein. Dabei stehen sie freilich vor dem Problem, dass nicht jede Kombination von unterschiedlichen Songparts so funktioniert wie erhofft. Das geht schon im Titeltrack los, in dem Drummer Adrian Erlandsson in den Rahmenteilen Hochgeschwindigkeit abliefert und auch das Break nach Strophe 1 noch erschließbar ist, nach Strophe 2 aber ein solistischer und abgestoppter Drumpart den ganzen Song ins Stolpern bringt, so als habe sich der nächtliche Trinker verschluckt und müsse jetzt alles aushusten. Überhaupt werden Speedfreaks mit der Scheibe nicht glücklich: Alles niederreißende Hochgeschwindigkeit bleibt immer nur auf einzelne Passagen beschränkt oder verliert wie in „A Labyrinth Of Tombs“ oder „In Death They Shall Burn“ seine niederreißende Wirkung durch Grundrhythmusunterschiede zwischen Saiteninstrumenten und Drums, wohingegen „The Colours Of The Beast“ über weite Strecken sogar am Doom kratzt und sich generell etliches an klassischen Stampfpassagen findet, die während der Szeneabwesenheit der Band von den Landsleuten Amon Amarth zur Perfektion gebracht wurde. So manches doppelläufige Riff der Herren Larsson und Stålhammar (letzterer der erwähnte Neuzugang auf dem Album, nachdem der eine der beiden Björler-Zwillinge ausgestiegen ist) hätten die Herren Mikkonen und Söderberg auch nicht wesentlich anders gestaltet, und „Palace Of Lepers“ stellt einen der besten Amon-Amarth-Songs dar, den diese bisher zu schreiben vergessen haben. Das soll keinen Vorwurf an At The Gates darstellen, zumal sie innerhalb des Grundstils durchaus gekonnt Variationen einbringen, sei es durch gelegentlichen Blueston in den Gitarren, sei es durch instrumentale Ausflüge in den progressiven Power Metal wie in „In Nameless Sleep“. Freunde des klassischen Songwritingprinzips, also der Umsetzung genau einer Songidee in genau einem Song, werden trotz der grundsätzlich recht kompakten Arrangements auf der Scheibe eher nicht glücklich, und wer vielleicht damit gerechnet hatte, dass Tomas Lindberg Redant auf seine alten Tage die Variationsbreite seines Gesangs erhöhen würde, muß seine Hoffnungen auch begraben: Der Vokalist artikuliert sich im gewohnten heiseren Shouting und hält dieses im wesentlichen auch immer in der gleichen Höhe, so dass der Gesangspart also komplett melodiefrei bleibt und an etwaigen Klargesang nicht mal im entferntesten zu denken ist. Einzig die in eine Art unheilvolles Flüstern verfallenden Breaks in „The Mirror Black“ weichen markant ab, geben dieser hochklassigen Hymne, die den wohl besten Song der Scheibe darstellt, aber in der Tat den letzten Pfiff. Schade nur, dass nach nicht mal drei Minuten schon das kammermusikalische Outro losgeht – man hat durchaus das Gefühl, die Songidee (hier wirklich mal nur eine) sei noch keineswegs allseitig ausgeleuchtet.
Bleibt nun die Frage, ob sich der Erwerb von To Drink From The Night Itself lohnt. Aus nostalgischen Gründen natürlich definitiv – aus musikalischen ist die Sache verzwickter. Jenseits purer Nostalgie ist es dem Quintett erstmal hoch anzurechnen, ein gutklassiges, wenn auch nicht überragendes Melodic-Death-Album zustandegebracht zu haben und den alten Standard zwar nicht ganz zu halten, aber ihm zumindest keine Schande zu machen. Dass nicht jede neue Idee so funktioniert wie erhofft, kam zur Sprache, aber dass in puncto Spieltechnik und Spielfreude ebensowenig Abstriche gemacht werden müssen wie beim Sound, sorgt für positive Punkte, wohingegen die Gestaltung mit kontrastbedingt kaum erkennbaren mythologischen Motiven wiederum eher lieblos wirkt. So haben At The Gates letztlich das Problem, dass das, was sie hier machen, beim Genrefreund überwiegend schon hundertfach in der Kollektion steht und es unterm Strich an Argumenten fehlt, wieso man auch noch Platte Nr. 101 danebenstellen soll, vom Nostalgiefaktor und der soliden Grundqualität abgesehen. Vielleicht erschließt sich zumindest der Titeltrack aber von der Livesituation her – der Songtitel ist in einer mitshoutbaren Passage untergebracht, die sich bestens zur Interaktion mit dem Publikum eignen dürfte. Zudem braucht die Platte einige Durchläufe, um wenigstens partiell zu zünden, obwohl sie gar nicht mal übermäßig kompliziert strukturiert ist. So könnte sie vielleicht gerade für diejenigen Hörer, denen Amon Amarth mittlerweile zu ausrechenbar sind, interessant werden.



Roland Ludwig

Trackliste

1Der Widerstand1:28
2To Drink From The Night Itself3:30
3A Stare Bound In Stone4:08
4Palace Of Lepers4:05
5Daggers Of Black Haze4:42
6The Chasm3:21
7In Nameless Sleep3:37
8The Colours Of The Beast3:50
9A Labyrinth Of Tombs3:30
10Seas Of Starvation3:56
11In Death They Shall Burn3:59
12The Mirror Black4:42

Besetzung

Tomas Lindberg Redant (Voc)
Jonas Stålhammar (Git, Keys)
Martin Larsson (Git)
Jonas Björler (B, Ac. Git, Keys)
Adrian Erlandsson (Dr)
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So bewerten wir:

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11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
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19 bis 20 Überflieger