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Reviews

Endzustand

Roter Freitag


Info

Musikrichtung: EBM / Deutsch-Rock

VÖ: 02.04.2021

(Echozone / Bob-Media)

Gesamtspielzeit: 19:02

Als diese EP am 2. April dieses Jahres erschien, war das ein Karfreitag. Das war von Ralf Rönckendorf, der im Wesentlichen allein hinter Endzustand steht, ganz bewusst so gewollt. Denn der 2. April vor 11 Jahren war ebenfalls ein Karfreitag. Und für den aktiven Bundeswehrsoldaten war das ein echter Karfreitag. Er selbst kam zwar mit dem Leben davon als er in Afghanistan mit seiner Einheit in einen Hinterhalt geriet. Drei seiner Kameraden waren nicht so glücklich. Und auch für ihn war das Glück eher relativ. Denn er ist seit diesem Karfreitag 2010 blind.

Seine Musik hilft ihm sein Schicksal aufzuarbeiten. Davon zeugt das Album Werk des Krieges, das ein gutes halbes Jahr zuvor erschienen ist. Die EP Roter Freitag soll nun der Abschluss dieser Aufarbeitung sein.

Musikalisch folgt Rönckendorf dabei dem alten Motto Schuster, bleib bei Deinen Leisten.. Beat betonter EBM ist angesagt, der in der Regel unerbittlich nach vorne stampft. Man muss schon mit der Lupe suchen, um hier Veränderungen zu finden. Dann entdeckt man wohlmöglich, dass „Dieser Tag…“ etwas weniger aggressiv und „Schau nach vorn!“ leicht verspielt ist. Aber das sind Veränderungen mit der Mikrometerstellschraube.

Bei den Texten sieht das etwas anders aus. Sollte die EP jemals als Vinyl erscheinen, hätte sie zwei diametral gegensätzlich Seiten. Die ersten drei Titel liegen genau im Fahrwasser des Albums, nehmen auch einen Album-Titel in einer EP-Version auf. Hier steht das Leid im Mittelpunkt; zum Teil mit direktem Bezug auf Rönckendorfs Schicksalstag; mit dem „Soldatenlied“ aber auch in einer allgemeineren Beschreibung der alltäglichen Gefühlslage eines Soldaten im Kriegsgebiet.

Die zweite EP-Hälfte hat einen völlig anderen Klang. Die Hoffnung, die auf dem Album bereits vorsichtig mit dem von Cornelia G. Becker „geborgten“ Text zu „Phönix“ angedeutet wurde, steht hier im Mittelpunkt. Der Blick geht radikal nach vorn. Und wenn man das Schicksal von Ralf kennt, dann erzeugen Textzeilen wie „Hör doch endlich auf mit dem jammern, Selbstmitleid ist schwach und arm.“ eine echte Gänsehaut.

Die Texte dieser zweiten EP-Seite hat Rönckendorf sich extern schreiben lassen. Nur am finalen „Hoffnungslicht“ hat er selbst mitgetextet – und dieses Lied, das vom „Licht … in der tiefsten Dunkelheit“ spricht, liegt so nahe an der christlichen Auferstehungshoffnung, dass die EP, die am Karfreitag erschienen ist, als echte Oster-Scheibe durchgeht.

Wäre Ralf Rönckendorf, der obwohl er in seinen Texten durchaus mit religiösen Symbolen arbeitet, kein religiöser oder gläubiger Mensch ist, Christ, wäre er vielleicht auf die Idee gekommen, die EP drei Tage später zu veröffentlichen. „Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Dieser Jubelruf, der in jedem Ostergottesdienst gesprochen wird, erscheint im Kontext von Ralf Rönckendorfs Leben überzeugender als in den meisten christlichen Predigten.

Hallelujah!



Norbert von Fransecky

Trackliste

1Dieser Tag … 2:40
2Roter Freitag (EP-Version) 3:10
3Soldatenlied 3:15
4Schau nach vorn! 3:16
5Volle Kraft voraus 3:08
6Hoffnungslicht (feat. M. Korda) 3:21
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So bewerten wir:

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