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Reviews

Henry, P. (Rophé, P. - Mantovani, B. - Diakun, M.)

10. Sinfonie - Hommage à Beethoven


Info

Musikrichtung: Neue Musik - Konkrete Musik

VÖ: 04.09.2020

(Alpha / Outhere / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. Alpha 630)

Gesamtspielzeit: 74:08

BEETHOVEN-KUBIMUS

Beethovens 10. Sinfonie? Davon existieren nur ein paar Skizzen, was freilich Spekulationen befeuerte: Was wäre, wenn Beethoven sein Opus noch vollendet hätte? Wie hätte die 10. wohl geklungen?
1988 legte Barry Cooper eine einsätzige Version auf der Grundlage der vorhanden Quellen vor, die sich einen Platz im Repertoire erobern konnte.
Anders Pierre Henry: In seiner „La Dixiéme Symphonie - Hommage à Beethoven“ hat der Pionier der Musique concrète gerade nicht versucht, Beethovens ursprüngliche Idee zu realisieren. Vielmehr kreierte er eine Art Super-Sinfonie, die ausschließlich aus dem Material der neun vollendeten Beethoven-Sinfonien besteht. In Form einer gigantische Collage montierte Henry unterschiedliche Elemente aus Beethovens Sinfonien-Zyklus, den er zuvor sorgfältig analysiert hatte. Die Kompositionen wurden von ihm in zahllose rhythmische, harmonische, melodische Zellen zerlegt und nach möglichen tonalen, motivischen und anderen Zusammenhängen sortiert. Aus den Fragmenten destillierte und konstruierte Henry ein neues Werk, das 1979 als reine mehrkanalige Tonbandkomposition Premiere hatte und in der Folge in verschiedenen Versionen aufgeführt wurde. 1997 produzierte Henry noch einen Remix, bei dem er noch konkrete Alltags- und elektronische Klänge hinzumischte, die die Vorlage allerdings oft regelrecht überwucherten: Beethovens 10. Sinfonie als Hauptzutat einer „Weltmusik“, inklusive Anklängen aus der Pop- und Techno-Musik.

Pierre Henry starb 2017. 2019 nun wurde seine zu Lebzeiten nicht verwirklichte Vision einer Live-Aufführung der 10. Sinfonie für Chor und Orchester realisiert. Es entstand eine achtsätzige Suite, die möglichst alle Vorgängerversionen, ohne die Remix-Zutaten, in sich vereinigt. Wahre Heerscharen von Mitwirkenden aus zwei Orchestern und Chören werden benötigt, um das komplex verschachtelte Werk auf drei Podien aufzuführen. Henry hat nicht einfach Sinfonien-Fragmente linear hintereinander montiert, sondern kumuliert und überlagert, so dass Musik aus verschiedenen Sinfonien gleichzeitig erklingt, im Raum rotiert, um nicht zu sagen: galoppiert. Oder er lässt einzelne Abschnitte in mehrfacher Schichtung sich zu mächtigen Pattern-Wellen auftürmen. Eine kubistische Phantasmagorie, ein Beethoven-Labyrinth, in dem alles mit allem zusammenhängt; ein Sinfonienmobile, das in der vorliegenden Fassungen über verschiedene Stadien zu einem Finale mit Chor sich aufschwingt, um dann mit einem Fragment aus dem Marsch der 3. Sinfonie buchstäblich ins Leere zu laufen. Beethoven ohne donnerndes Pathos.

Das Hörerlebnis ist ebenso faszinierend wie es, auf die Dauer von über 70 Minuten, etwas ermüdend wirkt. Ist das nun eine fulminante Beethoven-Apotheose oder erlebt man nur eine weitere Vernutzung seiner genialen Musik? Die Sinfonien schienen ja schon des öfteren regelrecht „totgespielt“, manche Motive wie das berühmte eröffnente Tatata-Taaa der 5. Sinfonie sind dem kulturellen Gedächtnis so eingebrannt, dass sie sich verselbständigt haben. An dieser Grenze operiert auch Henrys Hommage: In seiner Echo-Kammer spielt Beethovens Musik mit sich selbst, in immer neuen Schleifen und Verknotungen hört man die schönsten Stellen simultan und im Schnelldurchlauf. Dabei sorgt die tonale Grundierung dafür, dass alles gut miteinander harmoniert, und Henrys Gespür für das richtige Timing und musikalische Cliffhanger sorgt für ein stetes Wechselbad von Spannungszuständen. Aber die Sätze, obschon unterschiedlich überschrieben und charakterisiert, klingen im Ganzen doch recht ähnlich mit ihrem (scheinbaren) „anything fits“. Eine gewisse Entropie macht sich schließlich breit.

Trotzdem: Auch aufgrund der präzisen, wenngleich klanglich eher milden Wiedergabe dieser Beethoven-Fantasie lässt man sich doch gerne von dem einen oder anderen Moment auf dieser CD mitnehmen auf die rauschhafte Reise durch das Beethoven-Sinfonien-Wunderland.



Georg Henkel

Besetzung

Orchestre Philharmonique de Radio France
Orchestre du Conservatoire de Paris

Choeur de Radio France
Jeune Choeur de Paris

Benoît Rameau, Tenor

Pascal Rophé, Bruno Mantovani, Marzena Diakun: Leitung
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11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
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19 bis 20 Überflieger