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Reviews

Riot

Thundersteel (30th Anniversary Edition)


Info

Musikrichtung: Melodic Speed Metal

VÖ: 30.11.2018 (1988)

(Metal Blade Records)

Gesamtspielzeit: 77:41

Internet:

http://www.areyoureadytoriot.com

Das hier ist die bereits im Review zum Thundersteel-Re-Release im Rahmen der Digisleeve-Serie von Metal Blade erwähnte Jubiläums-Edition drei Jahrzehnte nach der 1988er Erstveröffentlichung. Über die neun regulären Songs müssen nicht mehr Worte verloren werden als im genannten Review – sie bilden nach wie vor eines der besten Melodic-Speed-Alben aller Zeiten und haben auch mehr als drei Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung keine Spur von Rost angesetzt, sondern funkeln so prächtig wie am ersten Tag, überstrahlt vom brillanten Titeltrack, der seit jenen Zeiten eine Konstante in den Setlisten von Riot bzw. jetzt Riot V bildet, ohne den die New Yorker genausowenig von der Bühne gehen dürfen wie AC/DC ohne die Schnellstraße zur Hölle. Wer Genaueres zu den ersten 46 Minuten Musik dieser Veröffentlichung wissen will, kann also auf das genannte Review verwiesen werden.
Die Betrachtung der Jubiläums-Edition, die im Digipack als Doppelsilberling (eine CD, eine DVD) daherkommt, kann sich hingegen auf den hinteren Teil der CD und die DVD beschränken – aber auch hier bieten sich Verweise zu anderen Reviews bei MAS an, denn wir wollen ja schließlich Arbeitselektronen sparen. Im Frühjahr 2020, 16 Monate nach der Jubiläums-Edition, brachten Metal Blade die Raritätencompilation Rock World heraus, und dort fanden sich die beiden Alternativversionen von „Bloodstreets“ (nur geringfügige Änderungen, hauptsächlich im Songfinale) und „Buried Alive (Tell Tale Heart)“ (grundsätzliche Aufbauänderung – der düstere, überwiegend halbakustische Teil bildet hier in gekürzter Form das Outro, während die Albumversion ihn in voller Länge als Intro hat) abermals wieder. Die im Rock World-Review prognostizierte Präferenzenbildung für eine der beiden Varianten des letztgenannten Songs ist beim Rezensenten bisher übrigens immer noch nicht abgeschlossen. Bezüglich der vier Livesongs von 1988, die auf der CD dann noch folgen, muß er freilich bekennen, im Digisleeve-Review einem Trugschluß unterlegen gewesen zu sein – dieser ist aufklärbar, seit von High Roller Records der dritte Teil der Archives-Reihe vorliegt, und wäre allerdings auch ohne diesen, nur anhand der Jubiläums-Edition aufklärbar gewesen (dazu unten gleich mehr). Die Ansage am Ende von „Thundersteel“ verrät nämlich auch ohne sonstiges direktes Parallelhören, dass es sich bei den vier Livesongs um die Audiospur der Aufnahmen aus Hallettsville, Texas handelt, die sich (zusammen mit den restlichen, summiert 70 Minuten dauernden Songs) auch auf der DVD von Archives 3 findet (Bassist Don van Stavern bedankt sich nochmal explizit bei der Anhängerschaft in seiner alten texanischen Heimat und nennt dabei direkt den Ortsnamen). Das heißt aber, dass das einer der sehr wenigen Riot-Gigs war, wo die Band nur mit einem Gitarristen auftrat, und im Digisleeve die Information, Mike Flyntz sei 1988 schon als Live-Gitarrist dabeigewesen, zumindest in puncto dieses speziellen Gigs in die Irre führt (auch der Rezensent hat das in seinem Digisleeve-Review ohne weiteres Nachdenken oder -forschen übernommen). Bezüglich der Einschätzung der vier Livesongs kann hier nun allerdings auf das Review zu Archives 3 verwiesen werden.

Auch das Review zur DVD kann gleich mit einem Verweis starten – der erste große Block mit den Tracks 1 bis 14 ist nämlich ebenjener 70minütige Hallettsville-Gig in verglichen mit der Version auf Archives 3 nur minimal veränderter Schnittfassung (das Filmsoundtrackintro der Show etwa fehlt in der Version auf der Jubiläums-Edition). Wir können die Betrachtung hier also mit dem zweiten Block der DVD fortsetzen: 2009 fand die Thundersteel-Besetzung plus Mike Flyntz noch einmal zusammen und spielte sechs spezielle Shows, davon die ersten drei auf europäischen Festivals und die letzten drei auf einer Kurztour durch Japan, welchletztere auch gleich als Jubiläumsshows für das besagte Album angekündigt wurden, setlistseitig allerdings trotz des Auftauchens so mancher Rarität keine Gesamtaufführung beinhalteten. Die beiden Gigs am 24. und 25.11.2009 im Club Citta in Tokio, der quasi Riots zweites Wohnzimmer bildet (die Shine On-Livescheibe entstand auch schon dort, und der Club ist ein fester Bestandteil der Japan-Touren der Band), wurden mitgeschnitten, und acht Songs mit summiert ca. 42 Minuten Spielzeit finden sich hier auf der DVD, die vorderen sechs vom ersten und die hinteren beiden, auch programmierseitig von den anderen getrennten vom zweiten Abend. Naturgemäß ist die Bildqualität hier deutlich besser als bei den 1988er Mitschnitten, interessanterweise aber der Ton deutlich leiser, und anfangs hört man ziemlich wenig Baß, was mit der Zeit aber etwas ausgewogener wird. Zunächst wird eine Galerie von Bildern aus der Riot-Geschichte auf den Vorhang vor der Bühne projiziert, bevor jener nach vier Minuten fällt und die Instrumentalisten mit dem Narita-Titeltrack das Geschehen eröffnen. Tony Moore stößt dann in „Fight Or Fall“ (in den Tracklisten auf der DVD und der Digipackrückseite ärgerlicherweise „Fight Of Fall“ geschrieben, während im DVD-Menü die korrekte Variante steht) hinzu, und die hochspannende Frage ist natürlich, wie sich seine Stimme gehalten hat – er war zumindest im metallischen Kontext seit seinem Aus bei Riot vor Nightbreaker kaum aktiv gewesen. Bedenken bekommt man, wenn man ihn eher bedächtig auf die Bühne schleichen sieht – aber so schlimm kommt’s dann doch nicht: Man hört ihm an, dass die Stimme zwei Dekaden älter geworden ist, seit er die „Thundersteel“-Studioversionen eingesungen hatte, aber in den unteren Bereichen trifft er die Töne immer noch gut und setzt das Gestaltungspotential geschickt ein, während er sich in den Höhen deutlich mehr anstrengen muß, aber auch dort noch so manche Spitzenleistung vollbringt, wenn er etwa den Anfangsschrei von „Sign Of The Crimson Storm“ setzt oder selbst in „Dance Of Death“ noch bis ganz nach oben zu klettern imstande ist, auch wenn er dort dann schon ein klein wenig kurzatmiger ist als sonst. Aber vor allem der nochmalige Quintsprung am Ende des letzteren Songs samt abermaliger Steigerung der Spitzentöne nötigt in diesem Mitschnitt allerhöchsten Respekt ab. Für viel Bewegung sorgt der Fronter auf der Bühne allerdings nicht – er bewegt sich gemessenen Schrittes, kniet gar des öfteren und positioniert sich in „Dance Of Death“ mit angewinkeltem Arm stoisch vor dem Drumkit. Van Stavern steht noch in genau der gleichen Körperhaltung auf der Bühne wie 21 Jahre zuvor in Texas, auch Bandkopf Mark Reale besitzt keinen großen Aktionsradius, und so legt Zweitgitarrist Mike Flyntz die größten Wege auf der Bühne zurück, allerdings auch in eher mäßigem Tempo. Große Bühnenaction bekommt man von dem Quintett also nicht, aber solange sie großartige Musik spielen, soll einen das nicht stören – und Power und Spielfreude kommen denn auch nicht zu kurz, und Drummer Bobby Jarzombek, mittlerweile vollbärtig, jongliert immer noch gern mit seinen Sticks und läßt es sich auch innerhalb schwieriger Figuren nicht nehmen, nötigenfalls noch ein Becken mit der Hand abzustoppen. Über die Songs an sich muß man natürlich auch hier keine Worte mehr verlieren, und man wundert sich nur, dass hier nicht eine offizielle Liveveröffentlichung daraus gemacht wurde – der Grund könnte sein, dass Tony Moore wenige Tage nach der Rückkehr aus Japan die Band abermals verließ bzw. verlassen mußte, so dass eine Liveplatte mit ihm als eher unpassend angesehen worden sein könnte (dass er dann im Folgejahr abermals zurückkehrte, um das nächste Studioalbum Immortal Soul einzusingen, steht wieder auf einem anderen strukturellen Blatt). Kleines Detail am Rande: Moore kommt am ersten Abend mit einem Baseballshirt mit der Nummer 44 auf die Bühne, und man rätselt, warum es denn nicht die 49 ist (zu der es in der Riot-Geschichte bekanntlich einen Song gibt, der allerdings nicht in der Setlist jener Tour stand), bis man mal den Rückenaufdruck sieht und dort den „Spielernamen“ Obama liest – ein politisches Statement also und die Ordnungszahl desselben in der Reihe der US-Präsidenten. In „Warrior“ singen Moore, Reale und Flyntz zum Ende hin ohne Begleitung der Saiteninstrumente, also nur schlagzeugunterstützt, bevor sie den Mitsingball ans Publikum übergeben, das sich dieser Aufgabe dankbar entledigt, überhaupt prima gelaunt scheint und im „Thundersteel“-Intro geschlossen die Fäuste genau auf die typischen vier bzw. fünf Snare-Schläge schüttelt. Reale und Flyntz versemmeln in diesem Song den Ausgang des Solos, aber auch sie sind eben nur Menschen, und angesichts dessen, was sie vorher dahergezaubert haben, verzeiht man ihnen einen kleinen Lapsus nur zu gern.
Den nächsten Block bildet ein 16minütiges Feature der Band mit Masa Itoh aus dem Jahr 1989 – quasi ein Vorläufer derjenigen Mitschnitte aus späteren Jahren, die auf der DVD von Archives 2 zu sehen waren. Die Sendung hieß 1989 noch „Music Tomato Rock Show“, aber die Monitorwand, vor der der Moderator sitzt, ist schon die gleiche wie später und das hinten scheinbar offene oder verglaste Studio auch. Die Bildqualität ist natürlich zeittypisch, aber durchaus anschaubar. Nach einem Riot-Einspieler folgt ein Interview mit allen fünf Musikern vor Ort in Japan, wo Itoh auf Japanisch fragt, eine außerhalb des Bildes befindliche Übersetzerin oder ein Übersetzer ins Englische transferiert, Reale dann auf Englisch antwortet und seine Antworten per Untertitel ins Japanische gebracht werden. Flyntz ist auf dieser Tour schon dabei, und um seine Rolle dreht sich gleich die erste Frage, bevor in den weiteren Fragen hauptsächlich die Cover der Platten behandelt werden, und zwar die aus der Ära Guy Speranza und Thundersteel, das weiland das aktuelle Album der Band war, die allerdings schon an The Privilege Of Power arbeitete, wozu Reale in der letzten Antwort dann bereits ein paar Details verrät, u.a. die Mitwirkung Joe Lynn Turners und der Bläser von Tower Of Power. Unterlegt ist nahezu der ganze Film mit Studioaufnahmen Riots, darunter interessanterweise auch das alte „Road Racin‘“ – der Lautstärkepegel dieser Unterlegung liegt allerdings so hoch, dass man sich ziemlich konzentrieren muß, wenn man die Wortbeiträge verstehen will. Größtes Kuriosum ist eine Szene in der Mitte des Films, als Itoh eine Kassette einwirft und „Warrior“ erklingt - als Coverversion einer japanischen Sängerin namens Yuki, die eine Art Metal-Swing aus der Nummer macht, was für die damalige Zeit völlig ungewöhnlich ist. Außerdem wird ein Foto der Künstlerin herumgereicht, was bei den Musikern zum Grinsen führt – leider hält niemand das Foto in die Kamera, so dass der heutige Betrachter das nicht näher nachvollziehen kann, und zumindest dem Rezensenten ist es bisher auch nicht gelungen, Näheres über diese Coverversion herauszubekommen. Hier tut sich noch ein interessantes Forschungsfeld für Metalhistoriker auf.
Ebenjene kommen dann auch in den letzten drei Songs auf ihre Kosten, denn es handelt sich um die Videoclips zu „Bloodstreets“, „Born In America“ und „Restless Breed“, allerdings in den Fassungen, die auch in Archives 2 zu sehen sind, so dass abschließend nochmals auf die dortigen Erörterungen verwiesen werden kann. Die Doppelungen sind in gewisser Hinsicht für den Alleskäufer natürlich ärgerlich, aber da es ja nicht nur Alleskäufer gibt, ergeben sie in gewissem Kontext doch Sinn, zumal ja immer noch reichlich „Exklusivmaterial“ verbleibt. Und das Urteil, dass Thundersteel in irgendeiner Form in jeden vernünftigen Metallerhaushalt gehört, bleibt natürlich von sämtlichen strukturellen Fragen völlig unberührt.
Nebenbemerkung zum Schluß: Normalerweise ärgert sich der Rezensent über außergewöhnlich große Digipacks, weil die in normalen CD-Regalen nicht vernünftig archivierbar sind und man daher gezwungen ist, diesen Scheiben unabhängig von ihrer musikalischen Qualität praktisch einen herausgehobenen Platz in der Sammlung zuzuweisen. Thundersteel steckt in der Jubiläumsfassung nun in einem solchen übergroßen Digipack – aber der dadurch notwendige Sonderplatz in der Kollektion war selten so sehr gerechtfertigt wie in diesem Falle.



Roland Ludwig

Trackliste

Disc 1 (CD)
1. Thundersteel (03:50)
2. Fight Or Fall (04:25)
3. Sign Of The Crimson Storm (04:39)
4. Flight Of The Warrior (04:17)
5. On Wings Of Eagles (05:41)
6. Johnny’s Back (05:32)
7. Bloodstreets (04:39)
8. Run For Your Life (04:08)
9. Buried Alive (Tell Tale Heart) (09:03)
10. Bloodstreets (Alternate Ending Version) (04:41)
11. Buried Alive (Tell Tale Heart) (Alternate Version) (07:25)
12. On Wings Of Eagles (Live 1988) (05:35)
13. Flight Of The Warrior (Live 1988) (04:12)
14. Johnny’s Back (Live 1988) (05:26)
15. Thundersteel (Live 1988) (04:04)

Disc 2 (DVD)
1. Fight Or Fall (Live 1988)
2. Fire Down Under (Live 1988)
3. Sign Of The Crimson Storm (Live 1988)
4. On Wings Of Eagles (Live 1988)
5. Buried Alive (Tell Tale Heart) (Live 1988)
6. Flight Of The Warrior (Live 1988)
7. Outlaw (Live 1988)
8. Bloodstreets (Live 1988)
9. Run For Your Life (Live 1988)
10. Drum Solo (Live 1988)
11. Johnny’s Back (Live 1988)
12. Swords And Tequila/Blues Jam (Live 1988)
13. Guitar Solo (Live 1988)
14. Thundersteel (Live 1988)
15. Narita (Live 2009)
16. Fight Or Fall (Live 2009)
17. Sign Of The Crimson Storm (Live 2009)
18. Swords And Tequila (Live 2009)
19. Dance Of Death (Live 2009)
20. Warrior (Live 2009)
21. Flight Of The Warrior (Live 2009)
22. Thundersteel (Live 2009)
23. Documentary & Interview Footage with Masa Itoh, Japan 1989
24. Bloodstreets (Video Clip)
25. Born in America (Video Clip)
26. Restless Breed (Video Clip)

Besetzung

Tony Moore (Voc)
Mark Reale (Git)
Don Van Stavern (B)
Bobby Jarzombek (Dr)
Mark Edwards (Dr)
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