····· Verlosung: Drei Mal zwei Tickets zur Record Release Party der Leipziger Metaller Factory of Art ····· Kurz nach seinem 80sten Geburtstag ist Maschine erneut auf #4 ····· Osterei - Luxus-Haydn auf Vinyl ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

St. Kleinkrieg

Abgelehnt


Info

Musikrichtung: Deutsch-Rock / Songwriter

VÖ: 10.01.2020

(Sireena / Broken Silence)

Gesamtspielzeit: 76:10

Ich habe in der letzten Zeit mehrfach Alben besprochen, denen ich den Kommentar mitgegeben habe, dass sie klingen als wäre es besser gewesen, wenn sie den Proberaum (noch) nicht verlassen hätten. Bei den Stücken von Abgelehnt hat man meinen Rat quasi befolgt, ohne dass ich ihn ihnen gegenüber überhaupt abgegeben hätte. „Es handelt sich hier um Demos,“ erklärt Stefan Kleinkrieg in den Liner Notes, „die entweder von meiner Band, der jeweiligen Plattenfirma und zu guter Letzt, auch von mir abgelehnt und deshalb nicht weiter ausproduziert wurden.“

Nachdem er sich das Material, das zwischen 1994 und 2006 aufgenommen wurde, wieder einmal vorgenommen hatte, stand Kleinkrieg vor einem Dilemma. Zum einen war klar, dass es nicht möglich sein würde „diesen ungeliebten Kindern meines Wirkens und Werkens“ den Produktionsaufwand angedeihen zu lassen, der ihnen zustehen würde. Auf der anderen Seite hätte sonst das Ergebnis „unzählige[r] Stunden und Mühen“ „für immer vor sich hin gedämmert“. Also hat er getan, was man sonst nicht tut, „so unfertige, rohe Eier auf dem Markt feilzubieten“.

Sorgfältig schlüsselt Stefan Kleinkrieg auf, in welchen Studios in Hagen, Hamburg und Breckerfeld (bei Hagen; NvF) die 23 Stücke aufgenommen wurden. Die Daten wären zum Nachvollziehen eventuell sinnvoller gewesen, aber sei’s drum. Angearscht sind alle, die sich von Abgelehnt eine vergessene Extrabreit-LP versprechen. Mit dem Pubertätspunk der NDW-Pioniere hat das hier nichts mehr zu tun. Okay, bei „Wer wird denn weinen“ schreit’s mal kurz wie bei „Annemarie“ und der Kronleuchter erstrahlt mit einem starken Extrabreit Vocal Einschlag. Ansonsten sind es eher mal Westernhagen („Du hast gelogen“) oder ein etwas rockiger Frank Zander („Zuhause ist es am schönsten“), die als Vorbild herhalten könnten. Die Uhuh-Chöre von letzterem lassen sogar nach höheren Sternen greifen, da auch der Text durchaus Parallelen zu „Sympathy for the Devil“ erkennen lässt. Textliche Anspielungen gibt es auch „Beim ersten Mal“, das beweist, dass Kleinkrieg Udo Lindenbergs „Cowboy Rocker“ kennt.

Freunde klassischen Deutsch-Rocks, die nun schon zur Hosentasche greifen, halten ihre Euronen noch mal einen Moment lang fest, denn klassischer Deutsch-Rock ist St. Kleinkrieg nun auch wieder nicht. Dazu steckt zu viel Ein-Mann-Arbeit und zu viel Songwriter in dem Projekt(?).

St. Kleinkrieg kann gut abrocken, wie bei „Nicht getroffen – Schnaps gesoffen“ mit seinem powernden Gitarrensolo, oder „Der Sandmann“ mit seinem eher rätselhaften Text. Er kann auch mal bassig und mit derben Riffs kommen („Wie war ihr Leben?“).

Aber er hat auch mal den Blues („Sag, wo bist Du?“), nutzt Reggae-Rhythmen („Mama, sag mir bitte…“) und Country-Klänge („Montana Kid“) oder wagt sich in die Untiefen des fröhlichen Pop-Rocks („Fürst der Finsternis“).

Die Texte haben durchaus interessante Ansätze, aber gerade hier kann man Kleinkriegs Bedenken, ob da nicht noch etwas mehr Ausproduzieren nötig gewesen wäre, oft teilen. Da geht es um die Unkalkulierbarkeit des Lebens („Keine Garantien“), um die Frage, wer die Geschichte letztlich macht („Zuhause ist es am schönsten“), die Schmerzen einer verflossenen Ferienliebe („Es war einmal in Palma“ oder um Durchalte-Parolen im Sinne eines Think-positive („Wir werden wieder siegen“).

Ich stelle mir vor, wie Stefan Kleinkrieg in seinem Wohnzimmer sitzt, in alte Tapes rein hört und immer wieder grinsend entdeckt „War eigentlich ne coole Idee!“ Wer mit ähnlicher Entdecker-Freude an Angesagt herangeht, sollte einiges an Freude mit der Scheibe haben. St. Kleinkrieg steckt jedenfalls auch in diesem Stadium vielen ausproduzierte Dünnsinn locker in die Tasche.



Norbert von Fransecky

Trackliste

1Wir werden wieder siegen 3:38
2Montana Kid 2:40
3Beim ersten Mal 3:48
4Keine Garantien 3:53
5Viktoria 4:00
6Es war einmal in Palma 3:17
7Regentage 3:09
8Nicht getroffen - Schnaps gesoffen 3:00
9Wer wird denn weinen? 2:38
10Zuhause ist es am schönsten 3:06
11Du hast gelogen 3:23
12Wie war ihr Leben? 2:42
13Uncool 3:17
14Fürst der Finsternis 2:55
15Mama, sag mir bitte…! 2:34
16Der Sandmann 2:39
17Diese Welt 4:03
18Viel zu kalt 4:08
19Sag, wo bist Du? 3:38
20Kronleuchter 3:57
21Schade, das ich Dich nicht leiden kann 3:11
22Die Zukunft liegt im Dunkel 3:46
23Roxy Mandingo 2:51
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger