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Reviews

Saint Vitus

Live Vol. 2


Info

Musikrichtung: Doom Metal

VÖ: 23.09.2016

(Season Of Mist)

Gesamtspielzeit: 59:19

Internet:

http://www.season-of-mist.com
http://www.saintvitusband.com

Die Titulierung dieser CD als „Vol. 2“ läßt die Existenz eines ersten Teils vermuten – allerdings bleibt unklar, welcher der diversen Live-Releases von Saint Vitus damit gemeint sein könnte, denn von denen gibt es eine ganze Menge. Die Wahrscheinlichkeit dürfte allerdings nicht gering sein, dass das schlicht Live betitelte, 1990 von Hellhound Records veröffentlichte Livealbum der Bezugspunkt ist, denn auf dieser 1989 in einem bayrischen Ort mit dem interessanten Namen Gammelsdorf mitgeschnittenen Scheibe sang Scott „Wino“ Weinrich, und er tut das auch auf Live Vol. 2, während auf allen anderen Livemitschnitten Scott Reagers zu hören sein dürfte, von der 2012er auf dem Scion Rock Fest mitgeschnittenen und ebenfalls von Wino eingesungenen 3-Track-EP mal abgesehen, die, in einer speziellen Scion-Live-EP-Reihe veröffentlicht, freilich wohl kaum als vollwertiger Release zu zählen ist. 2012 war auch das Jahr der Veröffentlichung von Lillie: F-65, dem nach 17 Jahren ersten neuen und insgesamt achten Studioalbum von Saint Vitus, und um jenes vorzustellen, begab sich die Band auf Tour und spielte am 19. März 2013 in der Kulturfabrik im luxemburgischen Esch-sur-Alzette, von wo der auf Live Vol. 2 veröffentlichte Mitschnitt stammt, laut Booklet „from 2 track live stereo mix“. Soundtechnische Wunderdinge darf man also in der hier konservierten knappen Stunde Musik nicht erwarten, aber mit solchen rechnet der Hörer von Saint Vitus ja sowieso nicht, und dass bei dieser Band das Ineinanderlaufen von Gitarren- und Baßsounds quasi zu einer Art Stilmittel gereift ist, läßt es quasi verzeihlich erscheinen, dass man auch auf dieser Aufnahme Mark Adams‘ Baß nur latent wahrnehmen kann – nicht mal in Dave Chandlers Soli, wenn der Baß akustisch Platz hätte, macht er sich sonderlich breit. Der Konkurrenz einer zweiten Gitarre müßte er sich sowieso nicht erwehren, denn obwohl Wino ja durchaus auch ein fähiger Gitarrist ist, gehört das Gitarrenspiel bei Saint Vitus traditionell nicht zu seiner Stellenbeschreibung, sondern ausschließlich der Leadgesang. Dass er auch in diesem Fach zu den Guten zählt, ist bekannt, und das zeigt er mit seinem angerauht-appellierenden Gestus auch hier in den vorliegenden elf Livesongs, wobei er sich interessanterweise die Ansagen mit Chandler teilt und die latenten Ozzy-Parallelen der frühen Jahre mittlerweile völlig außen vor bleiben. All diese Erscheinungen traten auch schon im Februar 2010 beim bisher einzigen Saint-Vitus-Liveerlebnis des Rezensenten in Leipzig (siehe Rezension auf www.crossover-netzwerk.de) in Erscheinung, und drei Jahre später hat sich daran nichts Grundsätzliches geändert. Das neue Album, an das 2010 natürlich noch nicht zu denken war, bietet ebenfalls keinen Anlaß zur Sorge: Mit „Let Them Fall“, „Bleeding Ground“ und „The Waste Of Time“ stehen drei seiner Songs im konservierten 2013er Set und fügen sich nahtlos in den umstehenden Klassikerreigen ein, der mit „Thirsty And Miserable“ eine Black-Flag-Coverversion sowie sieben alte Songs aus der ersten Wino-Ära enthält, wobei man auch die Black-Flag-Nummer mittlerweile so sehr mit Saint Vitus assoziiert, dass sie problemlos als Eigenkomposition durchgehen würde. Black Flag waren bekanntlich eine Hardcoreband, auf deren eigenem Label SST Records Saint Vitus in den Achtzigern ihre ersten vier Alben herausbrachten, und obwohl die Vitus-Wurzeln definitiv im klassischen Doom der Marke Black Sabbath lagen und liegen, so ist ein hardcorig-punkiges Element doch hier und da nicht zu verkennen, das sich zum einen in der roh-erdigen Herangehensweise an das Material zeigt (ein völliger Gegensatz zu den epischen Feingeistern Candlemass, den neben Saint Vitus wichtigsten Doom-Protagonisten der Achtziger), zum anderen aber auch in der Tempowahl: Schon der Albumopener „War Is Our Destiny“ poltert in oberen Tempobereichen durch die Botanik, und ein Schleicher wie das erwähnte neue „The Waste Of Time“ steht einträchtig neben dem alten und flotten „White Stallions“. Diese beiden Aspekte lassen sich auch vermengen: Wenn Candlemass mal schnell spielen, dann spielen sie Power Metal – wenn Saint Vitus mal schnell spielen, dann spielen sie Hardcore/Punk. Drummer Henry Vasquez, der den verstorbenen Langzeit-Schlagwerker Armando Acosta ersetzt, zeigt sich allen Herausforderungen problemlos gewachsen, auch Chandler ist am mitgeschnittenen Abend gut in Form und läßt in den wilderen Soli gern sein anderes großes Vorbild neben Tony Iommi, nämlich Jimi Hendrix, durchscheinen. Ob Saint Vitus allerdings tatsächlich nur die eine Stunde musiziert haben oder das Soundboardtape schlicht und einfach nicht länger dauerte, verrät die CD logischerweise nicht – auffällig ist jedenfalls, dass die 2012er Blessed Night-Single, weiland der Vorbote des neuen Albums, sich nicht unter den elf hier zu hörenden Songs befindet. Der absolute Liebling des Rezensenten unter den alten Songs, „I Bleed Black“, der 2010 gleich als zweiter Song gespielt wurde, ist auf der CD auch nicht dabei. Die Lösung genannter Frage liefert das allwissende Internet in Gestalt des Eintrages des zugehörigen Gigs auf der Plattform setlist.fm: Nach dem Intro „Vertigo“ spielten Saint Vitus an diesem Abend „Blessed Night“ und „I Bleed Black“, wonach sich dann beginnend mit „War Is Our Destiny“ die elf konservierten Songs anschlossen. Das Fehlen der ersten Songs ändert am grundsätzlichen Urteil über die Scheibe indes nichts: Wenn man mit der generellen Herangehensweise von Saint Vitus ans Genre Doom Metal klarkommt, dann ist das im simpel schwarz-rot gehaltenen, allerdings mit einer Unzahl von religiösen und kulturgeschichtlichen Symbolen, die freilich aufgrund ihrer Kleinheit kaum zu identifizieren sind, ausgestatteten Digipack veröffentlichte und traditionsgemäß mit dem Überklassiker „Born Too Late“ abgeschlossene Live Vol. 2 eine todsichere Beute für die eigene Plattensammlung, und wenn man nicht gerade auf Wino als Vitus-Vokalist fixiert ist, kann man dann gleich auch noch Ausschau nach dem kurioserweise fast gleichzeitig im Herbst 2016 veröffentlichten Let The End Begin...-Livealbum Ausschau halten, das einen 1995er Kölner Mitschnitt der Die Healing-Tour mit Scott Reagers am Mikrofon enthält und auf einem Label mit dem kuriosen Namen Hankenstein Records veröffentlicht wurde. Und wenn wir gerade bei Kuriosa sind: Sieht Dave Chandler auf dem Cover von Live Vol. 2 mit seinem Stirnband und seiner weißen Flying V nicht aus wie Uli Jon Roth?



Roland Ludwig

Trackliste

1War Is Our Destiny3:47
2Look Behind You2:54
3Let Them Fall3:34
4The Bleeding Ground5:26
5Patra (Petra)6:00
6The Troll5:49
7The Waste Of Time5:06
8White Stallions5:38
9Thirsty And Miserable3:48
10Dying Inside7:22
11Born Too Late9:48

Besetzung

Scott “Wino” Weinrich (Voc)
Dave Chandler (Git)
Mark Adams (B)
Henry Vasquez (Dr)
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So bewerten wir:

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