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Reviews

Mephisto

Mephisto


Info

Musikrichtung: Speed Metal

VÖ: 26.01.2018 (1988)

(Karthago / Soulfood)

Gesamtspielzeit: 73:39

Internet:

http://www.karthago-records.com
http://www.puresteel-shop.com

Aus der Asche einer schon seit den Endsiebzigern werkelnden Formation namens Roy Bean entwickelten sich im Ruhrpott der Mittachtziger Mephisto. Wie die Bohnentruppe geklungen hat, darüber ist dem Rezensenten nichts Näheres bekannt – die vier Altmitglieder hatten im Sommer 1984 allerdings bereits einen Song namens „Mephisto“ geschrieben, der dann auch den neuen Bandnamen hergab. Mit dem Einstieg von Gitarrist Andreas Rippelmeier war dann auch das Quintett komplett, das anno 1986 zunächst ein Demo aufnahm und sich damit einen größeren Wirkungskreis zu erarbeiten hoffte. Das klappte ansatzweise auch, und die Band spielte sogar beim Bandcontest der Rockfabrik Ludwigsburg, einer in den Achtzigern hochgradig bedeutenden Stätte für die Entwicklung der harten Musikszene in Deutschland. Den Sieg trugen dort allerdings, so Rippelmeier in den Liner Notes der vorliegenden CD, nicht Mephisto davon, sondern die noch heute bekannten und beliebten Pink Cream 69, für die der besagte Sieg tatsächlich die Grundlage bildete, auf der sie ihre Karriere entwickeln konnten. Der Lexikoneintrag „Heavy Metal made in Germany“ der Iron-Pages-Kollegen behauptet hingegen, Mephisto hätten den Contest gewonnen, und das hätte ihnen aber businesstechnisch auch nichts genützt. Möglicherweise liegt eine Verwechslung zweier Jahrgänge vor – fest steht, dass Mephisto auch unabhängig vom Contest einen Plattenvertrag bekamen, allerdings nur bei einem kleinen Indielabel namens Miracle Records, einem Sublabel von Wishbone. Dort erschien dann 1988 das selbstbetitelte Debütalbum, allerdings in sehr überschaubarer Auflage, so dass es zwar zu einem gewissen szeneinternen Status reichte, aber die Krefelder Nachbarn Blind Guardian die lokalen stilistischen Platzhirsche blieben.
Uneinigkeiten unter den fünf Bandmitgliedern, was den einzuschlagenden musikalischen Weg anging, führten dann zu personellen Wechseln, und weiteres Ungemach kam mit der deutschen Einheit hinzu: Im Osten Berlins werkelte gleichfalls eine Metalband namens Mephisto, und die Duisburger verklagten die Berliner, um diese zur Umbenennung zu zwingen. Interessanterweise bekamen sie vor Gericht sogar recht, obwohl die Berliner in der DDR bereits seit 1979 unter diesem Bandnamen aktiv waren und zudem ihre ersten Aufnahmen anno 1983 einspielten (die damals im DDR-Rundfunk auch über den Äther gingen), also eigentlich das Prioritätsrecht hätten haben müssen. Die Berliner arbeiteten daraufhin als Double Action weiter, die neu besetzten Duisburger nahmen 1991 noch eine zweite Platte namens In Search Of Lost Refuge auf, kamen aber damit keinen Schritt vorwärts, zumal sie am traditionellen Metal festhielten, den damals im Grungetaumel alle Welt, besonders die mediale, totzusagen pflegte, und stellten ihre Aktivitäten letztlich ein. Von den damaligen Bandmitgliedern sind mehrere zwischenzeitlich verstorben, die meisten noch lebenden wahrscheinlich nicht mehr musikalisch aktiv, und einzig Andreas Rippelmeier werkelt noch heute an der metallischen Front – sein Name dürfte manchem von Heavenward noch geläufig sein, wenngleich auch deren Erfolg in sehr überschaubaren Maßen blieb (wen’s interessiert, der findet auf www.crossover-netzwerk.de ein detailliertes Review zum Re-Release von deren Debütalbum Within These Dreams).

Das selbstbetitelte Mephisto-Debütalbum liegt nun im Rahmen der „Heavy Metal Classics“-Re-Release-Serie von Karthago Records vor, und 500 Menschen können mit dieser Auflage eine potentielle Sammlungslücke schließen. Das lohnt sich vor allem für Personen, die Geschichtsforschung über die Entwicklung der deutschen Metalszene der Achtziger betreiben wollen. Wären Mephisto nämlich veröffentlichungstechnisch etwas früher drangewesen, hätten sie einen deutlich markanteren Fußabdruck hinterlassen können und würden heutzutage als Miterfinder des komplexen Speed Metals gelten. Prototyp dafür ist das erwähnte Lied „Mephisto“, das, wenn Rippelmeiers Erinnerung in den Liner Notes des Re-Releases stimmt, aus dem Sommer 1984 stammt – und wenn das damals tatsächlich schon veröffentlicht worden wäre, hätten wir hier ein Unikum vor uns, das selbst die deutschen Speedpioniere Helloween in den Schatten gestellt hätte und die damals noch Lucifer’s Heritage heißenden Blind Guardian auch. Der Zehnminüter strotzt nur so vor Ideen und Spielfreude, ist spannend arrangiert, pumpt jede Menge Energie nach vorn, ist oft in hohem Tempo gehalten (damals ein wichtiges Kriterium!) und wird durch einen einprägsamen Refrain gekrönt. Freilich: Er verlangt Geduld, und das ist eine Tugend, die schon damals viele Menschen nur in begrenztem Umfang aufbringen konnten. Beide Versionen des Songs nehmen sich Zeit in der Entwicklung, viel Zeit, und bis Uwe Suerick zu singen beginnt, vergehen mehr als vier bzw. sogar mehr als fünf Minuten. Die Demofassung von 1986 hebt dabei mit einem Faust-Mephisto-Dialog an, der auf der Albumfassung von 1988 weggelassen wurde, so dass diese Fassung eine knappe Minute kürzer ist, aber immer noch länger als zehn Minuten dauert. Und diesen Song stellten Mephisto sowohl auf dem Demo als auch auf dem Album jeweils an den Anfang! Über mangelndes Selbstbewußtsein zu beklagen brauchten sie sich also definitiv nicht – so etwas tat damals niemand, und selbst in späteren Jahren überlegten es sich auch Größen wie Timo Tolkki (auf dem Stratovarius-Werk Destiny) oder Tuomas Holopainen (auf Nightwishs Dark Passion Play) mehrmals, bis sie sich in den beiden genannten Fällen dazu durchrangen, jeweils einen komplexen Über-Zehn-Minüter als Albumopener zu wählen. „Mal fix reinhören“ führte also bei Mephisto fanseitig kaum zu zählbaren Ergebnissen, zumal der lange Instrumentalteil zudem den Trugschluß nahelegte, die Formation würde rein instrumental arbeiten, was im Achtziger-Metal auch vollkommen unüblich war.
Interessanterweise agierten Mephisto allerdings mehr oder weniger „halbinstrumental“. Unter den sechs Songs des Debütalbums finden sich nämlich mit „In Dubio Contra Reum“ und „Battle Of Kerovnia“ gleich zwei Instrumentalstücke, letzteres mit sechseinhalb Minuten auch noch der zweitlängste Song der Scheibe – addiert man hierzu noch die ausgedehnten Instrumentalparts von „Mephisto“, kann man durchaus zum Terminus „halbinstrumental“ kommen. Suerick leidet freilich nicht an Unterbeschäftigung, denn neben seinem Gesangsjob spielt er nebenbei auch noch die dritte Gitarre, was Mephisto einerseits ermöglicht, ihre durchaus komplexen Passagen auch live adäquat besetzen zu können, andererseits aber für die damaligen Live-Mischer eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dargestellt haben dürfte. Das technische Können der Gitarristen in der Aufnahme zu bewundern macht allerdings durchaus viel Freude – Suerick, Rippelmeier und der Dritte im Bunde, Andrés Hladik Penso, überzeugen gleichermaßen im Lead- wie im Rhythmusspiel, und dass sie auch arrangementseitig was draufhatten, ist ja bereits angeklungen. Schwächstes Glied in der Kette dieser Könner war wohl Suericks Gesang – nicht richtig schlecht, aber auf dem 1986er Demo noch deutlich auf der Suche nach den Stärken befindlich, was 1988 bei den Albumaufnahmen zu einem schon recht achtbaren Ergebnis geführt hat. Wenn er in der Albumversion von „Mephisto“ nach reichlich vier Minuten zu singen beginnt, fühlt man sich gar einen Moment zu Fates Warnings John Arch versetzt, der hier von der Stimmfärbung her herüberzuwinken scheint, wenngleich man bemerken muß, dass Suerick bis zu Archs Können doch noch ein, zwei Qualitätsstufen fehlen. Trotzdem gehört er im Deutschland der Spätachtziger durchaus zur besseren Hälfte der Metalvokalisten, und auf dem dem Rezensenten bisher akustisch nicht bekannten Zweitling soll er, so sagt das erwähnte IP-Lexikon, sogar eine richtig starke Leistung geboten haben.
Die stimmliche Weiterentwicklung Suericks kann man anhand der Wiederveröffentlichung des Debütalbums gut nachvollziehen, wenngleich man, will man das konsequent tun, seinen CD-Player umprogrammieren muß. Die Tracks 1 bis 6 enthalten nämlich das originale, etwa 35minütige Album, während in den Tracks 7 bis 12 das 1986er Demo enthalten ist, das gar noch etwas länger ausfällt und spielzeittechnisch locker eine Vielzahl der regulären Alben dieses Jahres aussticht. Dass das Album kürzer ist als das Demo, liegt neben der Kürzung von „Mephisto“ maßgeblich daran, dass der neunminütige Demotrack „Senseless Marchin“ nicht für das Album übernommen wurde – da reicht der Fakt, dass „Battle Of Kerovnia“ in seiner Demo-Frühform nur dreieinhalb Minuten dauerte, zum Ausgleich nicht mehr aus. Neben „Senseless Marchin“ verblieb auch „Aliens“ zunächst in den Archiven, statt dessen enthielt das Album „Save Your Rights“ (eine paradoxe Vorausschau auf den Rechtsstreit mit den Berlinern?) und das balladesk anhebende, aber bald in den gewohnten komplexen Speed Metal umschaltende „Holy Child“. Auch das andere Material wurde offensichtlich für das Album komplett neu aufgenommen, strukturell aber in den meisten Fällen nur verfeinert – die Verdoppelung von „Battle Of Kerovnia“ (unter sinnvoller Weglassung des Geschreis am Ende der Demofassung) und die Streichung des Dialogintros von „Mephisto“ sind die beiden großen Ausnahmen. Interessanterweise fanden auch die beiden erwähnten nicht auf dem Debüt gelandeten Demotacks später noch Verwendung: Beide wurden für den Albumzweitling In Search Of Lost Refuge neu eingespielt.
Dass das Originalcover des selbstbetitelten Debüts bis auf den roten Schriftzug in einem unauffälligen Grau gehalten ist und die Detailfülle seiner mephistophelischen Zeichnung erst auf den zweiten bis dritten Blick offenbart, dürfte damals zum überschaubaren Erfolg der Scheibe beigetragen haben. Das sollte den potentiellen Hörer von heute natürlich nicht stören – was schon eher stört, sind die fehlenden Lyrics im Booklet, das ansonsten in serientypischer Weise mit Liner Notes, Fotos und diversen historischen Informationen überzeugend aufgemacht ist. Aber das Original wird vermutlich kein Lyricblatt enthalten haben, und da Rippelmeier als einziges damaliges Bandmitglied zur Verfügung stand, dürfte er bewußt darauf verzichtet haben, Suericks damalige Texte heraushören zu wollen. Goethe spielt natürlich die eine oder andere Rolle – so viel kann man verstehen, und er kommt neben Bach (der den Gitarristen die eine oder andere melodische und harmonische Idee geliefert hat, ohne dass man hier aber von neoklassischer Herangehensweise im Stile etwa eines Yngwie Malmsteen sprechen müßte) auch in der Dankesliste vor, wohingegen der Zeichner des Covers anonym gehalten wird, was für die Übernahme aus irgendeiner historischen Publikation spricht. Das historische Soundgewand sowohl des Demos als auch des Albums (letzteres allerdings schon markant besser als ersteres) sollte Metalhistoriker nicht davon abhalten, hier eine bedeutende Lücke in ihrer Kollektion zu schließen – wer die alten Blind Guardian höher schätzt als die neuen, könnte hier eine Überraschung erleben. Frage zum Schluß: Wieso wird die Band in allen Quellen als Duisburger bezeichnet, wenn laut Rippelmeiers Liner Notes der Proberaum in Oberhausen stand?

PS: Einige Monate nach Veröffentlichung des Reviews meldet sich eines der Mitglieder aus der letzten Bandbesetzung – und nun kann die Schlußfrage beantwortet werden: Das Areal, wo der erste Proberaum stand, gehört nicht zu Oberhausen, sondern zum benachbarten Bottrop, und 1988 zog die Band in einen Proberaum nach Duisburg um, woraus sich die Wahrnehmung der Nachwelt als Duisburger erklärt.



Roland Ludwig

Trackliste

1Prologue - Mephisto10:11
2X-Rays5:22
3In Dubio Contra Reum4:17
4Save Your Rights4:57
5Battle Of Kerovnia6:39
6Holy Child4:59
7Prologue - Mephisto (Demo)10:53
8X-Rays (Demo)5:22
9In Dubio Contra Reum (Demo)3:49
10Senseless Marchin (Demo)9:12
11Aliens (Demo)4:45
12Battle Of Kerovnia (Demo)3:24

Besetzung

Uwe Suerick (Voc, Git)
Andrés Hlavik Penso (Git)
Andreas Rippelmeier (Git)
Marc Schulz (B)
Wolfgang Mann (Dr)
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So bewerten wir:

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