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Reviews

Cavalieri, E. de (Pluhar)

Rappresentatione di Anima, et di Corpo


Info

Musikrichtung: Geistliche Oper

VÖ: 01.01.2005

Alpha / Note 1
2 CD DDD (AD 2004) / Best. Nr. Alpha 065


Gesamtspielzeit: 81'47

HÖLLISCH GUTE PREMIERE

Gleich in mehrfacher Hinsicht sei Emilio de’Cavalieris im Jahr 1600 uraufgeführte Rappresentatione di Anima, et di Corpo eine Premiere, schreibt Christina Pluhar zu ihrer neuen Produktion: Erstmals finde das recitar cantando, der damals noch ganz neue wort- und affektbetonte Sologesang Erwähnung. Es sei die erste gedruckte Oper (die Gattung war kurz vorher erfunden worden), zugleich die erste geistliche Oper und die erste, die in Rom zur Aufführung gekommen sei. (Womit die Wahl des erbaulichen Themas erklärt wäre: Es handelt sich um ein allegorisches Schauspiel über den Widerstreit von Leib und Seele, von Himmel und Hölle, von Engeln und Teufeln.)
Es sei überdies das erste Bühnenwerk, das detaillierte Regieanweisungen enthalte und Angaben zur Realisation des basso continuo mache. Schließlich fänden sich hier die ersten Instrumentalstücke, die man nicht mehr in Einzelstimmen, sondern in Partitur gedruckt habe.

Für ein versiertes und experimentierfreudiges Ensemble wie L’Arpeggiata ist dieses Schlüsselwerk als Start der eigenen Opernkarriere wie geschaffen. Denn mag der Komponist auch zahlreiche Hinweise im Bezug auf Besetzungsstärke und Instrumentierung gegeben haben, so muss doch vieles für eine Aufführung eingerichtet werden. Das fängt mit den Vokalpartien an, die für die heute üblichen Stimmtypen häufig zu hoch oder zu tief liegen. Und es endet mit der „Einfärbung“ und Gestaltung des Continuos, der eine wesentliche dramatische und tonmalerische Funktion übernimmt. Schließlich müssen Leerstellen mit Vokal- und Instrumentalwerken aus anderen Quellen gefüllt werden. Cavalieri selbst hat z. B. die Eröffnung mit einem passenden Jubelchor vorgeschlagen. Christina Pluhar hat sich dagegen für eine instrumentale Introduktion entschieden und auch sonst noch einige Zwischenspiele, ein Schlussballett und einen Epilog ergänzt. (Dessen Musik stammt von Claudio Merula - der Text auch?)

Insgesamt ist Cavalieris recitar cantando „weicher“ als das seiner Zeitgenossen Caccini und Peri. L’Arepggiata haucht der Musik dennoch theaterwirksames Leben ein, ohne deshalb zu künsteln oder zu forcieren. Gleich von den ersten Takten an besticht ein ruhiger Atem, der Rezitative, Ariosi und Dialoge, Orchester- und Chorstücke unter einem großen Bogen zusammenfügt.
Auch die heikle Besetzung z. B. einiger hoch liegender Männerstimmen ist überzeugend gelöst. Marco Beasley und Jan von Elsacker verleihen ihren Kunstfiguren mit sehr klar geführten und charakteristisch gefärbten hohen Tenören eine ausgesprochen sinnliche Aura. Nicht weniger stilsicher ist auch die Darstellung der Anima durch Johannette Zomer.
Dass das stilisierte barocke Ideentheater emotionale Unmittelbarkeit gewinnt, verdankt sich auch dem Gespür für theatralische Effekte. Häufig meint man regelrecht zu sehen, was man hört. Ein richtiger Coup ist z. B. die Realisation der Höllenmusik: Während die Seligen der Himmelswelt in süßen Chorharmonien schwelgen, „blickt“ man auf der anderen Seite in einen klingenden Höllenrachen, aus dem die Schreie der Verdammten tönen. Akustisch tut sich hier tatsächlich das Tor zur Unterwelt auf. Einen simplen Stützakkord bauen die Musiker/innen mit kratzendem Bass, Cembalorauschen, schnarrenden Regaltönen und Schlagzeug Ton für Ton zu einem eindrucksvollen Klanggemälde aus - die perfekte Inszenierung für Cavalieris dissonante und düstere Harmonien.

Fazit: Eine musikalisch wie klangtechnisch exemplarische Produktion, die nicht zuletzt durch ihre luxuriöse Präsentation besticht. (Die informativen Booklettexte gibt es leider nur in französischer und englischer Sprache, eine Übersetzung des Essays von Christina Pluhar findet man aber auf der Homepage des Ensembles.)



Georg Henkel

Besetzung

Marco Beasley (Corpo, Tempo)
Johannette Zomer (Anima)
Dominique Visse (Piacere)
Jan van Elsacker (Intelletto)
Stephan MacLeod (Mondo,Consiglio)
Nuria Rial (Angelo Custode)
Beatrice Mayo-Felip (Vita Mondana)

Celine Vieslet, Elisabeth Dobbin, Laureen Armishaw (Anime Beate)
Matthew Baker, Nicolas Achten (Anime Dannate)
Harm Huson, Jürgen Banholzer, Stephan van Dyck, Vincent Lesage (Quatro del coro)

L’Arpeggiata

Christina Pluhar (Theorbe und Leitung)
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