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Reviews

Weil, K. (Davis)

Royal Palace / Der Neue Orpheus


Info

Musikrichtung: Oper

VÖ: 01.08.2004

Capriccio / Delta Music
CD DDD (AD live 2000) / Best. Nr. 60 106


Gesamtspielzeit: 53:00

MYTHEN-SCHICKSALE ANNO 1927

Was würde wohl geschehen, wenn einige Helden der griechischen Mythologie unserer eigenen, realen Gegenwart einen Besuch abstatteten? Sie würden ebenso tragisch an den modernen Verhältnissen scheitern, wie einst an jenen der Mythenwelt.
Zumindest tun sie es in den Libretti von Iwan Goll, die dieser für Kurt Weill in den 1920er Jahren verfasst hat: Dejanira, die Gattin und unwillentliche Mörderin von Herkules, gerät bei Goll an ein illustres Männertrio (bestehend aus Ehemann, dem Geliebten von gestern und dem Verliebten von morgen), das ihr mit seinem Balz- und Besitzgehabe derart auf die Brokatrobe rückt, dass sie schließlich den Freitod im See sucht. Keiner hat ihr Geheimnis, das ‚kosmische Ewigweibliche’, erkannt und sie „läutern“ können. Expressionistisch und verrätselt kommt dieser Text daher; kaum anders, wenngleich ironisch etwas aufgelockerter, verhält es sich mit Golls Orpheus-Version; der singenden Halbgott muss sich, zum „Jedermann“ degradiert, als Jahrmarktskünstler und Klavierlehrer durchschlagen, bis er sich im Wartesaal eine Kugel ins Herz jagt.

Kurt Weil, gerade 26 Jahre alt, komponierte den seltsamen Geschichten eine ebenso originelle, im wahrsten Sinne schillernde Musik auf den Leib, eine gelungene Synthese aus Spätromantik und stark erweiterter Tonalität, die im Fall von Royal Palace noch mit Autohupe und Saxophon, Jazz, Foxtrott und Tango angereichert wird. Die Inszenierung in der Berliner Staatsoper unter den Linden bot dazu ein im wahrsten Sinne multimediales Spektakel auf, Filmprojektionen inklusive. Vor allem Weills „Revue“-Musik zu den Filmeinlagen ist hörenswert. Die eher typenhaften Charaktere werden durch die Art des Gesangs, der flexibel zwischen gesprochenen Texten, Arioso und Deklamation wechselt, präzise umrissen.
Etwas strenger geht es bei der Kantate Der Neue Orpheus zu, deren hintergründigen Witz man eher dem Text als der Musik ablauschen muss.

Die Weltersteinspielung der beiden Werke schließt zwei Repertoirelücken, vermag interpretatorisch und technisch jedoch nicht so recht zu überzeugen: Der Klang der Live-Aufnahme ist etwas muffig, so dass die brillante Orchestrierung zu wenig zum Tragen kommt. Da die englischen Sänger vor allem die Sprechtexte mit einem starken englischen Akzent servieren, leidet die Verständlichkeit. Stimmlich sind die Darbietungen solide, allerdings kann ich mich weder mit dem blassen Sopran von Jancie Watson noch mit dem etwas heiseren Timbre von Camilla Tilling so recht anfreunden.



Georg Henkel

Trackliste

01-13 Royal Palace
014 Der Neue Orpheus

Besetzung

Janice Watson, Dejanira
Stephen Richardson, Der Ehemann
Aschley Holland, Der Geliebte von gestern
Richard Coxon, Der Verliebte von morgen
Timothy Robinson, Der junge Fischer
Jeremy Withe, Der alte Fischer
Camilla Tilling, Sopran-Solo

BBC Singers (Frauenstimmen)

BBC Symphony Orchestra

Ltg. Andrew Davis
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