Delalande, M. R. (Dumestre, V.)

Symphonies pour les Soupers du Roy (Ausz.)


Info
Musikrichtung: Barock Orchester

VÖ: 01.10.2021

(CVS / Note 1 / CD DDD / 2020 / Best. Nr. CVS048)

Gesamtspielzeit: 59:23



LUKULLISCH

Diese Aufnahme mit Auszügen aus der monumentalen und exklusiven Musik-Sammlung für das Souper des Sonnenkönigs, die der Hofmusiker Michel Richard Delalande während seiner langen Amtszeit zusammengestellt hat, dürfte wie keine andere zuvor demonstrieren, dass auch das Nachtmahl von Ludwig XIV. wie alles in dessen Leben vor allem eines gewesen ist, nämlich ganz große Oper. Der Abfolge der Gänge mit ihren zahllosen Speisen korrespondierte jeden Mal eine darauf abgestimmte Suite aus Tänzen, pittoresken Schilderungen oder Charakterstücken.
Delalande hat u. a. die Orchester-Tradition seines Kollegen und Vorgängers Lullys aufgenommen und weiterentwickelt, vor allem in der verfeinerten Instrumentierung (z. B. prominente Fagottsoli), und erweist sich dabei als Meister der Bewahrung in der Erneuerung der Instrumentalmusik. Und mit ihren melodischen und harmonischen Erfindungen streift diese mitunter fast schon romantische Gefilde.

Um dies heute hörbar zu machen, braucht es eine wahrlich opulente Besetzungsgröße und eine nicht weniger reiche Imaginationskraft bei der Ausgestaltung der überlieferten Notenskelette. Über beides verfügen Vincent Dumestre und sein erstmals in der reinen Instrumentalformation auftretendes Ensemble „Le Poème Harmonique“ in erwartungsgemäß hohem Maße.
Man orientiert sich an der Disposition von Lullys Opernorchester und präsentiert die Vorlagen, die ja oft Bearbeitungen von Hofballetten und Vokaleinlagen Delalandes gewesen sind, genau so nuancenreich und elegant-dramatisch, wie sie wohl gemeint sind. Sie können damit an Umfang und Delikatesse den kulinarischen Reichtümer der Menüfolge, mit der der König sich seinerzeit repräsentativ verwöhnen ließ, auf das Köstlichste entsprechen. Dabei begegnen sich die deftige ländliche Musikwelt und verfeinerten Gesten höfischer Unterhaltungskünste.

In der von Dumestre inszenierten Kontrastregie der Temperamente und Instrumentalregister, den Stimmungswechseln zwischen erhaben und elegisch, pastoral und tänzerisch kommt man heute beim bloßen Zuhören wie von selbst auf verschiedene Geschmacks- und Duft-Assoziationen, sieht exotisch gewürzte Suppen, fantasievoll gefüllte Pasteten, pompöse Bratenplatten und preziöses Zuckerwerk an sich vorbeiziehen.
Zu heiß, zu kalt oder verwürzt klingt hier nichts und Geschmacksverstärker sind ebenso wenig erforderlich wie zusätzliche Farb- und Konservierungsstoffe. Textur, Bouquet und Gusto sind in der Orchesterküche von „Poème Harmonique“ wie immer vom Feinsten.

Ob es einst wirklich so prächtig geklungen hat? Dann würde es nicht verwundern, wenn seinerzeit die Speisen auf den Tellern kalt wurden, weil diese lukullische Musik am Ende alle anderen Sinne in Beschlag nahm …



Georg Henkel



Trackliste
Suiten D-Dur, e-moll, g-moll; Grande piece royale, que le Roi demandait souvent; Passacaille
Besetzung

Le Poeme Harmonique

Vincent Dumestre, Leitung



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