Ravel, M. (Pahud, E. – Langlamet, M.-P. u.a.)

Le Jardin Féerique. Kammermusik


Info
Musikrichtung: Klassische Moderne

VÖ: 28.10.2020

(Indesens / Klassikcenter Kassel / CD / DDD 2019 / Best. Nr. INDE139)

Gesamtspielzeit: 75:02



ABSTRAKTION UND KLANGMAGIE

Maurice Ravels Oeuvre für Kammermusik ist schmal, aber exquisit, wie alles, was dieser Komponist aufs Notenpapier gebannt hat. Eine Auswahl der Werke ohne Klavierbeteiligung hat die „französische Fraktion“ von Musikern der Berliner Philharmoniker eingespielt: Emmanuel Pahud (Flöte), Wenzel Fuchs (Klarinette), Marie-Pierre Langlamet (Harfe), Christophe Horak und Simon Roturier (Violine), Ignacy Miecznikowski (Viola) sowie Bruno Delepelaire (Cello) zeigen, dass die „Großen“ auch im „Kleinen“ und Solistischen erstrangige Musiker sind.
Ob es sich nun um das mit Bläsern, Harfe und Streicher schillernd besetzte Septett „Introduktion & Allegro“, eine Trio-Bearbeitung der „Sonatine“ für Flöte, Harfe und Viola (von einem Zeitgenossen Ravels) oder die aus späteren Jahren stammende „Sonate für Violine und Violoncello“ handelt: Diese Interpretationen überzeugen durchweg, vermitteln sie die Klarheit und Abstraktion von Ravels Musik doch ebenso wie ihre zauberische, klangmagische Seite.

Ravels raffinierter, dicht gearbeiteter Satz, die elegante Rhythmisierung, die delikat-expressive Melodik und Harmonik, die in der bitonalen Duo-Sonate ins Herb-Asketische gewendet ist – all dies wird auf höchstem Niveau und mit unwiderstehlichem Klangsinn dargeboten. Betörend gelingen die duftigen, pastellig leuchtenden Klangräume des Septetts; leicht und doch substanzreich und intensiv erscheinen die irisierenden Figurationen des Streichquartetts. Sensibel und auf den Punkt ist hier wie auch sonst die Darstellung linearer kantabler Verläufe, des ergreifenden, oft nostalgischen Ausdrucks, der im Finale des Quartetts ohne Übertreibungen bis zur Frenesie gesteigert wird. Expressiv und insistierend entfalten sich die gewagten multiperspektivischen Kontrapunkte des Duos, dem vielleicht avantgardistischsten Stück auf dieser Platte. Insbesondere hier kommt die obertonreiche Materialität des Klangs der beiden Instrumente noch einmal besonders zur Geltung, verleiht der Musik wie auch sonst auf der CD eine haptische Textur.

Dazu treten, gleichsam als Ruhepunkt, die Stücke mit Harfe, wobei das titelgebende „Le jardin féerique“ eine aktuelle Bearbeitung des letzten Satzes aus den Märchenbildern von „Ma Mère l’Oye“ ist, die zunächst als vierhändige Klavierstücke konzipiert und vom Komponisten später selbst orchestriert wurden. Die Kammerversion von Stephan Koncz überzeugt vollkommen und beschließt das Programm gewissermaßen mit einem leuchtenden „Nachklang“ zum ersten Stück. Man startet die CD gerne ein weiteres Mal.

An der betörenden Wirkung des Albums hat sicherlich die Akustik des Aufnahmeorts ihren Anteil: Die Nikodemuskirche in Berlin Neukölln umhüllt die kostbaren Klänge Ravels mit einer räumlichen Aura, die den kleinen Besetzungen eine orchestrale Anmutung verleiht.



Georg Henkel



Trackliste
01 Introduktion und Allegro (für Flöte, Klarinette, Harfe und Streichquartett)
02-05 Streichquartett F-Dur
06-08 Sonatine für Klavier fis-moll (bearb. für Flöte, Viola und Harfe von Carlos Salzedo)
09-12 Sonate für Violine und Violoncello
13 Ma Mère l'oye (Ballett) (Auszug)
Besetzung

Emmanuel Pahud (Flöte), Wenzel Fuchs (Klarinette), Marie-Pierre Langlamet (Harfe), Christophe Horak (Violine), Simon Roturier (Violine), Ignacy Miecznikowski (Viola), Bruno Delepelaire (Cello)


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>