Achim Reichel

Blues in Blond (Vinyl Deluxe Editions)


Info
Musikrichtung: Rock / Songwriter

VÖ: 25.10.2019 (1981)

(Tangram / BMG)

Gesamtspielzeit: 62:37


Manchmal passen die Dinge einfach. Am 17. November 1994 hatte ich mir Achim Reichels Grosse Freiheit gekauft. Und so wurde das hamburger Urgestein Thema meiner 25 Years after-Kolumne im November 2019. Folglich saß ich im Oktober am Schreiben der Kolumne, als die Nachricht eintraf, dass just in diesem Monat vier Album-Klassiker von Achim Reichel neu auf Vinyl veröffentlicht werden sollen. Zwei davon liegen uns zur Besprechung vor, so dass wir nun eine kleine Achim Reichel-Reihe vor uns haben, die im letzten Monat mit dem Live-Album begonnen hat, jetzt mit Blues in Blond fortgesetzt wird und im Januar mit dem Wilden Wassermann enden wird.

Blues in Blond ist so etwas wie der Film noir von Achim Reichel. Nach all den Shanties und Literaturklassikern, die er in den 70ern vertont hatte, wendet er sich der zeitgenössischen Literatur zu und taucht textlich in den urbanen Dschungel der modernen Großstadt ein. Maritime Töne sind nicht mehr zu hören. Dafür fällt mehrfach der Name der „großen Stadt Berlin“.

Und so sind es Drop outs, Loser, Gastarbeiter und Strafgefangene, die in den Songs von Blues in Blond ein Milieu zwischen Halbwelt und Rotlichtviertel bevölkern – und Achim Reichel sein wohl stärkstes Album bescheren.
Das prägnanteste Stück dafür ist das epische „In einer fremden Stadt“, das die zerbrochenen Hoffnungen des ankommenden Fremden in einem Stück heraus arbeitet, das die Stärken des Rock- und des Liedermacher-Genres perfekt miteinander verbindet – ähnlich die tragische Geschichte von „Der Spieler“, dem wohl bekanntesten Stück des Albums, das allerdings mit einem Hoffnungsschimmer endet.

Immer wieder lässt Reichel die Stücke schön mit Orgel oder Saxophon garnieren. Das karibisch angehauchte leicht frivole „Kettchen am Fuß“, das lebendige „Apokalypse Ball“ oder der fließende Rhythmus von „Komm‘ in die Falle Marie“ bringen etwas Sonne in die „Mama Stadt, die bei aller Rauheit wohl doch noch ein paar geöffnete Arme hat, wenn man nur genau hinguckt ohne sich in Illusionen zu verlieren. Der Blues von Achim Reichel ist halt ein Blues in Blond.

Die Vinyl Deluxe Editions kommen mit einer zusätzlichen EP, deren vier Tracks in diesem Fall tatsächlich lohnen. „Das Atoll“ ist geradezu die inhaltliche Antwort auf die LP. Das Glück wird außerhalb der Stadt, auf dem Land, in der Südsee gesucht. Dabei wird die gegenteilige Antwort zu der gefunden, die Janosch einmal in dem Kinderbuch Überall ist Panama beschrieben hat. Während Janosch‘ Figuren am Ende entdecken, dass es zuhause genauso schön ist, wie an den schönen Plätzen der Welt, müssen die Atoll-Flüchtlinge entdecken, dass die vermeintlichen Paradise ähnliche Haken haben, wie der Ort, von dem sie ausgezogen sind.
Dazu kommt eine okaye deutsche Version des Elvis Klassikers „In the Ghettor“, eine recht aktuelle Live-Version von „Der Spieler“ und ein sanftes Instrumental.

Die beiden 180g Vinyl-Scheiben kommen zusammen mit mit einer vierseitigen Textbeilage in gefütterten Innenhüllen im Steckcover. Liner Notes, Besetzungsliste, Fotos oder ähnliches gibt es nicht.



Norbert von Fransecky



Trackliste
Seite 1
1 Der Spieler (5:18)
2 Ich hab von dir geträumt (3:19)
3 Mama Stadt (5:52)
4 Eckenliegerblues (3:33)
5 Der Schatten an der Wand (4:47)
Seite 2
In einer fremden Stadt (5:29)
2 Kettchen am Fuß (3:09)
3 Komm' in die Falle Marie (3:28)
4 Apokalypse Ball (2:13)
5 Die stärkste Sonne sieht man nicht (3:50)
6 Blues in Blond (4:34)

Bonus Maxi Single
Seite 1
1 Das Atoll (3:14)
2 Im Ghetto (2:50)
Seite 2
1 Der Spieler (6:45) live
2 Der Midsommernachtstanz (3:48)

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