Depeche Mode siegen ohne Hype bei den Massen




Info
Autor: Ian Gittins

Titel: Depeche Mode. Kultband für die Massen

Verlag: Hannibal

ISBN: 978-3-85445-670-4

Preis: € 28,00

240 Seiten

Internet:
http://www.depechemode.com
http://www.hannibal-verlag.de


Erst einmal ist Kultband für die Massen eine klassische Bandbiographie, die die Geschichte einer der erfolgreichsten Pop-Bands im Album-Rhythmus nachvollzieht. Das Ganze geschieht reich bebildert auf gutem festem Papier im großformatigen Hard-Cover-Band. Macht also gut was her – z.B. als Geschenk unterm Weihnachtsbaum.

Zeitlich ist die Veröffentlichung im September 2019 nicht nur im Blick auf das Weihnachtsgeschäft gut gewählt. Im Mai war der bislang letzte Schwung der 12“-Boxen erschienen. Damit ist zurzeit Pause. Im nächsten Jahr soll’s irgendwann weiter gehen. Da passt diese neue Biographie doch prima in die Halbzeitpause.

Spannend sind – wie so oft – vor allem die ersten Kapitel. Hier treten keine Rock- oder Pop-Stars in Spe an, auch keine Rebellen, Outcasts oder sonstige schräge Vögel. Bezeichnend ist das Foto der völlig unspektakulären Fußgängerzone von Basildon auf Seite 13. Das könnte auch Hagen, Delmenhorst oder Lehrte sein – gesichtslos, austauschbar, langweilig. Aus dieser Stadt in der Nähe Londons stammen Depeche Mode.

Und wenn Ian Gittins irgendwann von der Herkunft der Band aus der Arbeiterklasse spricht, darf man das nicht falsch verstehen. Depeche Mode stammen nicht, wie z.B. Genesis aus dem Bildungsbürgertum. Sie kommen tatsächlich aus eher kleinen Verhältnissen. Von einem Klassenbewusstsein, wie man es z.B. bei verschiedenen Hard Rock- und Metal-Bands findet, die aus den Stahl- und Kohleregionen Englands stammen, kann man hier aber nicht sprechen. Depeche Mode stammen aus dem in dieser Hinsicht eher bewusstlosen kleinen Angestellten Milieu.

Wer sich nun vorstellt, dass Vince Martin, Martin Gore, Andrew Fletcher und Dave Gahan davon träumen, die Musik dazu zu nutzten, aus der Tristesse ihrer Umwelt auszubrechen, was ja eines der beliebtesten Rock(’n’Roll)-Klischee ist, muss umdenken. Die vier klimpern genau in dieser Umgebung vor sich hin, weil sie die Musik gepackt hat.

Als sie dann relativ schnell erfolgreich damit werden, sind sie wohl selber mit am erstauntesten darüber, in welche Regionen sie das befördert. Was sie nicht daran hindert, ordentlich daran mitzuarbeiten, diesen Weg weiter zu befördern. Gittins erweckt ein wenig den Anschein, dass der Absturz in die Drogenhölle, in erster Linie für Gahan, aber auch für Gore, erst mit dem Erfolg kommt. Kurze Bemerkungen von Gore, dass Alkohol und Drogen für ihn immer schon eine Rolle gespielt hatten, machen aber erkennbar, dass Gittin hier dünn strickt.

Das dürfte auch an der Materialbasis liegen. Gittin arbeitet vor allem Magazin-, Internet- und Buch-Artikel auf. Und auch wenn er die Band im Laufe der Jahre wohl mehrfach interviewt hat, kann man einen näheren Zugang zur Band kaum erkennen. Das wird vor allem in den Zukunftsperspektiven auf den letzten Seiten des Bandes deutlich, die allesamt im Konjunktiv stehen.

Insgesamt eine engagiert geschriebene Fleißarbeit, die die Alben von Depeche Mode gut in die Karriereumstände der Band einbettet – und auch nie verschweigt, dass die Qualität der Band nie unumstritten war. Die Musikpresse hat sie immer ein wenig von oben herab belächelt, während die Fans – nicht zuletzt in Deutschland – ihr einen Triumph nach dem nächsten bescherten.


Norbert von Fransecky



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