Musik an sich


Reviews
Schubert, F. (Goerne)

Winterreise (Schubert Edition Vol. 9)


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 14.11.2014

(harmonia mundi / harmonia mundi / CD / 2011 / Best. Nr. HMC 902107)

Gesamtspielzeit: 74:54

Internet:

Matthias Goerne



WUT DER VERZWEIFLUNG

Mit Schuberts „Winterreise“ findet die viel gelobte, neunteilige Schubert-Edition des Baritons Matthias Goerne ihren – würdigen - Abschluss. Dabei verblüfft zunächst, dass der Liederzyklus hier quasi zweifach gesungen wird, denn Christoph Eschenbach ist am Klavier alles andere als ein bloß souveräner Begleiter, sondern vielmehr ein ebenbürtiger Partner. Es macht ein ums andere Mal Staunen, welche Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten er auch den kleinsten Phrasen und Einwürfen noch abgewinnt. Dabei wirkt nichts davon bemüht, sondern alles höchst organisch und in sinnhafter Weise erläuternd bis illustrierend. Das hat man in dieser Konsequenz kaum je gehört, wird es aber nach dieser Einspielung nicht mehr missen wollen.

Doch auch Goerne verblüfft: Sein einsamer Wanderer ist nicht nur ein gebrochener Hoffnungsloser, sondern auch ein expressiv Wütender, einer, der trotz aller Aussichtslosigkeit gegen die Ungerechtigkeit und Erbarmungslosigkeit der Welt aufbegehrt, ja, diese durch die Kraft seiner Lieder mit in den Abgrund zu reißen sucht. Dementsprechend breit ist das dynamische Spektrum, das vom geflüsterten bis zum großen, fast opernhaften Ton reicht. Die exzellente Aufnahmetechnik hat dies bis ins kleinste Detail perfekt eingefangen. Die Enttäuschung wird immer wieder in die winterlich verödete Landschaft hinausgeschrien, denn es gibt nichts mehr zu verlieren. Das ist manchmal ungewohnt, aber immer eindrucksvoll, packend, zwingend und berührend. Eine Winterreise also, die alles andere als ein harmloser Spaziergang ist.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Matthias Goerne: Bariton

Christoph Eschenbach: Klavier


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