Musik an sich


Reviews
Mattheson, J. (Willens)

Das größte Kind


Info
Musikrichtung: Barock Oratorium

VÖ: 19.10.2009

(cpo / jpc / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. 777 455-2)

Gesamtspielzeit: 56:01

Internet:

Kölner Akademie



ALTERNATIVEN

Weihnachten ohne Musik, das ist genau so wenig denkbar, wie Weihnachten ohne Kerzen, ohne Tannenbaum oder ohne Christstollen. Das war schon in früheren Jahrhunderten so, wie damals aber stellt sich auch heute die Frage: Welche Musik soll es diesmal sein? Die Plattenlabel wissen nur zu gut um den jährlichen Weihnachtsmusikboom und platzieren rechtzeitig zahlreiche Neu- und Wiederveröffentlichungen. Aus deren großer Zahl seien hier diesmal zwei Produktionen vorgestellt, die aller Aufmerksamkeit wert sind und die, obgleich beide Musik aus der Epoche des Barock beinhalten, unterschiedlicher kaum seien könnten:

Da ist zum einen das 1715 uraufgeführte Oratorium "Das größte Kind" des Hamburger Musikdirektors Johann Mattheson. Ein nicht nur im Hinblick auf die Instrumentalbesetzung äußerst prachtvolles Werk, sondern eines, das auch im Tonfall ganz von festlicher Freude durchdrungen ist. Vor allem die prachtvoll ausgeschmückten Chöre, die zwar auf traditionelles Choralmaterial ("Gelobet seist Du, Jesu Chrsit"; "In dulci jubilo"; "Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich") zurückgreifen, dieses aber in konzertierendem Stil aufwerten, sind wahre Festmusiken. Hier kommen Hörner und Trompeten parallel zum Einsatz und auch die Pauke darf nicht fehlen. In den Arien und Rezitativen wird das Weihnachtsgeschehen nicht nacherzählt, sondern in seiner Heilsbedeutung betrachtet und gefeiert. Mattheson hat dabei Wert auf größtmögliche Abwechslung gelegt, so dass sich neben meditativ-betrachtenden Arien auch solche mit Choreinschüben finden, zudem Accompagnati und sogar mehrstimmige Arien.
Eine außergewöhnlich farbige Partitur also, die Michael Alexander Willens sehr spannungsreich und bewegt umsetzt. Erstaunlich ist dabei, wie sich die acht Sänger auch in den Chorpassagen mühelos gegen das kraftvoll und zugleich gut durchhörbar aufspielende Orchester der Kölner Akademie durchsetzen. Im solistischen Einsatz brillieren vor allem die beiden Sopranistinnen Susanne Rydén und Nele Gramß, aber auch Wolf Matthias Friedrich, dem die Rolle des Joseph zufällt.

Wer sich Weihnachten hingegen eher bedächtig und behutsam nähern will, dem kann man in diesem Jahr die Produktion Per il Santissimo Natale ans Herz legen. In dem klug gestalteten Programm vollziehen die Sopranistin Deborah York und das Orchester Elbipolis gleichsam eine Bewegung auf das Weihnachtsereignis zu: Nach der herrlichen Sonata a 5 von Alessandro Melani macht eine Magnificat-Vertonung von Melchior Hoffmann (1685-1715) den Auftakt. Sie präsentiert den Lobgesang Mariens vollkommen adäquat in geradezu kammermusikalischer Intimität und Innigkeit. Deborah Yorks leicht dunkel eingefärbte, technisch perfekt geführte Sopranstimme ist ideal für dieses Repertoire. York neigt im Ausdruck allerdings zu einer gewissen Objektivität. Ein bißchen mehr Emphase und jubilierende Leichtigkeit, zumal in den Schlusssätzen, wären weder hier, noch in Händels erst kürzlich wiederentdecktem Gloria gut vertretbar gewesen. Aber gerade das ist ja bekanntlich Geschmackssache und auch die Betonung des lyrischen Elements hat seinen Reiz. In Christian August Jacobis (1685-1725) Kantate "Der Himmel steht uns wieder offen!" legt die Sopranistin jene gewisse Zurückhaltung übrigens ab. Gerade diese Kantate ist in ihrem breiten Affektspektrum und ihrer üppigen Instrumentalbesetzung von besonderem Reiz. Hier, wie auch in den eingeschobenen, orchestralen Ruhepunkten, überzeugt das Orchester Elbipolis mit gertenschlankem, wendigen Spiel.


Tja, wer die Wahl hat, hat die Qual. Vorschlag: Eine CD kaufen und sich die andere schenken lassen, dann kann Weihnachten in musikalischer Hinsicht 2009 nichts schiefgehen.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Johann Mattheson: Das größte Kind
Besetzung

Susanne Rydén, Nele Gramß: Sopran
Anne Schmid, Melissa Hegney: Alt
Gerd Türk, Ulrich Cordes: Tenor
Wolf Matthias Friedrich, Thilo Dahlmann: Bass

Kölner Akademie

Michael Alexander Willens: Leitung


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