Musik an sich


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Händel, G. F. (Haim)

La Resurrezione


Info
Musikrichtung: Barock Oratorium

VÖ: 06.11.2009

(Virgin Classics / EMI / 2 CD / DDD / 2008 / Best. Nr. 50999 694567 0 1)

Gesamtspielzeit: 112:12



MITTELWEG HISTORISCHER AUFFÜHRUNGSPRAXIS

Sehr schnell hat sich damals der junge G. F. Händel während seines Italienaufenthalts zum Meister gemausert. Noch viele Jahre später, da war er schon in London, konnte er von seinen damals jenseits der Alpen reichlich sprudelnden Einfällen zehren. Das Osteroratorium La Resurrezione, im Grunde eine fromme Oper, leistete ihm später als Materialgrundlage unter anderem für sein Bühnenwerk Agrippina gute Dienste. Doch die kreative Weiterverarbeitung geht dann doch so weit, dass man eigentlich nicht von bloßen Copy-Paste-Kompositionen sprechen kann.

La Resurrezione ist ein repräsentatives, groß und farbig besetztes Werk mit einigen ungewöhnlichen Einfällen. Z. B. wirkt die Johannes-Arie Così la tortorella aus dem 1. Teil mit ihren gegenläufigen Themen bzw. Musiken wie eine experimentelle Barock-Collage. Händel hat sie darum später vereinfacht. Emmanuelle Haim bringt in ihrer Live-Einspielung erfreulicherweise die widerborstige Urfassung zu Gehör. Zwar tritt das Orchester Le Concert d’Astrée nicht ganz in der imponierenden Besetzungsstärke auf, die Händel damals vor allem bei den Streichern zur Verfügung stand. Dennoch ist der Klang von weiträumiger Präsenz. Kammermusikalische Details treten immer wieder unaufdringlich hervor. Im Ganzen wird, bei angemessen deutlicher Akzentuierung, geschmeidig und ohne Übertreibungen gespielt. Haim wählt einen Mittelweg zwischen dem erregenden Furor und der markigen Rhetorik ihres Landsmannes Marc Minkowski (DG Archiv) und der Gradlinigkeit (und manchmal auch etwas trockenen Art) britischer Dirigenten: state of the Art historisch informierten Musizierens, schön anzuhören, ohne Extreme und Risiken (da entdeckt Minkowski in der Partitur fraglos stärkere dramatische Situationen und Figuren).

Doch ist dieser Ansatz eine sängefreundliche Grundlage für die barockerfahrenen Solist/innen, deren Qualitäten in der Live-Situation allerdings unterschiedlich zur Geltung kommen. Insgesamt ist das Ensemble homogen und gut aufeinander abgestimmt. Camilla Tilling bringt als Engel gleich in der ersten Arie die erforderliche brillante Virtuosität mit. Dagegen benötigt Kate Royal als Magdalena einige Zeit, bis ihre Stimme sich entspannt. Vor allem in der Höhe wirkt sie zunächst etwas gestresst. Sonia Prinas dunkler androgyner Contralto ist eindrucksvoll, aber auch gewöhnungsbedürftig. Toby Spence gelingen in der Rolle des Jüngers Johannes immer wieder schöne, bewegende Momente. Doch die Koloraturen laufen nicht immer gleich leicht und er neigt zu Vokalverfärbungen. Einen eher baritonalen aufgehellten Luzifer präsentiert Luca Pisaroni: leidenschaftlich und viril, aber nicht höllenfinster.
Im Vergleich zu Haims Version wirkt die im April 2009 erschienene preiswerte Brilliant-Veröffentlichung mit dem Contrasto Armonico unter Marco Vitale recht behäbig - das ist keine wirkliche Konkurrenz. Es lohnt sich aber, noch einmal weiter in die Vergangenheit zu schauen und auch entlegene diskographische Zeugnisse in den Blick zu nehmen. In der 1961 aufgenommenen Fassung durch das auf konventionellen Instrumenten muszierende Santini Kammerorchester Münster (Documents 2005) mögen die breiten Tempi und der massive Klang irritieren. Aber welche vokale Kraft entfalten dort die Sänger/innen, die zudem eine Ausdrucksintensität hereinbringen, die (nicht nur) den heutigen Barocksängern leider oft abgeht. Da dürften die jungen Stars von heute gerne auch bei Händel mehr wagen.



Georg Henkel



Trackliste
CD I: Teil 1 62:22
CD II: Teil 2 49:50
Besetzung

Camilla Tilling: Engel
Kate Royal: Magdalena
Sonia Prinas: Cleofe
Toby Spence: Johannes
Luca Pisaroni: Luzifer

Le Concert d’Astrée

Emmauelle Haim: Leitung


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