Musik an sich


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PRETTY MAIDS – Ein Vierteljahrhundert "Danish Dynamite"




Info
Künstler: Pretty Maids

Zeit: November 2008

Ort: Nürnberg (Hirsch) + Augsburg (Spectrum)

Fotograf: Martin Punsch

Internet:
http://www.prettymaids.dk
http://www.myspace.com/pmaids

25 Jahre ist es bereits her, dass die dänischen Hard Rock/Metal-Veteranen PRETTY MAIDS ihre selbst betitelte Debüt-EP veröffentlichten. Für die Band Grund unter dem Banner „25th Anniversary“ durch die Lande zu touren und ein ausgeglichenes Best Of-Programm zu präsentieren. Zwei unserer Redakteure ließen sich diese Gelegenheit nicht nehmen und besuchten die Konzerte der Band am 09.11. im Nürnberger Hirsch (Stefan Graßl), sowie am 11.11. im Augsburger Spectrum (Mario Karl). Hier ihre Erlebnisse:


NÜRNBERG (Hirsch) – So. 09.11.2008

Bei den Pretty Maids handelt es sich mittlerweile leider um eine Band, die nur noch sehr selten reguläre Touren in Deutschland durchzieht. Ab und zu treten sie hier und da mal auf einem Open Air auf, aber Hallenkonzerte sind rar. Umso mehr ein Grund, sich die dänischen Hardrock-Veteranen wieder einmal anzuschauen. Mit dieser Meinung stehe ich sichtlich nicht allein da als ich im Hirsch eintreffe. Vom Durchschnittsalter des Publikums würde ich sagen, dass ein Großteil der zahlreichen Fans schon um die 40 ist.

Als Vorband muss eine Gruppe namens THE ROXX ran, von denen ich bis dahin noch nie etwas gehört habe. Am Merchandise-Stand machen sie sehr viel Werbung für sich. Unter anderem haben sie Zeitungsberichte über sich da liegen, worauf steht, dass der Sänger mindestens so gut wie Rob Halford sein soll – man munkelt, vielleicht sogar noch besser. Eigenlob stinkt bekanntlich und so mach ich mich deshalb schnell auf den Weg in den Konzertsaal, wo die Megaband dann auch gleich loslegt. Mit deutlicher Judas Priest-Schlagseite geht’s dann auch gleich los und das was man hört, klingt auch gar nicht mal schlecht. Doch was sich optisch auf der Bühne bietet, ist fast nicht mehr schlechter zu machen. Der Sänger hat eine Sonnenbrille auf, macht ein bisschen auf „Rob Halford für Arme“ und auch der Rest der Band scheint irgendwie nicht dazu zu gehören. Auf jeden Fall passt die Aufmachung der Band überhaupt nicht und das Stageacting des Sängers sieht einfach nur lächerlich aus. Es geht offensichtlich nicht nur mir so, ein Großteil der Leute verzieht sich wieder in den Vorraum. Dem Sänger gelingt es meines Erachtens kaum, einen Draht zum Publikum aufzubauen. Gesanglich ist er irgendwo zwischen Ralf Scheepers und Rob Halford anzusiedeln. Aber an den „früheren“ Mr. Halford und dessen Charisma kommt er im Leben nie heran.


Nach einer halben Stunde ist dann auch endlich Schluss und es beginnt die Hauptattraktion des Abends. Die „Holden Maiden“ aus Dänemark: PRETTY MAIDS! Um ca. 22 Uhr geht das Licht aus und das altbekannte Intro von „Sin decade“ läuft aus der PA, mit dem es dann auch so richtig fetzig losgeht. Rampensau Ronnie Atkins legt gibt gleich von Anfang an eine ziemlich hohe Schlagzahl vor, bei dem die restliche Band natürlich mitmachen muss. Pretty Maids, so ganz stimmt der Bandname nicht mehr. Vor allem an den drei Urgesteinen Kenn Jackson (bass), Ronnie Atkins (vocals) und dem Sympathiebolzen Ken Hammer (guitars) ist der Zahn der Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Aber musikalisch haben sie immer noch das Zeug dazu, den Hirsch zum Kochen zu bringen. Vor allem bei den beiden neuen Songs „Another shot of your love“ und „Wake up to the real world“ wird deutlich, dass das Songmaterial der neuen Scheibe locker mit den alten Großtaten mithalten kann. Und diese ollen Kamellen bzw. Klassiker gibt’s reichlich. Ronnie Atkins peitscht das Publikum bei jeder Gelegenheit nach vorne und verwandelt den Hirsch in einen brodelnden Hexenkessel, was man ja auch nicht immer so erlebt. Gesanglich ist er wirklich gut bei Stimme, es fällt jedoch schon auf, dass er sich im Gegensatz zur letzten Tour wesentlich mehr anstrengen muss. Ken Hammer spielt unter Dauergrinsen ein cooles Solo nach dem anderen und man merkt, wie sehr der Typ Spaß an Live-Auftritten hat. Kenn Jackson hält den Laden mit seinem soliden Bassspiel zusammen und der Rest der weitestgehend unbekannten Truppe hat auch mächtig Spaß.
Das Highlight ist für mich ganz klar das wuchtige „Virtual brutality“ vom genialen Planet panic-Album. Ich finde es klasse, dass noch ein Song der Scheibe den Weg in die Live-Setlist gefunden hat. Oldies vom Schlage „We came to rock“ oder das geniale „Lethal heroes“ kommen beim Publikum ebenso gut an wie die Überhymne „Yellow rain”, die an Zeitlosigkeit nach wie vor nichts verloren hat. Balladenmäßig wird auch einiges geboten, von „Walk away“ bis zum mitreißenden „Savage heart“ ist alles dabei. Und natürlich wird auch an diesem Abend die John Sykes-Coverversion „Baby please don’t leave me“ gespielt, die vom Publikum begeistert aufgenommen wird. Mit „Rodeo“, dem Über-Hit „Back To Back“ und dem lässigen „Love games“ ist der reguläre Teil dann auch leider schon vorbei. Als Zugaben werden dann die beiden Nummern gespielt, ohne die Pretty Maids wohl nie die Bühne verlassen, und zwar „Future World“ und das brachiale „Red, hot and heavy“. Während den beiden Songs verteilt Ken Hammer seine kompletten Bierreserven an das Nürnberger Publikum, das diese Geste natürlich zu schätzen weiß.
Leider ist die Spielzeit mit 80 Minuten doch etwas kurz geraten, war jedoch auf der letzten Tour auch nicht wesentlich länger. Außerdem wäre die ein oder andere Überraschung im Programm anlässlich einer Jubliäumstour doch durchaus drin gewesen, oder? So ist die Setlist doch sehr vorhersehbar, stimmungsmäßig jedoch ist dieses Konzert wirklich sehr gut.


AUGSBURG (Spectrum) – Di. 11.11.2008

Beim Betreten der Spectrums bot sich mir ein ähnliches Bild wie Stefan Graßl in Nürnberg: Ein überraschend gut gefüllter Klub mit gut gelaunten Leuten, deren Altersdurchschnitt irgendwo zwischen 36 und 43 rangiert und die voller Vorfreude auf die Hauptattraktion warten. Von der ausgelassenen Stimmung profitiert auch die Vorband THE ROXX, welche sich ansonsten nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Denn mal ganz ehrlich, selten bekommt man einen solch gelangweilten Haufen zu sehen. Der sonnenbebrillte und hoch gewachsene Frontmann mit dem schicken Künstlernamen „B.itch“ war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Übertriebene Posen und pseudocooles Gehabe in (un-)modisch zerfledderten Klamotten bestimmten das Geschehen. Ein Wunder, dass der gute Mann nicht an der Bühne festgefroren ist. Der Rest der Band stand da nur im Hintergrund. Es wäre gar nicht aufgefallen, wäre da sonst niemand da gewesen. Lediglich Gitarrist „L.X. Gaitanides“, der sein Werkzeug generell ohne Plektrum bearbeitete, spielte sich kurz mit einem Feuerzeug-Slidesolo in den Vordergrund. Aber selbst dabei blickte er nicht besonders motiviert aus der Wäsche. Dabei hätte das doch nicht sein müssen. Denn ein Teil das Publikums schien komischerweise seinen Spaß an dem altbackenen Sound der Band zu haben und ließ sich kurzzeitig nach etwas Überredung auch zu kleinen Mitklatschspielchen animieren. Grundsätzliche Sympathie war also vorhanden. Auch wenn der Rezensent nicht unbedingt versteht warum. Denn trotz des spielerischen Könnens der Band ist ihr Songmaterial einfach viel zu bieder und austauschbar. Business as usual und Musik als reines Handwerk. Da hätte ich mir nach 24 Jahren Bandgeschichte auch etwas mehr erhofft.


Ganz anders sah die Sache dann bei den PRETTY MAIDS aus. Denn hier hatten wir es mit einer bis in die Haarspitzen motivierten Band zu tun, die es sich ohne weiteres anmerken lässt, dass sie Spaß an der Sache hat. Zwar hat auch hier der in die Jahre gekommene Gitarrist Ken Hammer sämtliche Rockstarposen in seinem Repertoire, doch wirkt das einfach nur lässig und sogar recht natürlich. Zusammen mit Sänger Ronny Atkins, der sich nach all den Jahren auch stimmlich noch recht gut in Form zeigt, bildet er auch den Aktivposten seiner Band, während sich der langjährige Bassist Kenn Jackson, sowie die beiden Neuzugänge Allen Tschicaja (Schlagzeug) und Morten Sandager von Mercenary (Keyboards) im Hintergrund halten und ein gutes Fundament für die zünftige Rockshow liefern. Entsprechend des Tourmottos hielt man sich in Sachen Setlist (welche die gleiche wie zwei Tage vorher in der Frankenmetropole war) natürlich an die Highlights aus 27 Jahren Pretty Maids. Es war auch nicht verwunderlich, dass man dabei überwiegend auf Material der ersten Dekade des eigenen Bestehens zurückgriff und Songs ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre eher Mangelware waren. Doch daran störte sich an diesem Abend niemand. Ganz im Gegenteil. Oldies wie das programmatische „We came to rock“, der schwungvolle Opener „Sin decade“ oder die wunderbar emotional dargebote Ballade „Savage heart“ wurden gebührend abgefeiert. Zwar sorgte das mit tiefer gestimmten Riffs angereichterte und stilistisch aus dem Rahmen fallende „Planet panic“ für etwas ruhigere Reihen, doch ansonsten war die Stimmung während der gesamten 90 Minuten hervorragend. Selbst bei seltener gehörten Liedgut wie „Lethal heroes“ oder „Rodeo“. Und auch die beiden Schmusenummern „Walk away“ und „Please, don’t leave me“ waren den Rockern vor der Bühne viel Applaus wert. Der wurde allerdings um einiges lauter, als die Band nach einer kurzen Verschnaufpause als (Fake-)Zugabe die beiden Hymnen schlechthin, „Future world“ und „Red, hot & heavy“ brachte und den Deckel zumachte.
Und das waren die Pretty Maids auch an diesem Abend: Zwar nicht unbedingt megaheavy, aber dafür heiß! Wer nicht da war, hatte ein äußerst unterhaltsames Konzert verpasst, bei dem man nebenbei wunderbar in alten Erinnerungen schwelgen konnte. Denn nicht wenige der Anwesenden hatten schon in ihren Jugendjahren ihr Haupthaar zu „Back to back“ geschüttelt oder gemütlich ein Bier zum melodiösen „Lovegames“ getrunken. Und so schwebte den ganzen Abend auch ein ziemliches Nostalgiefeeling im Raum. Denn seien wir ehrlich, auch wenn die Pretty Maids sich noch quicklebendig präsentieren und immer wieder neue (auch gute) Alben veröffentlichen, inzwischen verkommt man leider auch ein wenig zur Oldieband. Aber was soll’s, wenn das Publikum auch die nächsten Jahre noch so wunderbar unterhalten wird. Denn als der Fünfer zu den Klängen von Monty Pythons „Sit on my face“ die Bühne verließ und dabei jede Menge Hände abklatschte, sah man allerorten nur glückliche Gesichter in die kalte, schwäbische Abendluft entschwinden.



Setliste:
Sin decade
Lethal heroes
Wake up to the real world
We came to rock
Another shot of your love
Virtual brutality
Destination paradise
Walk away
Savage heart
Yellow rain
Back to back
Rodeo
Please, don´t leave me
Lovegames
---
Future World
Red, hot & heavy


Fotos mit freundlicher Genehmigung von Punschies Rockmuseum (www.punschies-rockmuseum)


Stefan Graßl + Mario Karl



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