Musik an sich


Reviews
Caccini, G. (Achten)

L’Euridice. Composta in Stile Rappresentativo (1600)


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 01.11.2008

(Ricercar / Note 1 / DDD 2007 / Best. Nr. RIC 269)

Gesamtspielzeit: 79:30



LYRISCHE POTENTIALE

Angesichts von Claudio Monteverdis L’Orfeo vergisst man schnell, dass der Komponist aus Mantua zwar 1607 die erste vollkommen ausgereifte Oper der Musikgeschichte geschaffen, nicht aber die Gattung an sich erfunden hat. Es gab gleich mehrere Vorläufer, die am Ende der Renaissance das antike Drama aus dem Geist des musikalisierten Wortes wiederbeleben wollten. Dazu entwickelten sie den bassbegleiteten Sologesang zur ausdrucksvollen und „sprechenden“ Monodie weiter. Von der kunstvollen mehrstimmigen Textausdeutung bewegte man sich in Richtung einer affektbetonten Menschendarstellung, die das Individuum und seine wechselnden Affekte ins Zentrum stellt.

Dass auch diese frühen Experimente zu einer hörenswerten, auch heute noch unmittelbar ansprechenden Musik führten, beweist das junge Ensemble Scherzi Musicali mit Giulio Caccinis kurzer dreiaktiger L’Euridice. Mit großer Leichtigkeit blasen sie den Staub von der alten Partitur und zerstreuen gleich vom ersten Takt an jede Befürchtung, man müsse jetzt brav einer musikhistorischen Demonstration lauschen. Gerade bei solchen „kleinmeisterlichen“ Werken zahlt sich die langjährige Erfahrung mit der historischen Aufführungspraxis aus. Dabei knüpft Scherzi Musicali nicht nur bei den Instrumenten und Spielweisen an den Gepflogenheiten der Entstehungszeit an: Der Sänger des Orfeo, Nicholas Achten begleitet sich, wie seinerzeit üblich, sogar selbst auf der Theorbe. Überdies zeichnet er als Ensembleleiter für die ganze Produktion verantwortlich.
Obwohl keine Melodieinstrumente beteiligt sind, klingt der basso continuo durch den Einsatz von Bassgambe und Lirone geschmeidig und kantabel. Lauten, Harfe und Gitarre setzten zusammen mit Cembalo und Orgel farbige Akzente und unterstützen die Charakterisierung der Szenen und Figuren. Durch die eher weiche Tongebung entfaltet das Ensemble das lyrische Potential von Caccinis Gesangslinien. Auch dank der stilsicheren Kolorierung durch Verzierungen fehlt es meist an jener Trockenheit, die man immer noch gerne mit dem frühen Rezitativ verbindet. Die kleine solistische Besetzung ist in jeder Stimmlage gut disponiert und sorgt für kammermusikalische Intimität, die auch bei den kleinen Chören und „Ensembles“ ihre Wirkung nicht verfehlt. Unterstützt wird der geschlossene Eindruck der Einspielung durch das leuchtende, diskret hallige Klangbild. Eine geschmackvolle, aufwändige Ausstattung rundet diese Produktion ab.



Georg Henkel



Besetzung

Nicholas Achten: Orfeo
Céline Vieslet: Euridice
Magid El-Bushra: Tragedia / Daphne
Marie de Roy: Ninfa / Venere
u. a.

Scherzi Musicali

Nicholas Achten: Theorbe & Leitung


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